Interview mit Arno Weise, Wuppertals ranghöchstem Schutzpolizisten "Bodycams scheinen sich zu bewähren"
Wuppertal · Seit 100 Tagen ist Arno Weise Wuppertals oberster Schutzpolizist. Sein Büro unter dem Dach deutet nicht unbedingt auf die gehobene Position hin: gewürfeltes Mobiliar sowie ein kleines, noch unverputzt eingesetztes Fenster als einzige Lichtquelle.
"Wir sind halt mitten im Umbau des Präsidiums ", nimmt er die Gegebenheiten gelassen hin. In einem halben Jahr kann er voraussichtlich ein neues, schönes Büro beziehen.
Rundschau: Wuppertal galt viele Jahre als sicherste Großstadt Deutschlands. Gilt das immer noch?
Weise: Ich kenne jetzt die aktuellste Statistik nicht, aber nach wie vor ist Wuppertal eine der sichersten Großstädte in Deutschland.
Rundschau: Sie haben polizeiliche Erfahrungen auch in anderen Städten gesammelt ...
Weise: ... ich komme ja ursprünglich aus dem beschaulichen Bielefeld, danach war die Lage in Köln schon ein kleiner "Kulturschock". Nach dem ruhigeren Krefeld war Duisburg wieder ein heißes Pflaster — kein Vergleich zu Wuppertal. Hier ist die Gathe vielleicht ansatzweise ein Brennpunkt, aber auch in Dortmund und Essen gibt es weit gefährlichere Reviere.
Rundschau: Ihr bislang schwerwiegendster Fall war vermutlich der dreifache Mord in der Straßburger Straße.
Weise: Das war wirklich die bisher größte Herausforderung in meiner neuen Funktion. Ich wurde selbst mitten in der Nacht informiert. Vor Ort herrschte eine gespenstische Atmosphäre. Den Kollegen bot sich ein grausames Bild, böse zugerichtete Leichen und ein flüchtiger Täter. Und die dunklen Flure in der sozialtherapeutischen Einrichtung bildeten ein regelrechtes Labyrinth, in dem ständig beunruhigte Bewohner hinter den Türen hervorlugten.
Rundschau: Wurden die eingesetzten Kollegen psychologisch betreut?
Weise: Natürlich, bei Bedarf — und den gab es — auch über einen längeren Zeitraum. Unter anderem von unserem Polizeipfarrer, der in dieser Nacht auch dabei war.
Rundschau: Beim G20-Gipfel waren keine Ihrer Beamten dabei?
Weise: Nein, allerdings gab es parallel auch in Wuppertal zwei Demos, zu denen unter anderem mit dem Hinweis aufgerufen wurde, dass die Polizei hier ja momentan nur mit Fußkranken vertreten sei.
Rundschau: Die autonome Szene ist traditionell in Wuppertal sehr aktiv ...
Weise: Es gibt in Wuppertal schon lange den Behördenschwerpunkt "Hellwach gegen rechts", den wir inzwischen gegen jegliche Art von Extremismus ausgeweitet haben.
Rundschau: Wie sehen Sie denn die Diskussion um das Autonome Zentrum in der Nordstadt?
Weise: Die Einrichtung und ihr Standort sind eher ein Politikum. Das sind weitgehend Leute, die für uns nicht gesprächsbereit sind. Und dann kann man leider nur reagieren.
Rundschau: Gegenwärtig ist auch der neue Standort für das Café Cosa in der Diskussion.
Weise: Wir waren an der Entscheidung nicht beteiligt, aber auch hier gilt, dass unser Einfluss begrenzt ist. Probleme mit der Drogen- oder Alkoholikerszene gibt es in jeder Großstadt. Letztlich hat die Polizei keine rechtliche Handhabe, solange niemand eine Straftat begeht. Von daher können wir allenfalls gelegentlich "Bereichsbetretungsverbote" aussprechen.
Rundschau: Könnte eine Videoüberwachung nicht helfen?
Weise: Kaum, das haben wir auch für den Berliner Platz überlegt — aber wer dealen will, schaut einfach, dass er aus dem Radius der Kamera ausbricht und in die Rosenau oder den Stennert ausweicht. Außerdem müssten die Kameras ständig überwacht werden. Und effektiver ist es, Straftaten zu verhindern als begangene Straftaten zu dokumentieren. Deswegen haben wir dort eine mobile Wache eingerichtet.
Rundschau: Also ist die polizeiliche Gegenwart unter dem Strich schon noch abschreckend?
Weise: Sicherlich, auch weil der frühere obligatorische Respekt gegenüber der Polizei erkennbar abnimmt. Von daher ermuntere ich die Kollegen bei Bedrohungen auch verbaler Art durchaus zur Anzeige.
Rundschau: ... die aber vor Gericht oft nicht zur Bestrafung führt?
Weise: Das mag so sein, aber das liegt nun mal nicht in unseren Händen. Dafür machen wir in unserem Pilotprojekt mit den Bodycams gerade erste positive Erfahrungen. Da, wo die Kollegen "im Ernstfall" wie angekündigt die Kamera in ihrer Jacke eingeschaltet haben, wurde ihr Gegenüber augenblicklich viel freundlicher.