Helden des Alltags Weil sie Angst vor Fremden nehmen

Wuppertal · Esra Kiratli und Ali Azzouz sind zwei junge Wuppertaler, die mit ihrem Engagement zeigen, dass eine bunte Gesellschaft viel lebenswerter ist.

Esra Kiratli und Ali Azzouz sind ein tolles Team. Sie beginnt bald ihr Studium „Soziale Arbeit“. Das könnte sich Ali auch vorstellen, sagt er. „Oder ich mache eine Ausbildung zum Erzieher.“

Foto: Rundschau

"Mit Flüchtlingen wollen wir nichts zu tun haben", sagt das ältere Ehepaar. Sie schauen in die kleine Hütte, die während der Adventszeit an der Heckinghauser Straße steht. Das so genannte Adventslädchen ist eine Aktion des Flüchtlingsprojekts "Komm". Hineingehen möchte das Ehepaar nicht.
Esra Kiratli und Ali Azzouz, beide 20 Jahre alt, stehen an diesem Tag in dem kleinen Adventslädchen, wie fast jeden Tag im vergangenen Dezember. Es ist ihr Herzensprojekt, 24 Tage wartet hinter der Tür täglich ein anderer Programmpunkt. Egal ob die Gäste muslimisch oder christlich sind, Esra Kiratli und Ali Azzouz freuen sich über jede Begegnung. "Es geht darum, sich mit Menschen auszutauschen", erklärt die 20-Jährige. Und das sei ja im Islam sowie im Christentum ein wesentlicher Gedanke.

Esra Kiratli wurde in Wuppertal geboren, ihre Familie stammt aus der Türkei. "Meine Freunde sagen, ich bin total deutsch", sagt sie lachend. Durch die Herkunft ihrer Eltern beschäftigt sie sich schon früh mit den Themen Heimat und Integration.
Die Zeit vor ihrem Studium nutzt die 20-Jährige, um Berufserfahrungen zu sammeln. Derzeit leitet sie eine multikulturelle Mädchengruppe. Einmal in der Woche organisiert sie ein Treffen mit 11- bis 13-Jährigen. "Wir kochen zusammen, basteln und sprechen auch über Themen, die zu Hause tabu sind", erzählt sie.
Während Esra Kiratli in Wuppertal aufgewachsen ist, kam Ali Azzouz erst vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland. Bei "Komm" hat er nun die Rolle des Übersetzers übernommen. "Die Kinder lieben Ali einfach", sagt Esra Kiratli über den jungen Mann, der für sie ein guter Freund geworden ist.

Zusammengeschweißt hat sie im vergangenen Sommer ein Baumhaus. Fast eine Woche lang haben sie gemeinsam mit einer Gruppe des Flüchtlingsprojektes an dem Haus gebaut. Abends aßen sie zusammen, machten Lagerfeuer, erzählten Geschichten aus der Heimat. "In dieser Zeit sind wir zusammengewachsen", sagt Ali Azzouz und lächelt.

Als Alltagshelden hat Dorothee van den Borre, Projektleiterin von "Komm", das junge Duo vorgeschlagen. "Sie sind echte Kulturvermittler ", sagt sie. Und beide hätten diese offene und freundliche Art, die Menschen hilft, sich auf ein Abenteuer einzulassen. "Besonders gut gefällt mir, dass diese zwei junge Menschen die Kraft haben, Menschen die Angst zu nehmen. Sie zeigen, dass Zuwanderung eine Bereicherung für uns alle sein kann."

Dorothee van den Borre überredete an jenem Dezembertag das ältere Ehepaar dann doch, das Adventslädchen zu betreten. Erst zögerlich kamen sie mit Esra Kiratli und dann auch mit Ali Azzouz ins Gespräch. Ganz beseelt traten sie schließlich den Heimweg an. Wenn man einen Fremden kennen lernt, stellt man fest, dass derjenige vielleicht doch sehr liebenswert ist.

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