Interview mit Dajana Meier (Verein "Neue Ufer Wuppertal") Das Problem mit der "Müllinkontinenz"
Wuppertal · Sie hat buchstäblich einen kreativen Kopf, den sie gerne zum Wohle ihrer Wahlheimat einsetzt. Von Freiburg hat es die Künstlerin Dajana Meier über Umwege nach Wuppertal verschlagen. Nachdem sie sich ehrenamtlich in der Wuppertalbewegung engagiert hatte und der Tanztunnel und die Beschaffung von zwei Millionen Euro für die LED-Trassenbeleuchtung auf ihr Konto gingen, ist sie an den Fluss gegangen.
"Neue Ufer Wuppertal" heißt ihr Verein, einer der Partner der Rundschau bei den Sommerwanderungen von der Rutenbeck bis Beyenburg. Redaktionsmitarbeiter und Wanderpartner Klaus-Günther Conrads sprach mit Dajana Meier, die entsprechend ihrer Art, kein Blatt vor den Mund nimmt.
Rundschau: Viele Rundschau-Leser haben das Angebot, mit Ihnen an die Wupper zu gehen, dankbar angenommen. Waren Sie überrascht?
Dajana Meier: Nicht wirklich. Eigentlich jeder, dem wir mit neue ufer wuppertal e.V. begegnen, seufzt erleichtert auf und sagt: Endlich!!! Das Thema war längst überfällig. Die Kunst ist also nicht, Bürger und Verwaltung von der Notwendigkeit der Hinwendung zur Wupper zu überzeugen, sondern Wege aufzuzeigen, wie es gelingen kann. Weil die große Lösung nicht möglich ist, braucht es viele kleine Ideen, niedrigschwellige Lösungsvorschläge und einen langen Atem.
Rundschau: Wo ist die Entenfamilie geblieben, die sich im Blumenkasten am neu gestalteten Flutufer niedergelassen hatte? Ist die dortige Gegend noch eine No-go-Area?
Dajana Meier: Nein, die Küken sind geschlüpft, die Ente brütet dort nicht mehr. Wir arbeiten daran, ihr demnächst einen geschützteren Platz anbieten zu können.
Rundschau: Ist Ihre Idee, aus dem Flutgraben eine Gracht zu machen, mehr als ein Traum?
Dajana Meier: Ich denke schon. So wie er ist, kann er nicht bleiben. Überbaut werden soll er auch nicht. Also bleibt nur, ihn zu einem attraktiveren Stadtgewässer zu entwickeln. Ob man das dann Gracht oder anders nennt, ist egal.
Rundschau: Wie viele Wupperpaten gibt es und was sollen diese Ehrenamtlichen machen?
Dajana Meier: Im Moment sind es 14 Patengruppen. Das sind zum Teil Firmen, Institutionen, Ehepaare, Familien, Nachbarn und Leute, die sich im Frühjahr beim Wupperputz kennengelernt haben. Sie kümmern sich um "ihr" Stück Wupper, halten ein Auge drauf und schreiten bei Entgleisungen ein, immer in enger Abstimmung mit der Verwaltung. Mancher legt auch ein Beet an, wie die Paten der Mühlenbrücke an der Warndtstraße und alle hängen unsere Nistkästen auf.
Rundschau: An den Ufern der Wupper blickt man von vielen Bänken in die Gegenrichtung. Wie viele Ruhebänke müssen gedreht werden?
Dajana Meier: Ich habe sie nicht gezählt, aber es sind in jedem Fall zu viele.
Rundschau: Sie haben bei vielen Radfahrten und Spaziergängen eine neue Volkskrankheit entdeckt?
Dajana Meier: Eine neue Form der Inkontinenz hat sich unbemerkt zur Volkskrankheit entwickelt, sie befällt in tragischer Weise besonders junge Leute. Dabei handelt es sich um eine krasse und für die Umwelt sehr belastende Form, die Müllinkontinenz. Betroffene sehen sich außer Stande, an sich zu halten und produzierte Abfälle an dafür vorgesehenen Stellen zu entsorgen, sie sind müssen alles sofort unter sich lassen. Begünstigt wird diese Infektion durch den Konsum von Fast-Food, das gewöhnlich in wahren Verpackungsorgien daher kommt. Erziehung, Umweltbewusstsein, soziale Standards werden außer Kraft gesetzt, der Erkrankte kann nicht mehr die niedrigsten Anforderungen des menschlichen Zusammenlebens erfüllen. Das Bayer Forschungszentrum arbeitet mit Hochdruck an der Entwicklung einer pharmazeutischen Lösung, erste Selbsthilfegruppen wurden gegründet. Die Systemgastronomie, einer der Mitverursacher der ausgebrochenen Seuche, wurde bisher nicht zur Verantwortung gezogen.
Rundschau: Mit Ihrem großen Ideenreichtum zwingen Sie viele Menschen in den städtischen Unternehmen zum Handeln. Sind die Reaktionen positiv? Gibt es Blockadehaltungen?
Dajana Meier: So und so. Da gibt es diejenigen, für die Kontrollverlust die größte Bedrohung ist und die gerne erst mal blockieren. Es gibt aber auch jene, die die Chancen sehen, die ein Außenstehender bringt, der keine Rücksicht auf das System Rathaus nehmen muss. Es ist wie immer im Leben: Je mehr Erfolg man vorweisen kann, desto leichter sind die Leute zu überzeugen.