Bergische Uni Forschen für ein besseres Verständnis von Sprache
Wuppertal · Sprache ist komplex und bietet als Untersuchungsgegenstand zahlreiche Anknüpfungspunkte. Im „Sonderforschungsbereich (SFB) 1252 – Prominence in Language“ beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit der Frage, wie der Mensch Akzente in der Sprache setzt.
Was wird wie gesagt, um einzelne Informationen besonders hervorzuheben. Rund 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus acht Institutionen betreiben in diesem Rahmen geisteswissenschaftliche Grundlagenforschung. Einer von ihnen ist Germanist Dr. Stefan Hinterwimmer von der Bergischen Universität Wuppertal, der als Teilprojektleiter im Bereich Text- und Diskursstrukturen untersucht, anhand welcher sprachlichen Merkmale Leserinnen und Leser erkennen, welche Perspektive sie einnehmen sollen. Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhält er dafür bis Ende 2024 eine Förderung in Höhe von 204.000 Euro.
„Um narrative Texte wie Erzählungen verstehen zu können, muss es den Leserinnen und Lesern gelingen, die richtige Perspektive einzunehmen“, erklärt Dr. Hinterwimmer. Ein Phänomen, das die Bedeutung der Wahl der richtigen Perspektive in Texten besonders deutlich macht, ist die erlebte Rede. „Während bei der direkten und bei der indirekten Rede sprachlich markiert wird, wer eine Aussage getätigt oder etwas gedacht hat, bekommen die Leserinnen und Lesern bei der erlebten Rede keine eindeutigen Hinweise darauf, wem eine Aussage oder ein Gedanke zugeschrieben werden soll“, fährt der Wissenschaftler fort, der das Teilprojekt „Diskursreferenten als perspektivische Zentren“ leitet.
Ein Beispiel: Als Thomas am Freitag in die Kneipe kam, schlug ihm ein Mann in einem schwarzen Mantel ohne Vorwarnung mit der blanken Faust ins Gesicht. Autsch, wie weh das tat!
Die Frage, die sich daran anschließt: Wem tut jetzt etwas weh? „Die Leserinnen und Leser neigen wahrscheinlich dazu, die erlebte Rede – Autsch, wie weh das tat! – als Gedanken von Thomas zu interpretieren“, so Dr. Hinterwimmer. Prinzipiell nicht auszuschließen wäre jedoch auch die Lesart, dass sich der Mann im schwarzen Mantel über seine schmerzende Hand beklagt. „Diese wird aber im Allgemeinen eher nicht in Betracht gezogen.“
Mit seinem vierköpfigen Team untersucht Dr. Hinterwimmer im Rahmen des Projekts genau diese sprachlichen Merkmale in Texten, die den Leserinnen und Lesern Hinweise darauf geben, welche Perspektive eingenommen werden soll. Zum Einsatz kommen dabei experimentelle Methoden wie Akzeptabilitäts-, Blickbewegungs- und Textvervollständigungsstudien. „Wir gehen davon aus, dass die Leserinnen und Leser die Perspektive derjenigen Protagonistinnen und Protagonisten einnehmen, die eine besonders prominente Rolle im vorangehenden Text einnehmen – in unserem Beispiel ist das Thomas, der namentlich erwähnt wird und mit dem Pronomen ,ihm‘ wieder aufgegriffen wird.“
Der „SFB 1252 Prominence in Language“ ist angesiedelt an der Universität zu Köln. Neben der Entwicklung eines besseren Verständnisses sprachlicher Strukturen und der Übertragung zwischen verschiedenen Sprachen können die Erkenntnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in weiteren Schritten zum Beispiel dabei helfen, die automatisierte Spracherkennung voranzutreiben: Maschinen kennen die Bedeutung hinter Sätzen und Wörtern nicht, mit dem Projektwissen ließen sich Algorithmen entwickeln, die dieses Problem auffangen und so bewerten könnten, welche Informationen im Text die wichtigsten sind.