Wuppertaler CDU-Nachwuchspolitikerin Diana Kinnert: "Bin der Sand im Getriebe"
Wuppertal · Manchmal ist sie es einfach leid. Fast immer, wenn über Diana Kinnert berichtet wird, steht das im Fokus, was ebenso oberflächlich wie offensichtlich ist: jung, weiblich, mit migrantischem Hintergrund, lesbisch — und in der CDU.
Es ist ein (scheinbarer) Widerspruch, den die Medien lieben. Unsere Redakteurin Nicole Bolz traf die Wuppertalerin, Deutschlands zurzeit vielleicht untypischstes CDU-Mitglied, im Luisenviertel.
"Ja", sagt die 26-Jährige offen, "manchmal ist das ermüdend, darauf reduziert zu werden. Ich wollte nie als Sammelsurium von Minderheiten geführt werden." Ein verzerrtes Bild von ihr sei das, aber erklärbar: "Ich spreche natürlich über die Dinge, die ich gern verändern will, nicht über die, denen ich zustimme." Und da kommt sie nicht umhin zu sagen: "Es fehlt genau an solchen Mitgliedern in der CDU."
Sie, Tochter eines Schlesiers und einer Philippinin, würde das gern ändern und ist Profi genug zu wissen, dass ihr genau diese Attribute die nötige Aufmerksamkeit bescheren, um ihre Positionen zu verbreiten: taz, FAZ, Zeit, Welt — sogar die Gala widmete der jungen Frau und ihrem Buch "Für die Zukunft seh' ich schwarz" kürzlich vier Seiten. Zwischen unzähligen Interviews und einem Trip nach Silicon Valley, wo sie auf Einladung von Google an einem Workshop über "Ethik im Digitalen" teilnimmt, ist sie mal wieder in ihrer Heimatstadt zu Besuch.
"Das ist inzwischen leider richtig selten geworden", erzählt Kinnert und rührt in ihrem Tee. Schwarz mit viel Milch. Die Basecap — ihr Markenzeichen — zeigt zur Seite, die Augen darunter schauen offen und freundlich. Selbstbewusst, aber nicht überfordernd — eine Sympathieträgerin.
Das letzte Jahr war nicht leicht für die Politikstudentin: Auf den Tod der Mutter folgte der von Rupert Neudeck, Mitgründer der Flüchtlingshilfsorganisation "Cap Anamur" und Freund von Diana Kinnert — und schließlich der von Peter Hintze. Er hat die Wuppertalerin nach Berlin geholt. Sie hat sein Büro geleitet. Er war ihr Mentor. Er fehlt. "Seinen Rat, seine Einschätzung — das könnte ich momentan gut gebrauchen." Ein tiefer Einschnitt sei der Verlust der Mutter, natürlich. Jetzt müsse sich die Familie neu finden.
Aus der Bahn geworfen hat all das Diana Kinnert nicht. Gerade mal Mitte 20 ist sie und beruflich überaus erfolgreich. So viele Aufgaben, so viele Herausforderungen. Eine Online-Plattform für grüne Produkte betreibt sie, berät eine amerikanische Denkfabrik, sitzt in der CDU-Reform-Kommission "Meine CDU 2017", ist Teil der Zukunftslobbyisten "Die jungen Elf" und des Jugendbeirats der Konrad-Adenauer-Stiftung. Bald bekommt sie eine eigene Kolumne in einer großen überregionalen Zeitung. Unabhängig will sie sein. Von ihrer Partei, von Kritikern, das ist ihr wichtig, sie betont es mehrfach und sagt: "Das haben mir einige Wegbegleiter immer wieder geraten: Mach' Dich unabhängig!"
Eine politische Karriere strebt sie derzeit nicht an, will (noch) nicht für den Bundestag kandidieren. Wuppertal, wo sie vor fast zehn Jahren in die CDU eintrat, ist zu weit weg. Räumlich, inhaltlich. Doch die viel erzählte Geschichte, wie sie damals mit siebzehn vor einem der Vorsitzenden eines Partei-Stammtisches stand, noch überlegte, ob sie ihm zuerst die Hand zur Begrüßung ausstrecken oder auf ihn warten soll, und er stattdessen zwei Bier bei ihr bestellen will — diese Geschichte wirkt nach.
Sie erklärt, was sie verändern will in der CDU, nicht, warum es ihre Partei ist. Parteistrukturen will sie verändern. Die Hemmschwelle für Migranten senken, sich in der Partei zu engagieren. Sie für junge Leute interessant machen. Digitaler, beweglicher, zeitgemäßer. Die Parteimitglieder sollen einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Beliebt macht sie das natürlich nicht überall.
Peter Hintze hat sie darauf vorbereitet, das müsse sie aushalten. Sie hat es verstanden. "Ich bin der Sand im Getriebe, ob ich mich damit in der Partei beliebt mache, ist fraglich", sagt sie selbstbewusst und orientiert sich gern an Reizfiguren wie Heiner Geißler und Rita Süssmuth.
Warum sie nun eigentlich in der CDU ist? "Mir war damals wichtig, dass die Motive im Grundsatzprogramm einer Partei die gleichen sind wie meine. Für mich war die CDU niemals nur eine konservative, sondern immer auch eine christlich-soziale und eine bürgerlich-liberale Partei", erklärt sie. "Und ich war immer Fan davon, die Lebensführung von Menschen nicht zu steuern, sondern diverses Leben zu garantieren und Entfaltung zuzulassen."
Konservative Werte seien immer gültig, nur die Programmatik müsse man an die aktuellen Bedingungen anpassen. Dazu will sie ihren Teil beitragen. Ob mit Mandat oder ohne.