Bergische Uni Die Flutkatastrophe und die acht Plattformen
Wuppertal · Im Katastrophenfall sind Social-Media-Plattformen Fluch und Segen zugleich. Hier überschlagen sich Meldungen und Posts über das Ereignis – manche sind wertvoll, andere falsch. Diese Vielzahl an Informationen für Krisenstäbe und Einsatzleitungen auszuwerten und die hilfreichsten zur Verfügung zu stellen, ist Aufgabe sogenannter „Virtual Operations Support Teams“, kurz VOST. Welche Rolle diese Teams bei der Flutkatastrophe 2021 in Wuppertal übernommen haben, das haben Wissenschaftler der Bergischen Universität nun in einer Studie ausgewertet.
VOST-Teams sind Gruppen von Freiwilligen, die in die Strukturen etablierter Einsatzorganisationen – wie zum Beispiel das Technische Hilfswerk (THW) – integriert sind. Sie nutzen verschiedene Analyse-Tools und behalten die zahlreichen Social-Media-Plattformen im Auge. Sie unterstützen die Krisenstäbe damit diese sich ein klares Bild von der Lage verschaffen und die richtigen Entscheidungen treffen können.
Am Lehrstuhl für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Frank Fiedrich schon länger mit den digital Freiwilligen. Die Forschung des Lehrstuhls will dazu beitragen, die Teams und Strukturen noch besser zu machen, um im Ernstfall bestmöglich zu agieren.
So ein Ernstfall trat im Juli 2021 ein: Bei der Flutkatastrophe in Wuppertal waren 22 VOST-Analystinnen und Analysten aktiv und erfassten die Daten von insgesamt acht Social-Media-Plattformen. Ihrer Arbeit in diesem konkreten Katastrophenfall widmete sich der Wuppertaler Lehrstuhl in einer Studie.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten dabei, wie das VOST-Team bei der Einordnung und Priorisierung der verschiedenen Posts vorgingen und welche Daten sie der Einsatzleitung zur Verfügung stellten. Im weiteren Verlauf der Studie befragten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zudem die damalige Einsatzleitung, um herauszufinden, wie sich die bereitgestellten Informationen auf die Entscheidungen im Krisenstab auswirkten.
In der ersten Phase der Studie wurden noch einmal alle Posts überprüft und in verschiedene Kategorien zusammengefasst. Die Wissenschaftler identifizierten beispielsweise eine Vielzahl von Posts zum Thema „Spontanhelfende“. „Während der Flut hat sich erneut gezeigt, dass die Bevölkerung in Wuppertal an der Krisenbewältigung partizipieren möchte und sich über die sozialen Medien sogenannte Spontanhelfende zusammenfinden, um als Gruppe Hilfe für die betroffene Bevölkerung zu leisten. Im Laufe des Einsatzes hat dieses Thema an Bedeutung gewonnen, weil immer mehr Spontanhelfende unterstützen wollten. Das kann man an den Daten sehr gut sehen“, erklärt Ramian Fathi, der die Studie als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl betreute.
Zudem zeigt die Studie, dass zahlreiche Falschinformationen auch die Lagebewältigung in Wuppertal erschwert haben. So wurden beispielsweise Videos in den falschen Kontext gesetzt. „Mit der Gefahr, dass diese die betroffene Bevölkerung während der dynamischen Flutlage verunsichern. Durch die Erkenntnisse des VOST konnte die Feuerwehr Gegendarstellungen veröffentlichen“, so Fathi.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass VOST-Informationen bei den Entscheidungsträgerinnen und -trägern zu einem breiteren Verständnis der Situation beitragen und die Risiko- und Krisenkommunikation der Einsatzleitung, die vor allem die Interessen der betroffenen Menschen in den Fokus rückt, unterstützt werden konnte.
Auf Grundlage der Studienergebnisse wird nun der Bedarf für die weitere Forschung zu Strukturen und Integration von VOST-Analystinnen und -Analysten in die zeitkritischen Entscheidungsprozesse des Bevölkerungsschutzes diskutiert und angestoßen.