„Alcina“ von Händel in der Oper Wuppertal Zauberklänge auf Love Island
Wuppertal · Mit „Alcina“ von Händel bringt die Oper ein zweieinhalbstündiges Barock-Fest auf die Bühne. Der Stoff stammt von 1735, die Inszenierung von Julia Burbach schneidet ihn neu zu – und das Ergebnis glitzert.
Was da auf einer vielgestaltigen und wandelbaren Bühne (großer Applaus – auch in Sachen Kostüme – für Cécile Trémolières!) im Eingangsbereich eines Mietshauses mit Briefkästen und Münztelefon beginnt (und endet), führt weit hinaus. In die Seele, in die Gefühle. Die Liebes-Insel, auf der die Zauberin Alcina herrscht, zieht Zuschauer und Ensemble gleichermaßen in ihren verwirrenden Bann: Alcina liebt Ruggiero, von dem sie glaubt(e), dass er sie ebenfalls liebt. Zwei Schiffbrüchige kommen an, doch nur einer davon ist ein Mann. Der andere ist die verkleidete Bradamante, die große, wahre Liebe Ruggieros. Ist diese Insel echt? Oder nur Imagination? Alles nur Traum und Täuschung?
Das, worum es geht, ist jedenfalls echt: Eifersucht, Gefühlsverwirrungen, Befürchtungen, Ängste, Zweifel und manch bittere Erkenntnis. Am Ende finden Ruggiero und Bradamante zueinander. Alcina, die Zauberin, verwandelt Ruggiero nicht in ein Tier, obwohl sie es könnte – und erkennt, dass niemand Liebe herbeizaubern kann.
Das soll als Zusammenfassung einer Handlung, die sich heute „barock“ und weit entfernt anfühlt, genügen. Eins jedenfalls spürt man(n) sofort: Die Frauen dieser „Alcina“ sind stark und klug. Sie leiden, hadern und fühlen viel, bleiben aber ganz, zerbrechen nicht.
Das gilt vor allem für Alcina selbst, in deren Rolle Ensemble-Neumitglied Margaux de Valensart eine stimmlich starke, facettenreiche Vorstellung abliefert. Edith Grossman als ihre „Rivalin“ Bradamante lässt sie spür- und hörbar hinter sich. Countertenor Randall Scotting als Ruggiero fängt das Publikum mit seiner Stimme, geht durch Höhen und Tiefen von Liebe und Selbstzweifel, ist der beste aus dem männlichen Teil des Ensembles.
Und doch: Der heimliche Star dieser Wuppertaler „Alcina“ heißt Subin Park. Die junge Sopranistin kommt vom Opernstudio NRW und verkörpert Alcinas Schwester Morgana. Der kraftvolle Applaus, den sie nach ihren Arien und zum Schluss bekommt, spricht Bände. Keine Frage: Subin Park ist die Zauberstimme dieser Zauberinsel.
Zu all dem liefert das Wuppertaler Sinfonieorchester unter der Leitung von Dominic Limberg den so schönen Barock-Sound, der das Ohr einhüllt und sich wie ein Tuch um diesen Abend legt. Inklusive Gänsehaut-Präsenz des Opernchores von der Galerie.
Damit nicht genug: Die Wuppertaler „Alcina“ setzt auch auf Tanz. Mit fünf Contempory-Dancern, die von Cameron Macmillan und dem Wuppertaler Ben Wichert, der zu den weltweit besten Hip-Hop-Tänzern zählt, choreografiert wurden. Das starke Quintett symbolisiert Alcinas Seelenzustände, „fließt“ wie Unterwasserpflanzen, fesselt die Blicke. Neu ist die Idee nicht, Tänzer mit auf die Barockoper-Bühne zu nehmen, denn schon Händel selbst hat es so gemacht. Aber 289 Jahre später übersetzt Wuppertal das sehr intensiv in heutige Sprache.
Apropos heute: Dort kommt am Ende die Zauberin Alcina, die sich über sich selbst klar geworden ist, wieder an. Das Licht geht aus. Großer Jubel.
Nach einer doch arg zähen „Tristan und Isolde“-Inszenierung im Oktober vergangenen Jahres ist diese „Alcina“ ein Treffer ins Herz. Gut gekürzt, nirgendwo behäbig, keine Sekunde langweilig.