Interview: René Schuijlenburg über die Initiative "Cars of Hope" "Gesehenes kann man nicht vergessen"
Wppertal · Seit November des vergangenen Jahres fährt die Wuppertaler Initiative "Cars of Hope" regelmäßig Flüchtlingslager in Griechenland an, um vor Ort zu helfen. Mit dem Gründer der Initiative, René Schuijlenburg, sprach Rundschau-Redakteurin Sabina Bartholomä über den Einsatz.
Rundschau: Wie kam die Initiative zustande?
Schuijlenburg: Als Kroatien seine Grenze dicht machte, saßen die Flüchtlinge auf der Balkanroute fest. Slowenische Freunde riefen mich damals an, damit ich mir vor Ort ein Bild machen sollte.
Rundschau: Sie sind dann nach Slowenien gefahren?
Schuijlenburg: Ja, was ich sah, war schrecklich. Polizisten mit Helmen und Knüppel, Panzerwagen und Militärhubschrauber. Dazu die Menschen, die im Niemandsland festsaßen. In Ungarn war es noch schlimmer, viele Flüchtlinge wurden dort eingesperrt. Ich bin dann nach Wuppertal zurück gefahren um Mitstreiter zu suchen.
Rundschau: Die Sie dann auch gefunden haben?
Schuijlenburg: Viele Menschen haben spontan ihre Hilfe zugesagt, auch diejenigen, die sich bereits in lokalen Flüchtlingsprojekten engagiert haben.
Rundschau: Wann sind Sie und Ihre Mitstreiter von "Cars of Hope" zum ersten Mal zum Balkan aufgebrochen?
Schuijlenburg: Im kalten November 2015, mit sieben Pkws, einem Bulli und einem Lkw. Unsere Fahrt haben wir mit Spenden finanziert, hatten damals vor allem warme Kleidung, Decken und Schuhe im Gepäck, denn ich hatte gesehen, dass viele Flüchtlinge barfuß oder nur mit Schlappen ausgerüstet waren.
Rundschau: Ist die Hilfe aus Wuppertal nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Schuijlenburg: Ja und nein, es gibt mittlerweile sehr viele Gruppen wie unsere quer durch Europa, wir sind gut vernetzt, manche kennen wir auch persönlich. Vor Ort koordinieren wir unsere Hilfe.
Rundschau: Nach dem Ende der Balkanroute war Idomeni ihr Ziel und auch heute helfen Sie weiter in Griechenland?
Schuijlenburg: Rund 54.000 Menschen sitzen dort fest, alleine bis zu 15.000 in Nordgriechenland. Die meisten leben in staatlichen Lagern, aber auch einige in Wohnungen, da Wohnraum dort preiswerter ist als hier. Wir haben Unterstützer gefunden, die bis zu einem halben Jahr die Miete mehrerer Wohnungen übernehmen. Außerdem kaufen wir vor Ort von den Spenden Lebensmittel und Hygieneartikel.
Rundschau: Welche Chance haben die Menschen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden?
Schuijlenburg: Die Syrer werden in der Regel anerkannt, bei Menschen aus anderen Ländern ist es sehr unterschiedlich.
Rundschau: Wie oft waren Sie selber vor Ort?
Schuijlenburg: Allein in den letzten drei Monaten sechs Mal. Aber nicht mehr mit den Autos. Wir fliegen, um im Lager fit zu sein. Sonst kommt man nach 30 Stunden Fahrt kaputt an, dabei werden gerade ausgeruhte Helfer in der Küche benötigt. Die Verständigung klappt mit Englisch recht gut.
Rundschau: Möchten die Flüchtlinge in Griechenland bleiben oder weiter nach Norden?
Schuijlenburg: Viele wollen weiter, sind auf der Suche nach Arbeit, um ihre Familien selber zu ernähren. Das ist in Griechenland kaum möglich, bei einer Arbeitslosigkeit von 30 Prozent, viele Geschäfte stehen dort leer, in Fabriken wird nicht mehr gearbeitet.
Rundschau: Klappt denn die Registrierung?
Schuijlenburg: Damit sind die griechischen Behörden völlig überfordert, es dauert bis zu einem Jahr. Also bleiben die Camps vorerst erhalten. 480 zusätzliche Beamte wollte die EU schicken, nur 20 sind bisher wirklich dort.
Rundschau: Wie verarbeiten Sie die schlimmen Eindrücke?
Schuijlenburg: Gesehenes kann man nicht vergessen. Viele Helfer, so auch ich, nehmen professionelle Hilfe in Anspruch, um die Eindrücke zu verarbeiten. Ich habe mehrmals in Camps übernachtet. Man sieht Panzer und Soldaten mit Hunden — wenn die bellen, fangen die Kinder an, vor Angst zu weinen.