Interview: Buch von Reiner Rhefus über Geschichte entlang der Trasse "Industriekultur als zentrales Merkmal anerkennen"
Wuppertal · "Durch Tunnel & über Viadukte" — so heißt ein neues Buch, das Reiner Rhefus, Mitarbeiter des Historischen Zentrums, jetzt veröffentlicht hat. Aufwendig gestaltet, hochwertig illustriert und voller detailreicher Informationen bietet der 140-Seiten-Band viele Routen und Besuchstipps.
Rundschau-Redakteur Stefan Seitz sprach mit Reiner Rhefus.
Rundschau: Sie machen Stadtführungen, schreiben über lokale Sozial- und Industriegeschichte. Jetzt auch ein Trassen-Buch. Warum?
Rhefus: Das Buch ist sozusagen die Zusammenfassung der etwa 100 blauen Tafeln zur Industriekultur, die wir, das Historische Zentrum, mit Unterstützung weiterer Förderer und Experten, entlang der Trasse aufgestellt haben Das Ganze soll einige Besonderheiten Wuppertals hervorheben, und richtet sich deswegen nicht nur an Wuppertaler, die von der Trasse aus ihre Stadt neu entdecken möchten, sondern auch an Besucher von außerhalb.
Rundschau: Haben Sie Industriekultur-Lieblingsplätze an der Trasse?
Rhefus: Von der Brücke über die Uellendahler Straße kann man drei der schönsten historischen Wuppertaler Fabrikgebäude auf einen Blick sehen. Wer dort auf dem Damm ein paar Meter von der Trasse abweicht, blickt auf der Rückseite des Fabrikgebäudes an der Uellendahler Straße, des Frowein-Gebäudes, auf alte Shed-Dächer, das Kesselhaus mit Schornstein und eine geschweifte Turmhaube. Unten sieht man den offen fließenden Mirker Bach, eine wunderschöne Szenerie. Außerdem gefällt mir der Einschnitt an der Sonnabendstraße in Wichlinghausen. Zwei alte Brücken führen über die Trasse, eine davon auf einen Bergsporn, zum früheren Hackenbergschen Sommerhaus. Und es existiert wohl nirgends in Deutschland eine solche Dichte von früheren Konsumgenossenschaftszentralen wie an dieser Trasse in Wuppertal.
Rundschau: Wuppertal ist also ein noch unerkanntes Eldorado für Industriekultur-Fans?
Rhefus: Jedenfalls haben wir hier sehr viel zu bieten. Wir haben vieles aufgearbeitet und mit Infotafeln erschlossen. So ein Buch wie über die Trasse könnten wir sehr gut auch entlang der Schwebebahnstrecke machen.
Rundschau: Das Ruhrgebiet hat mit dem Veranstaltungsformat "ExtraSchicht" und vielen anderen Aktionen seine Industriekultur zur weltweit bekannten Marke entwickelt. Wär' das nichts für Wuppertal?
Rhefus: Das Potenzial ist auf jeden Fall da. Aber dem Ruhrgebiet standen und stehen natürlich große Fördertöpfe zur Verfügung. Um so etwas auch bei uns zu entwickeln, wäre wichtig, dass die Wuppertaler Bürger und ihre Vertreter Industriekultur als das zentrale Merkmal für die Identität ihrer Stadt anerkennen. Schließlich hatten Elberfeld, Barmen, Cronenberg und Ronsdorf ihren Aufstieg im 19. Jahrhundert der Industrie zu verdanken. Man muss wissen, woher man kommt, um zu wissen, wohin man geht. Die zahlreichen erhaltenen Denkmäler sind ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal unserer Stadt. Im Rahmen der "Regionale 2006" gab es darum schon einige Diskussionen. Als finanzielle Förderer kämen etwa das Land NRW, Stiftungen und Privatsponsoren in Frage.
Rundschau: Was wäre Ihr Wunsch?
Rhefus: Dass alle an einem Strang ziehen, etwa für einen großen Tag der Industriekultur hier bei uns. Und zwar nicht nur mit Events, Musik und Illuminationen wie bei der "ExtraSchicht", sondern auch mit viel Hintergrund. Denn Industriekultur ist ein wichtiger Teil unserer Geschichte und Mentalität.