Drei Flüchtlinge - ein Jahr in Wuppertal Gekommen, um zu bleiben

Wuppertal · Ali, Omar und Mohamud haben im Sommer 2015 zusammen in der Flüchtlingsunterkunft Edith-Stein-Straße gelebt. Ein Jahr später hat sich in ihrem Leben viel verändert. Eines aber ist geblieben: das Warten.

Ali und Sohn Faiiz versuchen, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen.

Foto: Rundschau

Eine Begegnung zwischen Aufbruch und Stagnation.

"Aufenthaltsgenehmigung". Nein, so ganz geschmeidig geht das Wort Omar auch heute noch nicht von den Lippen. Verzweifelt versucht der Syrer sich an das zu erinnern, was nach "Aufenthalt" kommt, kapituliert nach ein paar Anläufen und muss schließlich Ali um Hilfe bitten: "Wie heißt das?" Ali lächelt: "Au-fent-halts-ge-neh-mi-gung."

Auch, wenn es mit diesem Wort noch nicht so klappt, Omars Deutschkenntnisse haben sich innerhalb des letzten Jahres deutlich verbessert. Im Sommer 2015 saß er zusammen mit Ali und Mohamud im Innenhof der Flüchtlingsunterkunft an der Edith-Stein-Straße und erzählte der Rundschau von seiner Flucht, von seinem Leben in Syrien, wo er seinen Bruder, seinen Onkel und seine Oma im Bürgerkrieg verlor. Damals sprach er in gebrochenem Englisch und wartete darauf, dass sein neues Leben beginnt.

Mohamud.

Foto: Rundschau

Jetzt sitzen die beiden Syrer Omar und Ali und der Somalier Mohamud, die inzwischen alle in eigenen Wohnungen leben, im Straßencafé, können sich dank des Deutschunterrichts miteinander unterhalten — und auch ein Scherz mit dem Kellner ist drin. Viel hat sich verändert seit dem letzten Interview — das Warten aber ist geblieben.

Ali ist nicht allein gekommen, sein Sohn Faiiz (5) begleitet ihn. "Meine Frau und mein Sohn sind seit sieben Monaten hier", erzählt der 36-Jährige. Faiiz geht in den Kindergarten, hat dort Freunde gefunden und sich schnell eingelebt. "Es ist schön, dass wir wieder zusammen sind, aber es ist auch stressig", sagt Ali, der in Syrien als Zahnarzt gearbeitet hat. In Deutschland darf er aber nicht ohne weiteres in seinem alten Beruf arbeiten. Daher versucht er mit Praktika wieder Fuß zu fassen. "Ich darf aber nur zuschauen", berichtet er, sichtlich enttäuscht.

Omar.

Foto: Rundschau

Daneben besucht er Deutschkurse und paukt Fachvokabeln. Man spürt, dass Ali die Umstellung auf seine neue gesellschaftliche Position in Deutschland manchmal schwer fällt. Vor dem Krieg hatte er in seiner Heimat ein gutes Leben — heute muss er um alles kämpfen. Es ärgert ihn, dass seine Praktika nicht anerkannt werden, dass man ihm aber andererseits auch nicht die passenden Plätze vermittelt. Sein Leben stagniert, das ist für den ehrgeizigen Mann mitunter schwer zu ertragen. "Ich brauche Zeit" — er sagt das manchmal so, als ob er sich selbst Mut machen muss. Er will endlich wieder eine Bereicherung für die Gesellschaft sein, keine Last.

Omar hat andere Sorgen. Ja, auch der ehemalige Assistenzarzt paukt Deutsch und bewirbt sich überall auf passende Stellen. Doch während des Wartens auf den nächsten Deutschkurs und weitere Termine beim Amt, spürt er Langeweile. Vor allem aber fühlt sich der 31-Jährige oft allein. Sein Bruder lebt in Dänemark, wer von seiner Familie überlebt hat, ist noch in Syrien. Eine Frau und Kinder — das ist sein großer Wunsch. "Du hast es gut", sagt er lächelnd zu Ali, während er Faiiz über den Kopf streicht, "ich möchte auch eine Familie." Ali grinst: "Sei doch froh!" Frotzeleien wie diese fehlen dem offenen Mann. "Es ist schwer, Gleichaltrige kennenzulernen", seufzt er.

Er besuche Flüchtlingsprojekte, war bei einem Konzert in der Stadthalle. "Das sind alles sehr nette Menschen, die ich treffe, aber sie sind viel älter." In die Disco gehen, das ist nicht sein Ding. Er fährt lieber mit dem Rad über die Trasse. Allein. "Ich denke, viele Leute in meinem Alter haben eben einen Job und Familie — die suchen keine neuen Freunde. Das ist schade."

Mohamud ist still. Wie meistens. Dabei ist der 27-Jährige mit seinem neuen Leben sehr zufrieden. "Ich habe viele Freunde hier", erzählt er. "Wir gehen oft Fußball spielen in Vohwinkel. Oder wir fahren mit dem Auto herum, hören Musik." Jeden Donnerstag engagiert er sich im Radbahnhof Wichlinghausen und macht Fahrräder wieder fit. "Ich mag Wuppertal", bekundet er. Er will bleiben.

Mohamud freut sich über die Chance, die er hier hat. Er arbeitet in einer Bäckerei, besucht Sprach- und Integrationskurse. Sein Leben in Mogadischu ist weit weg. Sein Vater tot, einer seiner Brüder auch, ein anderer ist spurlos verschwunden. Viele dieser schmerzhaften Ereignisse passierten, als er in Deutschland war. "Das ist schon hart, nicht bei meiner Mutter und Schwester sein zu können", sagt er. Er hofft, dass er sie nach Wuppertal holen kann. Bald.