Bergische Uni Ein Einblick in die Welt der Pfadfinder

Wuppertal · 1920 fand in London das erste internationale Pfadfindertreffen statt. Dominik Schneider, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fakultät Maschinenbau und Sicherheitstechnik der Bergischen Uni, gehört zum Vorstand der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg. Im Interview spricht er über wertvolle Erfahrungen, dreckige Hosen und darüber, was es mit dem Pfadfindergesetz auf sich hat.

Dominik Schneider.

Foto: UniService Transfer

Herr Schneider, der Brite Lord Robert Baden-Powell gründete 1907 die Pfadfindervereinigung und veranstaltete 1920 das erste Weltpfadfindertreffen in London. Was waren seine Beweggründe?

Schneider: „Lord Robert Baden-Powell war schon als Kind von der Natur begeistert und eignete sich schnell Fähigkeiten wie das Fährtenlesen oder Feuer machen an. Während seinen Militäreinsätzen half ihm dieses Wissen bei der militärischen Aufklärung. Als Offizier setzte sich BiPi – sein Spitzname – später mit der Ausbildung der Soldaten auseinander und verfolgte schon damals den Ansatz, die Soldaten mehr Verantwortung übernehmen zu lassen und sie für ihre Aufgabe zu gewinnen, anstatt nur Befehle auszuführen. Zum Ende seiner Militärkarriere wollte er sein Wissen und seine Prinzipien an die Jugend weitergeben. Sie sollten Erfahrungen zum Leben in der Natur sammeln und gleichzeitig lernen, Verantwortung in der Gruppe zu übernehmen. Um dies zu ermöglichen, gründete er die Pfadfinderbewegung, die sich bis heute dem Ziel verpflichtet, die Welt ein Stückchen besser zu machen. Kurz nach dem ersten Weltkrieg wurde das Weltpfadfindertreffen abgehalten, um die Botschaft zu senden, dass Pfadfinder aus der gesamten Welt willkommen sind. Mit 8000 Pfadfindern aus 34 Ländern zeigte das Lager, dass die Pfadfinderbewegung die Nationen im Geist des Friedens und der Freundschaft zusammenbringen kann.“

Ein Pfadfinder ist ein Angehöriger einer internationalen, religiös und politisch unabhängigen Erziehungsbewegung für Kinder und Jugendliche. Warum tragen die Mitglieder eine Uniform?

Schneider: „Unsere Kleidung verrät viel über unsere soziale Stellung in der Gesellschaft. Früher vermutlich noch mehr als heute. Die Pfadfinder haben jedoch das Ziel, dass alle Menschen gleichbehandelt werden sollen. Um die sozialen Unterschiede nicht mehr sehen zu können, wurde die Kluft eingeführt, die aus einem robusten und funktionstüchtigen Hemd besteht. Sie gilt mittlerweile international als Erkennungsmerkmal der Pfadfinder. In meiner Pfadfindervereinigung nähen wir zusätzlich Aufnäher von vergangenen Fahrten und Aktionen auf die Kluft. Diese laden dann dazu ein, sich mit anderen Pfadfindern über vergangene Veranstaltungen auszutauschen und in schönen Erinnerungen zu schwelgen.“

Zum Grundprinzip der Vereinigung gehört das Pfadfindergesetz, welches über die Jahre dem Zeitgeist angepasst wurde. Warum sind diese Gebote so wichtig?

Schneider: „Die Gebote aus dem Pfadfindergesetz formulieren die Ideologie der Pfadfinder, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, und geben uns dadurch einen Verhaltenskodex an die Hand. So besagt zum Beispiel ein Gebot, dass wir allen Menschen mit Respekt begegnen und ein anderes, dass wir da helfen, wo es notwendig ist. Das Gesetz hilft uns, ständig an uns zu arbeiten und einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.“

Zur Pfadfinderbewegung gehörten 2011 weltweit mehr als 41 Millionen Kinder und Jugendliche aus 216 Ländern. In Wuppertal sind die Pfadfinder unter „ZaPf“ zusammengefasst, was für „Zusammenarbeit aller Pfadfinder in Wuppertal“ steht. Wie erklären Sie sich dieses Interesse an Natur und Gemeinschaft nach 100 Jahren bei einer Jugend, von der viele meinen, sie sei für nichts zu begeistern?

Schneider: „Die Pfadfinder erfahren gerade in den letzten Jahren einen starken Zulauf, weil den Kindern ermöglicht wird, ihrem normalen Alltag zu entfliehen. In den Gruppenstunden und Freizeiten können die Kinder ihren Leistungsdruck vergessen. Beim Toben im Wald geraten die sozialen Medien für einen Moment in den Hintergrund und die Kinder lernen bei den Projekten und Aktionen in der Gruppe zu agieren und sich einzubringen. Nebenbei werden ihnen Fähigkeiten wie Feuer zu machen oder Knoten zu binden beigebracht. Eltern schätzen es sehr, dass den Kindern die Möglichkeit geboten wird die Natur zu erfahren, auch wenn dies manchmal dazu führt, dass die Hosen nach dem Spielen im Wald eindeutig brauner sind als vorher. Auch die Fahrten der Pfadfinder tragen viel zur Begeisterung bei. So ging zum Beispiel mein erstes Sommerlager mit acht Jahren für zwei Wochen nach Schweden. Noch heute schwärme ich regelmäßig von der tollen Natur und den Aktionen, die ich dort erlebt habe. Kanufahren, Klettern, Wandern, Schwimmen, Singen am Lagerfeuer und viele Spiele standen auf dem Programm und haben die Fahrt für mich zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.“

1941 starb Robert Baden-Powell in Kenia. In seinem letzten Brief hinterließ er der Pfadfinderbewegung ihren bis heute wohl wichtigsten Satz: „Versucht, die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als ihr sie vorgefunden habt.“ Hat sich sein Wunsch erfüllt?

Schneider: „Bei den Pfadfindern wie auch in anderen Verbänden erlebe ich Kinder und Erwachsene, die sich engagieren, kritisch mit Themen auseinandersetzen und in ihren Gemeinden einbringen. Direkt oder indirekt trägt dies darum zu einer Welt bei, die ein klein wenig besser wird. Natürlich ist der Wunsch von Robert Baden-Powell nie abschließend erfüllt, sondern eine ständige Motivation an alle Menschen, egal ob Pfadfinder oder nicht, etwas Gutes zu tun.“

Herr Schneider, Sie sind im Vorstand der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg, Stamm Franken in Wülfrath. Was planen Sie für den Sommer?

Schneider: „Für diesen Sommer war eigentlich ein zweiwöchiges Sommerlager mit 60 Personen in Österreich geplant. Wegen der Risiken und Unsicherheiten durch Corona haben wir das Sommerlager leider abgesagt und stattdessen mit den älteren Altersstufen relativ kurzfristig kleinere Alternativlager durchgeführt. Meine Gruppe hat sich für eine Woche auf das Fahrrad geschwungen und ist von Wülfrath an die Wuppertalsperre gefahren, um dort zu Zelten und Aktionen zu unternehmen. Wir haben das gute Wetter genossen und waren viel Schwimmen. Wir hoffen, dass wir das große Sommerlager nächstes Jahr nachholen können.“