Zwei Schiffe, ein Zug, verlorene Heimat
Christoph Haacker, der mit seinem Arco-Verlag in Wuppertal und Wien zu Hause ist, hat gerade ein Quartett von Neuerscheinungen präsentiert.
Wechsberg, polyglotter rasender Reporter, führte ein abenteuerliches Leben als Geheimagent, Schiffsmusiker, Feinschmecker, Weltenbummler. Seit 1938 im Exil, macht er in den USA als Autor Karriere, ehe er mit der US-Army zurück nach Europa kommt. Anfang Mai 1945, in Böhmen wird noch gekämpft, fährt er von Deutschland aus in seine Geburtsstadt Mährisch Ostrau. Das ist farbig, spannend, persönlich und sehr berührend geschrieben. Außerdem aufwendig bebildert und mit – wie bei Arco selbstverständlich – einem hochinformativen Nachwort ausgestattet. Preis: 15 Euro.
Als Tagträumer in der Schule sehnt sich Fearon nach Bildung und Studium, aus der bedrückenden Enge seiner Hafenarbeiterherkunft auszubrechen. Aber sein Vater setzt dem ein jähes Ende: Sein erster Tag als halbwüchsiger Hilfsarbeiter in den Docks von Liverpool wird zur erniedrigenden Erfahrung. Nachdem der Roman 1932 erschienen war, folgte ein Skandal: Das Buch wurde in England wegen der Darstellungen von (Erziehungs-)Brutalität und seiner sexuellen Szenen sogar öffentlich verbrannt. Der Arco-Verlag sorgt für die erstmalige Gelegenheit, „Fearon“ auf Deutsch zu lesen. Ein hochklassiger und sehr bedrückender Text. Preis: 22 Euro.
Kilpis monumentaler Roman „Alastalon salissa“ von 1933 zählt zu den Klassikern der finnischen literarischen Moderne. In Finnland genießt das etwa 1.000-seitige Werk bis heute Kultstatus. Innerhalb des Buches wird die in sich geschlossene Geschichte des Schiffes „Albatros“ erzählt, die der Arco-Verlag hier als eigenes Buch vorstellt. Es geht um den Traum eines Buchhalters, zum großen Reeder zu werden. „Die Albatros“ ist nur 110 Seiten lang – steckt aber voller überbordender Bilder. Preis: zwölf Euro.
Und noch ein Stück Finnland: Im Schnellzug von Turku nach Helsinki bricht die Beziehungslosigkeit der Reisenden auf. In der zufälligen Begegnung zwischen einem Autor und einer jungen Frau entzünden sich Wünsche nach Wagnissen. Die für ein paar Stunden geteilte Sehnsucht nach einem erfüllteren Leben verwandelt den Turku-Express in den „Kanaan-Express“, in dem sich eine Bilderflut entfaltet. Die finnlandschwedische Autorin Hagar Olsson schrieb das Buch im Jahr 1929: Kein leichter Stoff – und die futuristisch-abstrakte Schreibweise stellt hohe Ansprüche an den Leser. Preis: 22 Euro.
Der Arco-Verlag verdient sich mit diesen vier Büchern die Auszeichnung, für Deutschland fast unbekannte Autoren ans Licht geholt zu haben. Jeder Band ist bis ins Detail wunderschön gemacht. Vier definitive Entdeckungen.