Interview: Leitlinien für Bürgerbeteiligung — jetzt starten die ersten Schritte "Es braucht das wirkliche Auge-in-Auge-Gespräch"
Wuppertal · Das Dezernat für Bürgerbeteiligung startet zwei Großprojekte für die Verbesserung der kommunalen Bürgerbeteiligung. Eine repräsentative Bürgerbefragung soll zeigen, welche Einstellungen die Wuppertaler aktuell zu Politik und Verwaltung haben.
Wie Bürgerbeteiligung verlässlicher und wirksamer sein kann, wird in der Leitlinienentwicklung diskutiert. Rundschau-Redakteur Stefan Seitz sprach mit Beteiligungs-Dezernent Panagiotis Paschalis.
Rundschau: Wie lief die Bürgerwerkstatt?
Paschalis: 150 engagierte Wuppertaler haben sich am 20. Mai freitags von 19 bis 21 Uhr getroffen. In Gruppen wurde an mehreren Tischen intensiv und dezentral diskutiert. Stimmung und Atmosphäre waren sehr gut. Ein prima Auftakt! Alle Ergebnisse des Abends wurden noch vor Ort auf das Online-Portal leitlinien.wuppertal.de gestellt. Dort können alle Wuppertaler bis zum 10. Juni neue Beiträge hinzufügen und die schon abgegebenen kommentieren. Besonders innovativ ist die Plattform, weil sie eine "Beteiligung hoch zwei" ermöglicht. Die Nutzer werden an der Auswertung der Beiträge beteiligt. Das gab es bei Online-Bürgerbeteiligung noch nicht und macht richtig Spaß. Die Teilnahme lohnt sich.
Rundschau: Bei solchen Modellen wird oft bemängelt, dass man online teilnimmt, dann aber nie wieder etwas hört ...
Paschalis: ... und das ist ein großes Manko bei allen Internet-gestützten Beteiligungen. Deshalb werden wir allen Nutzern, die sich registriert haben, nach Abschluss der Online-Diskussion eine individuelle E-Mail schreiben, wie ihre Beteiligungsbeiträge nun verarbeitet werden. Alle anderen, die sich nicht registriert haben, können die Ergebnisse auf unserer Website nachlesen. Eine transparente Verarbeitung aller Beiträge ist uns besonders wichtig. Aus den Beiträgen von Bürgerwerkstatt und Online-Beteiligung werden zusammen mit den Nutzern des Portals Kernergebnisse gefiltert, die der Arbeitsgruppe als Auftrag vorgelegt werden. Übrigens können auch per SMS Beiträge eingeschickt werden. Das geht besonders schnell und einfach!
Rundschau: Die Zusammensetzung der bürgerschaftlichen Teilnehmer, die in der Bürger-Politik-Verwaltung-Arbeitsgruppe die Beteiligungsleitlinien ausarbeiten sollen, ist manchen Initiativen unangenehm aufgestoßen.
Paschalis: Ich kann das grundsätzlich verstehen. Aber wir haben uns entschieden, eine 10:7:7 zusammengesetzte Gruppe aus Bürgern, Politikern und Verwaltungsleuten zu bilden. Das Gremium, das mehrere Monate beschäftigt sein wird, muss arbeitsfähig sein, darf nicht "endlos" groß werden. Andere Städte haben das Los entscheiden lassen, das halte ich für undemokratisch. Ich glaube aber, dass die Bürger, die jetzt von ihren Organisationen in die Gruppe geschickt werden, nicht etwa nur den Interessen ihres Verbandes folgen werden, sondern ganz von selbst die gesamte Breite bürgerschaftlicher Positionen abbilden und sich damit echte Allgemeingültigkeit ergeben wird. Die zu behandelnden Themen kommen ja direkt aus der Bürgerwerkstatt und dem Online-Portal. Damit haben wir den Prozess eng miteinander verzahnt. Den Entwurf der Leitlinien werden wir übrigens auch wieder öffentlich zur Diskussion stellen. Wer nicht in der Arbeitsgruppe sitzt, kann hier auch noch einmal mitarbeiten. Wir brauchen möglichst viele Perspektiven!
Rundschau: Warum sind die Leitlinien so wichtig?
Paschalis: Weil es nirgendwo ohne Regeln funktioniert. Besonders die mitgestaltende Bürgerbeteiligung, die nicht im Baugesetzbuch oder in der Gemeindeordnung geregelt ist, darf nicht beliebig sein. Wie läuft sie ab? Bei welchen Themen kommt sie ins Spiel, bei welchen nicht? Darauf sollen die Leitlinien verlässliche Antworten geben. Bürger müssen lernen, dass Beteiligung sich bei Weitem nicht in Volksentscheiden erschöpft. Politik und Verwaltung, dass sie sich mehr öffnen und etwas abgeben müssen. Das wird nicht immer einfach sein.
Rundschau: Verstehen die Wuppertaler mittlerweile besser, was Bürgerbeteiligung bedeutet?
Paschalis: Eindeutig ja. Alle Veranstaltungen haben gezeigt, dass es sehr wichtig ist, offen zu reden, zu erklären, Kritik aufzunehmen. Und gute Beispiele zu finden. So wie etwa der gesamte Sektor des Ehrenamtes ein Bereich ist, dessen Aufbau, Ablauf und Ziele man gut mit der Struktur funktionierender Bürgerbeteiligung vergleichen kann. Bürgerbeteiligung muss man unbedingt "in echt" erklären und diskutieren. Es braucht das wirkliche Auge-in-Auge-Gespräch. Deswegen setzen wir auf viele Begegnungen bei Veranstaltungen und Werkstätten und ergänzen sie mit modernen Online-Möglichkeiten.
Rundschau: Wird man auch die erreichen, die sich von Wahlbeteiligung & Co. längst abgekoppelt haben?
Paschalis: Menschen wollen sich beteiligen, wenn sie sich betroffen fühlen. Deshalb müssen wir vermitteln, um was es gerade in der politischen Diskussion oder in Planungen geht. Als Dezernat für Bürgerbeteiligung wollen wir "Türöffner" in beide Richtungen sein. In der Arbeitsgruppe sind auch Menschen vertreten, die sich mit politisch schwer erreichbaren Gruppen auskennen.