Was lief in Sachen Tanztheater wirklich? Stadtdirektor Slawig: „Wir haben massive Kritik bekommen“

Wuppertal · Die juristische Auseinandersetzung über die Leitung des Tanztheaters wirkt weiterhin nach. Rundschau-Redakteur Stefan Seitz sprach mit Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig, der zugleich Kämmerer, Personaldezernent und zuständig für die Beteiligungssteuerung der städtischen Tochterfirmen ist.

Dr. Johannes Slawig ist seit 21 Jahren Wuppertals Stadtkämmerer. Gewählt ist er bis 2022.

Foto: Max Höllwarth / Wuppertaler Rundschau

Rundschau: Als der früher freiberuflich für die Stadt tätige PR-Berater Ulrich Bieger im WDR am 14. August durchblicken ließ, er habe im Auftrag Hintergrundinformationen zur fristlosen Kündigung von Tanztheater-Intendantin Adolphe Binder an die Medien „transportiert“, wie sehr hat Sie das überrascht?

Slawig: Ich habe mich gefragt: Was sagt er da? Meine Realität gibt das nicht wieder. Ich habe Herrn Bieger nicht damit beauftragt, vertrauliche, interne Schriftstücke weiterzugeben. Die Tanztheatergeschäftsführung hat Kritikpunkte an Frau Binder zusammengestellt, diese Zusammenstellung war für den Tanztheater-Beirat gedacht. Wenn Herr Bieger im WDR von einem „Zettel“ spricht, weiß ich nicht, was er damit meint. Wie Interna an die Presse gelangt sind, ob durch Herrn Bieger oder andere, kann ich mir nicht erklären.

Rundschau: Sie gelten im Rathaus und in der Öffentlichkeit als sehr einflussreich, da viele entscheidende Fäden bei Ihnen zusammenlaufen. Schwer vorstellbar, dass Sie von so wichtigen Details keine Kenntnis haben.

Slawig: Es gibt allerdings tatsächlich Dinge, die auch ich nicht weiß.

Rundschau: Womit war Herr Bieger denn beim Thema Tanztheaterkonflikt beauftragt?

Slawig: Er sollte uns, also mich, Kulturdezernent Nocke und den damaligen Tanztheater-Geschäftsführer Hesse sowie den damaligen Prokuristen Fries, in diesem Konflikt als Medienberater begleiten. Ich habe viele Hintergrundgespräche geführt. Immer aber ohne Schriftstücke weiterzugeben. Einen „Jour fixe“ mit dem Tanztheater gibt es schon lange, wir haben dann wegen des immer stärker werdenden Konfliktes zwischen Frau Binder, Herrn Hesse und weiteren Führungskräften des Tanztheaters Herrn Bieger hinzugeholt. Es bestand die Gefahr, dass dieser Konflikt öffentlich wird, und Herr Bieger sollte uns beim Umgang mit den Medien unterstützen.

Rundschau: Es ist sehr lange versucht worden, das Problem sozusagen unter dem Deckel zu halten ...

Slawig: Ich wollte die beiden Premieren der neuen Stücke ungestört über die Bühne bringen. Heute muss ich selbstkritisch sagen, dass ich zu lange versucht habe, den Konflikt intern zu lösen. Auch, dass der Beirat, der für eine politische Lösung zuständig ist, nicht rechtzeitig informiert wurde, war ein Fehler.

Rundschau: Die fristlose Kündigung von Frau Binder ist vor zwei Gerichten deutlich verworfen worden. Wer hat diese Kündigungsgründe überprüft?

Slawig: Geprüft hat sie unsere Anwältin. Es war klar, es gibt bei solch einer außerordentlichen Kündigung ein Risiko. Ich habe allerdings nicht vermutet, dass die Anforderungen des Gerichtes so hoch sein würden, und dass das Gericht den Schutz der künstlerischen Freiheit so stark betont.

Rundschau: War die Vertragsgestaltung mit Frau Binder ein Fehler?

Slawig: Nein. Arbeitsverträge, die ihrem ähneln, gibt es bei den städtischen Töchtern mehrere. Wir hätten aber den Status und die Aufgaben einer künstlerischen Leiterin besser definieren müssen. Frau Binder wollte auch künstlerische Geschäftsführerin sein, hatte Probleme, ihre Rolle so anzunehmen, wie wir sie definiert haben. Der Konflikt zwischen ihr und Geschäftsführer Hesse hat sich, trotz vieler Gespräche, die ich mit jedem einzeln sowie gemeinsam geführt habe, immer weiter aufgeschaukelt. Die alleinige Geschäftsführerrolle für Herrn Hesse war vielleicht ein Fehler. Zum Konflikt zwischen beiden wäre es aber ohnehin gekommen.

Rundschau: Welche Folgen dieser Auseinandersetzung spüren Sie?

Slawig: Wir haben ziemlich massive Kritik aus dem Beirat bekommen, vor dem ich meine Fehler eingeräumt habe. Die Beiratsvorsitzende Ursula Schulz, OB Mucke, Herr Nocke und ich waren auch zu mehreren Gesprächen bei den Tänzern des Ensembles. Dort gab es deutliche und berechtigte Kritik an den Vorgängen der Vergangenheit. Die Tänzer fühlen sich insgesamt nicht wertgeschätzt, auch bei der Neubesetzung der Geschäftsführung nicht ausreichend einbezogen.

Rundschau: Oberbürgermeister Mucke hat jetzt eine interne Untersuchung eingeleitet, um die oben erwähnten Vorgänge um Herrn Bieger und die Weitergabe von internen Informationen zu klären. Beunruhigt Sie das?

Slawig: Nein, ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Die Staatsanwaltschaft aber hat ja hier schon ermittelt und das Verfahren eingestellt. Ich weiß nicht, was da noch Neues ans Licht kommen könnte.

Rundschau: Der Tanztheater-Konflikt reiht sich ein in eine Kette von schlecht gelaufenen Kultur-Personalien. Zuletzt etwa bei der geplatzten Neubesetzung der Leitung des Von der Heydt-Museums. Hat Wuppertal ein Kultur-Personalproblem?

Slawig: Wenn man sich die Bühnen, das Historische Zentrum, die Musikschule oder die VHS anschaut, dann haben wir doch eine sehr positive Bilanz vorzuweisen. Das hätten wir beim Museum auch schaffen müssen. Zuerst auf Stadt-Ebene zu entscheiden und danach die Museumsgesellschafter einzubeziehen, das war ein Fehler. Wir starten jetzt neu und werden es besser machen.

Rundschau: Wie geht es nun beim Tanztheater weiter?

Slawig: Wir müssen mit Frau Binder eine „gesichtswahrende“ Einigung, wie der Oberbürgermeister es ausgedrückt hat, erreichen. Darum werden wir uns sehr bemühen. Das Tanztheater und das Pina-Bausch-Zentrum müssen aus den Schlagzeilen heraus und vorangebracht werden. Ich glaube, dass das möglich ist, und wir sind dazu auch bereit. Ich würde sehr gern eine gute Lösung finden und dann nach vorne blicken.