Stößels Komödie serviert „Extrawurst“ Witzig – und mit Tiefgang
Wuppertal · Vereinsversammlungen im Barmer Brauhaus gibt es öfter. Doch eine, in der es um eine „Extrawurst“ geht, die im völligen Chaos endet und sich regelmäßig wiederholt, kann nur eines bedeuten: Komödie von und mit Kristof Stößel.
Der Schauspieler und Leiter der KS-Theaterbetriebe hat die erste Nach-Lockdown-Premiere in den Biergarten des Brauhauses verlegt. In dem abgetrennten Bereich finden 70 Zuschauerinnen und Zuschauer Platz. Auf Holzbänken und Gartenstühlen sitzen sie als „Vereinsmitglieder“, die der Jahreshauptversammlung des Oberbarmer Tennisclubs beiwohnen. Der Biergarten ist gut geeignet für Freilichttheater – nicht zu groß, aber groß genug, um Abstand zu wahren. Dank Mikrofonen sind die Dialoge – das Wichtigste im Stück – gut zu verstehen. Ein Bühnenbild gibt es nicht, und auch die Kostüme sind der Handlung entsprechend Alltags- oder Sportkleidung.
Kristof Stößel ist der leicht autokratisch veranlagte Vorsitzende Heribert, der am liebsten sich selbst reden hört und mehr Interesse am kalten Buffet als an demokratischen Diskussionen hat. Er thront förmlich auf seinem Podest, während der 2. Vorsitzende (Dirk Stasikowski) neben ihm zum Protokollschreiber degradiert wird. Alles könnte seinen gewohnten Gang gehen, würde der Club nicht einen neuen Grill anschaffen wollen. Diesbezüglich gibt es ein Problem: Der einzige Türke im Verein (Giovanni Arvaneh – bekannt aus der ARD-Serie „Marienhof“) soll auf Anregung seiner Doppel-Partnerin Melanie (Teresa Stößel) einen eigenen Grill bekommen. Da er Moslem ist und seine Würstchen nicht auf dem Grill mit den Schweinewürsten liegen dürfen, soll es diese „Extrawurst“ geben. Was folgt, ist ein sich aufschaukelnder Kampf mit Worten und später mit Gewalt – geführt von nur scheinbar toleranten Menschen. Die zunächst sachliche Diskussion läuft völlig aus dem Ruder, als Melanies Ehemann (Jan Philip Keller) seine persönlichen Probleme mit „dem Türken“ vor aller Augen und Ohren offenbart.
„Extrawurst“, die aktuelle Komödie von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, ist wirklich witzig – aber durchaus mit Tiefgang. Jeder, der einem Verein angehört, wird gewisse Strukturen wiedererkennen. Eigentlich geht es aber um die Frage, wie viel andere Meinung akzeptiert wird und ob und wie andere Denkweisen in Deutschland berücksichtigt werden. „Extrawurst“ ist teils Parodie, teils Komödie und bietet durch die Verlegung der Handlung nach Oberbarmen viel Identifikationspotenzial.
Ein sichtlich gerührter Kristof Stößel erklärte nach der gelungenen ersten Aufführung, dass er dieses Stück bewusst ausgesucht habe, da man darüber auch am Folgetag noch nachdenken könne. „Das ist etwas anderes, als was Sie sonst von uns gewöhnt sind“, sagte er im Hinblick darauf, dass die Spezialität seines Ensembles sonst eher die leichten Komödien sind.
Die Darsteller zeigen in „Extrawurst“ aber, dass sie Profis sind und auch ernster können – wobei die Zuschauerinnen und Zuschauer auf Kristof Stößels bekannten Humor nicht verzichten müssen. Und wer schon immer mal einen TV-Star aus der Nähe sehen wollte, kann Giovanni Arvaneh als Oberbarmer Tennisgott vom Bosporus erleben.