Unfallstatistik 2020 Corona hat Einfluss auf den Verkehr
Wuppertal · „Rücksichtnahme und Abstand“ – ein Credo, das den Menschen des Bergischen Städtedreiecks seit Beginn der Corona-Pandemie in Fleisch und Blut übergegangen sein dürfte, lässt sich auch auf die Frage der Verkehrssicherheit übertragen. „Da ist die Pandemie gewissermaßen ein Spiegelbild für den Straßenverkehr. Da, wo die Menschen vorsichtig sind und Rücksicht aufeinander nehmen, passieren auch weniger Unfälle“, griff Polizeipräsident Markus Röhrl bei der Vorstellung der Wuppertaler Verkehrsunfallstatistik am Mittwoch (10. März 2021) eine unverhoffte Parallele des Corona-Jahres 2020 auf.
In der Tat prägten die Pandemie und ihre Folgen auch den Verkehr in Wuppertal, Remscheid und Solingen und damit auch die Zahlen der Statistik. Letztere sind erfreulich: Die Zahl der Verkehrsunfälle im Bereich des Polizeipräsidiums Wuppertal ist von 24.764 im Vorjahr auf nun 22.494 gesunken. Das sind 2270 Unfälle oder 9,2 Prozent weniger als noch 2019. Die sogenannte Verunglücktenhäufigkeitszahl, die die Anzahl der Verunglückten pro 100.000 Einwohner beschreibt, sank auf 272. Im Vergleich der 47 Polizeibehörden in NRW liegt die Polizei Wuppertal und damit das Bergische Städtedreieck auf einem sehr guten, oder besser: sehr verkehrssicheren, Rang 4.
Weniger Unfälle bedeuten weniger schlimme Schicksale
„Damit hat sich bestätigt, was von vielen erwartet wurde: Durch die Lockdowns, mehr Homeoffice und weniger Freizeitmöglichkeiten gab es weniger Verkehr und somit auch weniger Unfälle“, erklärte Röhrl. Unabhängig von den Ursachen des Rückgangs verringerte sich die Zahl der Verunglückten insgesamt (-310 oder -14,9 Prozent) und auch die der verunglückten Kinder (-51 oder -23,6 Prozent). „Das ist uns besonders wichtig. Denn hinter jedem Unfall – egal, ob die Folge nur die Erfahrung des Erlebten oder ein körperliche Verletzung ist – stehen Schicksale“, hob Stephan Spies als stellvertretender Leiter der Direktion Verkehr hervor.
Hinsichtlich der Zahl von 165 verunglückten Kindern, von denen 54 als Mitfahrende, beispielsweise auf der Rückbank eines Autos, an Unfällen beteiligt waren, appellierte der Polizeipräsident auch an die Eltern. „Dort, wo unsere Präventionsarbeit greift – das ist vor allem auf Schulwegen – passiert den Kindern selten etwas. Am Nachmittag im Privaten sieht das anders aus“, betonte Röhrl die Verantwortung der Eltern für die Sicherheit ihrer Kinder im Straßenverkehr.
Starke Quote: Dreiviertel aller Verkehrsunfallfluchten mit Personenschaden wird aufgeklärt
Eine wichtige Erkenntnis brachte das Jahr 2020 auch mit Blick auf Verkehrsunfallfluchten. Dabei ist weniger überraschend, dass angesichts des geringeren Verkehrsaufkommens auch hier ein zahlenmäßiger Rückgang (-772 oder -12,6 Prozent) zu verzeichnen ist. Deutlich beeindruckender ist die Aufklärungsquote, insbesondere bei den Verkehrsunfallfluchten, bei denen Menschen verletzt worden sind: In 75,2 Prozent aller Fälle ermitteln die zuständigen Verkehrskommissariate – dank Technik und der Mithilfe von Bürgerinnen und Bürgern, die sich als Zeugen von Unfallfluchten bei der Polizei melden – anschließend die Unfallverursacherinnen oder Unfallverursacher. Das bedeutet Platz 5 im landesweiten Vergleich. „Darauf bin ich stolz“, machte Polizeipräsident Markus Röhrl deutlich.
Mehr Unfälle mit Rad- und Pedelec-Fahrenden
Einer der wenigen Bereiche, die im vergangenen Jahr einen Negativtrend aufwiesen, ist der der verunglückten Rad- und Pedelec-Fahrenden. Während 251 Personen auf Fahrrädern und damit 68 mehr als 2019 (+37,2 Prozent) an Unfällen beteiligt waren, waren es bei den Pedelec-Fahrenden 64 und damit absolut 27 oder 73 Prozent mehr als noch im Vorjahr. „Aber auch das ist zum Teil durch die Folgen der Pandemie erklärbar“, so Röhrl. Um ihr Infektionsrisiko zu senken, seien viele Menschen im Bergischen Städtedreieck vom ÖPNV aufs Rad umgestiegen. Entsprechend habe sich auch die Zahl der Unfälle erhöht. Das gelte bei Pedelecs auch unabhängig von Corona, verdeutlichte Stephan Spies: „Wir haben seit Jahren einen Boom bei den Pedelec-Verkäufen. Man muss sich aber vorstellen, dass diese Zweiräder durch die Motorhilfe problemlos mindestens 25 km/h schnell fahren können. Wenn dann ein ungeübter Mensch am Lenker sitzt, kommt es schnell zu Unfällen.“
Rad- und Pedelec-Fahrende müssen geschützt werden
Mit ein Grund für die erhöhte Unfallzahl könnte aber auch ein Phänomen sein, das auf den ersten Blick gar nichts mit Verkehrssicherheit zu tun hat: das Online-Shopping. Dadurch, dass viele Geschäfte während der Lockdowns schließen mussten und sich die Bürgerinnen und Bürger viele Einkäufe per Lieferdienst nach Hause bringen ließen, nahm auch der Güter- und Lieferverkehr zu. „Wenn mehr Radfahrende auf mehr Lkw oder Transporter treffen, treffen auch die ,schwachen‘ Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer auf die ,starken‘“, beschrieb Röhrl das Problem. Da mehr Radverkehr, allein schon aus Klimaschutzgründen aber wünschenswert sei, müsse den „Schwachen“ auch der Verkehrsraum zugestanden werden, den sie brauchen, um sich sicher fortbewegen zu können.
Lieferverkehr führt zu Problemen
Abgesehen davon, das hat das Jahr 2020 gezeigt, mangelt es bei vielen Güter- und Lieferunternehmen hinsichtlich der Verkehrssicherheit offenbar am nötigen Bewusstsein. So war etwa bei Mängeln der Ladungssicherheit ein Anstieg von 46 Prozent zu verzeichnen. „Einige Unternehmen sind eher auf Gewinnmaximierung aus. Das geht aber zu Lasten der Verkehrssicherheit und damit auf Kosten der Allgemeinheit“, stellte der Polizeipräsident klar. Um dagegen vorzugehen, seien nicht nur Ordnungsgelder ein Mittel, sondern auch das Instrument der Gewinnabschöpfung. Dabei wird errechnet, welchen zusätzlichen Gewinn der Unternehmer durch sein verkehrssicherheitswidriges Verhalten erwirtschaftet hat – und der entsprechende Betrag wird von den Ordnungsbehörden eingefordert. Allein 2020 waren es 35.000 Euro, die zu Unrecht erlangt und der Bußgeldstelle gemeldet wurden.