Kommentar: Forensik jetzt doch auf der Kleinen Höhe Beispiel für Realpolitik

Wuppertal · Wenn etwas, das man nicht möchte, nicht mehr verhindert werden kann, ist kluges Handeln gefragt. Das Land NRW wird eine Forensik in Wuppertal bauen — daran ist nicht zu rütteln: Der Landgerichtsbezirk ist deutlich unterversorgt, was die Unterbringungsplätze für psychisch kranke Straftäter angeht, 32 andere Standorte wurden (ohne Erfolg) geprüft, Aprath (auf dem alle Hoffnungen ruhten) ist abgesprungen — und Lichtscheid steht in Düsseldorf auf Platz 1.

Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

Oberbürgermeister Andreas Mucke hat stets gegen Lichtscheid votiert: Dort liegt (und das ist nicht nur seine Meinung) zu viel hochwertiges Stadtentwicklungspotenzial. Was also tun? Vor Muckes Amtsantritt waren die Fronten verhärtet: Der wenig verhandlungsgeeignete Slogan "Keine Forensik in Wuppertal" prägte die Großwetterlage.

Indem Mucke und die Stadtspitze nun erneut auf die Landesregierung zugegangen sind und einen möglichst raschen Bebauungsplan für die Kleine Höhe (die ja auch schon zuvor im Gespräch war) zugesagt haben, ist der gordische Knoten zwar nicht gleich zerschlagen, aber die Tür zur Verhinderung der Lichtscheid-Drohung wieder offen. Ein intelligenter Schachzug, oder anders ausgedrückt: ein Idealbeispiel für Realpolitik nach dem Motto "das kleinere Übel".

Weil Menschen um die Kleine Höhe herum wohnen und dort (eventuell bedrohte) Tierarten leben, gibt es selbstverständlich Proteste gegen diesen neuen Forensik-Plan. Diese Widerstände, die in Sorgen, Ängsten und Unsicherheiten begründet liegen, sind verständlich. Deshalb ist das Thema "Forensik auf der Kleinen Höhe" die erste große Nagelprobe für die von Andreas Mucke stets ganz nach oben gesetzte Bürgerbeteiligung mit Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit. Und das Thema wird auch die erste echte Herausforderung für den neuen Bürgerbeteiligungs-Dezernenten Panagiotis Paschalis.

Man darf gespannt auf die Instrumente sein, die angewendet werden, um den Bürgern genau und nachvollziehbar zu erklären, was hier auf sie zukommt: Gefragt sind intensive Informationsveranstaltungen ohne Frontalunterrichts-Charakter, regelmäßige Runde Tische mit Experten in der Nachbarschaft — vielleicht gar von der Stadt organisierte Besichtigungsfahrten in andere Forensik-Kliniken, um Bauweise und Eingliederung in existierende Wohnumfelder einmal live vor Ort zu erleben. Es wäre vorbildlich, wenn das Land der Stadt hier mit Sachverstand und Personal unter die Arme greift.

Klar ist: Wuppertal muss den Kleine-Höhe-Bebauungsplan in zwei Jahren rechtssicher realisieren. Dass man sich dabei — angesichts der selbst hoch gehängten Latte — einen Patzer leistet, ist schwer vorstellbar. Andreas Mucke hat sein Gesicht gewahrt — und die Stadt aus der schlimmsten Schusslinie genommen.

Eitel Sonnenschein à la "Keine Forensik in Wuppertal" kann man natürlich munter fordern. Mit realistischer Politik hat das allerdings überhaupt nichts zu tun.