Musiker Jan Koemmet Musical aus Wuppertal: „Thema lag für mich auf der Hand“

Wuppertal · Ein Musical aus Wuppertal. Der Musiker Jan Koemmet hat während der Pandemie „Hitzefrei“ geschrieben. Mit Redakteurin Nina Bossy spricht er über den Schaffensprozess in einer Ausnahmesituation, über Musik und das große Thema des Musicals, den Klimawandel.

Jan Koemmet vor der Skulptur „Die starke Linke” im Engelsgarten. Koemmet wurde 1961 geboren und lebt seit 36 Jahren in Wuppertal.

Foto: Gunnar Bäldle

Rundschau: Herr Koemmet, wie lautet das Rezept für ein Musical? Welche Zutaten braucht es?

Koemmet: „Da ich auch eine Zeit lang als Koch im ,Café du Congo’ in der Luisenstraße gearbeitet habe, finde ich Ihre Fragestellung besonders gelungen. Es gibt eine Komponente, die ein Musical unbedingt haben muss: Musik. Schauen wir auf die Geschichte des Musicals, reicht die Vielfalt vom opernhaften Charakter bis hin zu den jazzinspirierten Klängen und Rockmusik. Die Verschmelzung von Gesang, Schauspiel und Tanz, von Tragik und Komik, Pathos und Parodie sind weitere Ingredienzien eines Genres, das mittlerweile überall auf der Welt eine große Fangemeinde hat.“

Rundschau: Sie arbeiten als Musiker und freischaffender Künstler in Wuppertal. Durch die Lockdowns konnten Sie Monate nicht arbeiten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt und wie haben Sie es geschafft, diese schwierige Situation für Ihre kreative Arbeit zu nutzen?

Koemmet: „Am 26. September 2019 hatte ich mein erstes Soloalbum veröffentlicht. Im darauffolgenden Jahr wollte ich das Album deutschlandweit promoten: Ich war für zwölf Sommer-Festivals gebucht und hätte die Möglichkeit gehabt, im Herbst mit zwei weiteren Bands eine Clubtour durch Deutschland zu absolvieren. Mitte März 2020 dämmerte mir bereits, auf was die Welt gerade zusteuerte. Als Risikopatient bin ich früh mit meiner Freundin in Quarantäne gegangen. Der Supermarkt war quasi unsere einzige Anlaufstelle. Ich war jeden Tag im Wald, um zu joggen oder spazieren zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt wuchs in mir der Wunsch, ein Musical zu schreiben. Ich erinnerte mich an die Zeit, als ich als Gitarrist des Musicals ,Starlight Express’ in Bochum war. Mein Musical sollte aber auf keinen Fall gesungene Dialoge haben, wie wir sie aus bekannten Musicals her kennen. Ich wollte, dass die Texte auch verstanden werden. Von daher gibt es in meinem Musical eine strikte Trennung zwischen dem gesprochenen Wort und gesungenen Liedern. Ich hatte mir eine strenge Struktur für meinen Tagesablauf verordnet, was dazu führte, dass meine Arbeit am Musical jeden Tag um 10 Uhr begann und um 18 Uhr endete. Disziplinierte Einsamkeit nannte ich diese Methode.“

Rundschau: Während in den letzten zwei Jahren Corona das führende Thema war, haben Sie sich einem fast vergessenen weltpolitischen Thema zugewandt – dem Klimawandel. Warum liegt dieses Thema Ihnen am Herzen?

Koemmet: „Wurde das Thema vergessen oder haben wir es einfach nur verdrängt? Als junger Mann war ich in der damaligen Anti-Atomkraftwerk-Bewegung aktiv. Heute bin ich Fördermitglied bei Greenpeace und PETA und setze mich aktiv für ,Extinction Rebellion’ ein, deren Ziel es ist, die Klimakatastrophe abzuwenden und das voranschreitende Massenaussterben zu stoppen. Von daher lag es für mich auf der Hand, ein Musical zu schreiben, das sich diesem Thema verschreibt.“

Rundschau: Worum geht‘s in Hitzefrei? Was ist die Handlung?

Koemmet: „Die beiden Schwestern Sofija und Julija Rubin sind russische Jüdinnen und als Kontingentflüchtlinge mit ihren Eltern aus Moskau nach Deutschland eingereist. Beide sind heute in der Tierrechts- und Klimaaktivisten-Szene aktiv. Einer ihrer größten Gegner ist ein Schweineschlachtbetrieb. Das Musical thematisiert zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Die Welt der Aktivistinnen, die durch zivilen Ungehorsam gegen das kapitalistische System, das sie für den Klimawandel verantwortlich machen, rebellieren und dabei sogar in Kauf nehmen, im Gefängnis zu landen. Die andere Seite zeigt den glitzernden und glamourösen Markt der Gegenwartskunst und dessen Netzwerk aus Macht, Status, Geld und Intrigen.“

Rundschau: Wie würden Sie die Musik beschreiben?

Koemmet: „Eine Mischung aus Rock- und Popmusik.“

Rundschau: Das Stück ist geschrieben, nun geht es in die Inszenierung. Was sind die nächsten Schritte?

Koemmet: „Der 1. Akt ist fertig. An dem 2. Akt arbeite ich gerade. Der Workshop wird von dem jungen Wuppertaler Filmteam Kintop Film und dem Wuppertaler Fotografen Gunnar Bäldle medial begleitet. Mit unserer Website und dem entstandenen Bildmaterial gehen wir auf die Suche nach Partnern, um eine Uraufführung an einem großen Haus zu realisieren.“

Rundschau: Ein Musical, made in Wuppertal. Dabei haben Sie sicherlich auch die Bühnen außerhalb der Stadt bereits im Blick. Wo soll es für „Hitzefrei“ hingehen, was ist Ihr Wunsch?

Koemmet: „Ein Musical, made im Bergischen Land, klingt doch auch ganz gut. Ich bin Mitglied des Extrachores der Wuppertaler Oper. Zurzeit proben wir für Richard Wagners Oper ,Tannhäuser’. Die Premiere ist am 6. März. Es wäre für mich ein Traum, wenn die Uraufführung meines Musicals auf unserer Opernbühne stattfinden würde. Danach plane ich eine Musical-Tour mit ,Hitzfrei’ durch die Schulen in Deutschland.“