Bergische Uni Wuppertaler Physiker gehen Rätsel auf den Grund
Wuppertal · In Zusammenarbeit mit einem internationalen Forscherteam haben Physikerinnen und Physiker der Universität Wuppertal eine spektakuläre Entdeckung gemacht, die wesentliche Erkenntnisse für die Gültigkeit des physikalischen Standardmodells liefert.
Indem sie das Magnetfeld rund um das Elementarteilchen „Myon“ präziser bestimmen konnte, trägt die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Zoltán Fodor zur Lösung eines vor 20 Jahren aufgekommenen Rätsels bei. Die Forschungsergebnisse publizierten die Wissenschaftler nun in der international renommierten Zeitschrift „Nature“.
Im physikalischen Standardmodell fassen Physikerinnen und Physiker ihre Kenntnisse über die kleinsten Teilchen und deren Wechselwirkungen zusammen. Zu den bekannten Elementarteilchen gehört auch das Myon, das – bis auf eine um 200-mal größere Masse – die gleichen Eigenschaften wie ein Elektron besitzt. Vor 20 Jahren stieß ein internationales Forschungsteam im Fall der Myonen auf eine mögliche Diskrepanz zu den Annahmen des Standardmodells: Die Messung am Brookhaven National Laboratory wies darauf hin, dass sich das Myon in starken Magnetfeldern anders zu verhalten scheint, als die Theorie es vorhersagt.
Diesem Missverhältnis zwischen Modell und experimentellem Wert – dem Rätsel um das anomale magnetische Moment des Myons – ist die Wuppertaler Arbeitsgruppe auf den Grund gegangen; über seine möglichen Ursachen können nur Vermutungen angestellt werden. Den Physikern gelang es nun mithilfe von sogenannten Gitter QCD-Rechnungen, eine Methode zur computergestützten Lösung hochkomplexer Gleichungen, die Genauigkeit der damaligen Messungen zu übertreffen. „Der damals gemessene Effekt war zu klein, um eine echte wissenschaftliche Entdeckung und damit eine ,neue Physik‘ bzw. eine Erweiterung des Modells auszusprechen, aber gleichzeitig viel zu groß, um ihn zu ignorieren. Fast jeder rechnete damit, dass neue, noch nicht veröffentlichte aber immer präziser werdende experimentelle Ergebnisse die Diskrepanz vergrößern und damit die Existenz von neuer Physik und neuen Kräften beweisen würden“, erklären die Wissenschaftler.
Die nun veröffentlichten, hochkomplexen Rechnungen führen jedoch zu einer unerwarteten Wende: Es sieht so aus, als sei die gemessene Diskrepanz verschwunden – Theorie und Experiment wären damit in Einklang. Für Physikerinnen und Physiker bleibt das Feld rund um die Myonen aber weiterhin spannend: Der Wert für das anomale magnetische Moment setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen, die sich unterschiedlich verlässlich vorhersagen lassen. Die Präzision, mit der sich die experimentellen Werte messen lassen, werde immer besser. Da müsse auch die Theorie und Genauigkeit des Standardmodells mithalten. Und da die Forscher davon ausgehen, dass es noch präziser geht, sehen sie in dem magnetischen Feld um das Myon weiterhin eine Schlüsselrolle für die mögliche Entdeckung von neuen physikalischen Gesetzen und Kräften. Ganz aktuell und passend dazu wurden am Mittwochabend auch erste Ergebnisse aus einem neuen Experiment im Rahmen des großangelegten Myon g-2-Experiments am Fermi National Accelerator Laboratory, kurz Fermilab, im Bundesstaat Illinois der USA veröffentlicht und diskutiert.
Neben Prof. Fodor gehören zu dem Wuppertaler Forscherteam die Physiker Prof. Dr. Szabolcs Borsanyi, Prof. Dr. Christian Hölbling, Prof. Dr. Kalman Szabo, Dr. Balint Toth und Dr. Lukas Varnhorst. Außerdem beteiligt sind folgende Partnerinnen und Partner: Forschungszentrum Jülich, Universität Mainz, Universität Regensburg, Eötvös Loránd Universität (Ungarn), University of California (San Diego), Pennsylvania State University, Nagoya University (Japan) und CNRS Marseille (Frankreich).