Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Lecker Raguhfeng!
Wuppertal · Rundschau-Kolumnist Roderich Trapp hat frei. Für viele Fans eine Katastrophe. Deshalb hat er ins Archiv gegriffen und Glossen früher ausgepackt, die das Warten aufs Christkind verkürzen sollen. Und manche Sachen ändern sich ja sowieso nie. Zum Beispiel die Weihnachtsrituale ...
Darf ich Sie mal vorsichtig fragen, ob es bei Ihnen auch Weihnachts-Rituale gibt? Die beziehen sich ja meistens auf das Essen. Nach meinen Recherchen kommt in Wuppertal an Heiligabend sehr gerne ein Gericht auf den Tisch, das keiner richtig aussprechen kann: Raguhfeng mit viel Woschestersoße. Raguhfeng werden Sie kennen: Das ist diese Ansammlung zum Verzehr weitgehend ungeeigneter Klumpen, deren tierischen oder pflanzlichen Ursprung selbst erfahrene Pathologen nur noch mühsam nachweisen könnten. Die Knubbel schwimmen in einer hellen Substanz, die ansonsten für die Herstellung dauerelastischer Dehnungsfugen im Sanitärbereich eingesetzt wird. Es gehört zu den großen Weihnachtswundern, dass man auf dieses geschmacksneutrale Kalorienkonglomerat nur „Lacroix“ draufschreiben muss, um es in Blechdosen für ein Schweinsvermögen verkaufen zu können.
Ebenfalls sehr beliebt ist Heiligabend Bockwurst mit Kartoffelsalat. Das kann ich nur damit erklären, dass viele Menschen im Weihnachtsstress nicht dazu kommen, was Vernünftiges zu kochen. Die Bockwurst liefert sich unter dem Christbaum ein Kopf-an-Kopf-Rentierschlittenrennen mit dem Raclette. Raclette ist zwar angemessener als Bockwurst, hat aber einen entscheidenden Nachteil: Die ganze Wohnung riecht danach bis Silvester so, als hätte der Weihnachtsmann nach vierwöchigem Dauereinsatz endlich mal seine roten Gummistiefel ausziehen dürfen. Damit ist gleichzeitig klar, warum Weihnachtsspaziergänge an der frischen Luft so beliebt sind.
Sehr viel gekauft wird auch Fisch, der den Nachteil hat, dass er frisch sein sollte, wenn man das neue Jahr noch erleben will. Deshalb spielen sich vor Fischtheken- und Fischgeschäften Heiligabendmorgen – übrigens eine erstaunliche Zeitangabe – Szenen ab wie kurz vor der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze. Übertroffen werden sie nur noch von der Meschenschlange vor einer Metzgerei an der Westkotter Straße, in der schlesische Weißwürste von bundesweiter Bedeutung verkauft werden. Zu Heiligabend und Neujahr wird dieser Leckerbissen aus fein gekuttertem Kalbfleisch im Schweinsdünndarm dem Vernehmen nach auf traditionelle schlesische Art mit Fischtunke oder Lebkuchensoße serviert.
Wenn ich es mir recht überlege, ist Raguhfeng doch gar nicht so übel...
Bis die Tage!