Engagement Bei 50 Grad im Schatten ...

Wuppertal · Man kann im Sommer verreisen und im Liegestuhl die Sonne genießen. Man kann aber auch in der gleichen brütenden Hitze in einem griechischen Flüchtlingslager bei der medizinischen Grundversorgung helfen.

Viele Menschen kamen täglich, manche mehrmals am Tag zum Krankenzelt — immer wieder mit anderen Kindern aus ihren großen Familien.

Foto: Helios

Bärbel Schanze (Mitte) mit Kollegen.

Foto: Bärbel Schanze (Mitte) mit Kollegen.

Bärbel Schanze ist normalerweise am Wuppertaler Herzzentrum für die Koordination von Studien zuständig. Im Sommer 2016 ließ sie sich vom Helios Klinikum Wuppertal freistellen und flog mit einem Team von Rotkreuz-Helfern nach Thessaloniki, um dort vier Wochen lang den Flüchtlingen in drei Auffanglagern eine medizinische Grundversorgung zu geben. Das Team arbeitete 10 Stunden täglich bei 50 Grad im Schatten und härtesten versorgungstechnischen Bedingungen.

Die DRK-Schwester hatte sich schon vor Jahren mit einer "FAF"-Ausbildung ("First Aid, Security, Safety and Survival in the Field") auf Auslandseinsätze vorbereiten lassen. Dort hatte sie Extremsituationen trainiert wie Minenangriffe, Überfälle oder unangekündigte Kontrollen. Aber die Realität im griechischen Einsatz hat sie dennoch überrascht. "Die Hitze, der Staub, kein Schatten und die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge in den Übergangslagern leben müssen, haben mich emotional sehr gefordert — ebenso wie der Mangel an einfach allem."

Das Erste, was sie noch am Abend ihrer Ankunft erfuhr, war: "Versuche mit dem, was da ist, kreative Lösungen zu finden." Denn die Behandlungsmöglichkeiten waren ebenso begrenzt wie die Zahl der Medikamente.

"Sie fangen an, ganz neu über Medizin nachzudenken", berichtet Bärbel Schanze, die aufgrund der Medikamenten-Knappheit auch schon mal Wundränder kurzerhand mit Honig desinfizierte. "Die Arbeit im Krankenhauszelt des Finnischen Roten Kreuzes, das die Aktion leitete, kann man ganz entfernt mit der in einer Hausarztpraxis vergleichen. Viele unserer Patienten waren Kinder mit hohem Fieber, Augenentzündungen, Halsentzündungen, infizierten Insektenstichen bis hin zu Abszessen", erzählt Bärbel Schanze. Andere kamen mit Kopfschmerzen, Magen-Darmproblemen, Messerstichverletzungen, aber auch vielen chronischen Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Epilepsie und Depressionen. Einiges habe sie als Krankenschwester ohne Arzt versorgen können, für anderes sei eine ärztliche Behandlung und Entscheidung notwendig gewesen. Frische Verletzungen, die unter abenteuerlichen Bedingungen genäht werden, oder frühgeborene Zwillinge, die hochfiebrig kaum noch spürbares Leben zeigen. Oft verlangten sie Schmerzmittel oder Antibiotika und am liebsten einen "medical report", weil sie sich davon versprachen, das Lager schneller verlassen zu können.

"Viele mussten wir ins Hospital schicken, aber das griechische Gesundheitssystem ist Lichtjahre von dem entfernt, was wir kennen und was teilweise die Flüchtlinge kennen. Zuhause in Syrien etwa sind die Menschen hervorragend medizinisch versorgt gewesen." Dementsprechend seien den Helfern nicht selten auch aggressive Töne entgegengeschlagen, was zwar verständlich, aber dennoch belastend für sie gewesen sei. Trotzdem habe das Team alles gegeben. Insgesamt sind in der Zeit ihrer Anwesenheit in den drei Lagern über 3.000 Kinder geimpft worden.

"Als eine Kollegin abreiste, erfuhr ich morgens, dass ich jetzt die verantwortliche Schwester für die Klinik in Cherso war. Was auch beinhaltete, dass ich die Neuen einarbeiten, aber auch das ganze Team im VW-Bus hin und her kutschieren musste. Am zweiten Tag schon fragte ich mich, warum ich Sorge gehabt hatte, das nicht hinzukriegen. Es kam so ein leiser Hauch von Routine auf, weil sich Handgriffe wiederholen, das Team eingespielt war und es bei allem Elend auch viele lustige Momente und Gespräche gab."

Ob sie sich einen solchen Einsatz in der nächsten Zeit wieder vorstellen könne? "Ja, eigentlich sofort", sagt Bärbel Schanze. "Aber ich glaube, es ist wichtig, erst mal Abstand zu gewinnen. Man verliert den Bezug zur Realität zu Hause, wenn man die Entwicklungsarbeit übertreibt. Und ich arbeite ja gerne hier und bin bei meiner Familie, so dass ich bis zum nächsten Einsatz noch warten werde."