Justizvollzugsanstalt Vohwinkel Jailhouse Rock: Konzert hinter Gittern
Wuppertal · Wenn Paola Krone mit knarzig-rockiger Stimme die berühmten Elvis-Liedzeilen „Everybody in the whole cell block, was dancin’ to the Jailhouse Rock“ anstimmt, sind das für die Zuhörer in der Kapelle der Justizvollzugsanstalt Vohwinkel keine leeren Worte.
Die 25 Männer befinden sich auf der anderen Seite der Gitterstäbe, auf der, die Elvis damals besang, und klatschen im Rhythmus kräftig in die Hände.
Für sie ist es ein besonderer Abend. Statt ihre Zeit im Freizeitraum zu verbringen, werden sie um 18 Uhr in die Kapelle gerufen, in der die Vohwinkeler Rock ’n‘ Roll- Coverband „The Speeds“ schon in den Startlöchern steht. Statt in rockiger Lederkluft erscheinen die Gäste in Jogginghose und Hausschlappen, in der Hand halten sie einen Schokoriegel statt einer Flasche Bier.
Brav wie Schuljungen nehmen sie auf den Holzstühlen der Knastkapelle Platz, dem größten Raum in der JVA. Die Hände im Schoß oder hinter der Lehne verschränkt, den Blick auf den Boden gerichtet.
Zwei Lieder dauert es, dann beginnt in der zweiten Reihe zaghaft jemand mit den Beinen zu wippen. Sein Sitznachbar lässt sich anstecken. Ein dritter nickt verhalten mit dem Kopf. Der Rhythmus kitzelt ihre Muskeln.
Organisiert hat das Konzert in der Justizvollzugsanstalt in Vohwinkel Freizeitkoordinatorin Nadine Schaumburg – blonde Haare, schmale Brille, strahlendes Lächeln. Mit fünf Abendveranstaltungen im Jahr 2019 hat sie ein bisschen Abwechslung in den Knastalltag gebracht, suchte nach Bands und Vortragenden, die zu ihrem Publikum passen und kümmerte sich um die Genehmigungen. Das Konzert der Vohwinkeler Band „The Speeds“ bildet den Abschluss des Veranstaltungsjahres.
80 Insassen der JVA hatten sich im Vorfeld bei Nadine Schaumburg für das Rock’n‘Roll-Konzert angemeldet, 25 von ihnen sitzen tatsächlich in der Kapelle. „Viele wollen dann doch lieber in den Freizeitraum oder haben einfach keine Lust“, so Koordinatorin Schaumburg. Ob ein Insasse nach seiner Anmeldung überhaupt das Konzert besuchen darf, wird vorher geprüft. Hat er in letzter Zeit gegen Hausregeln verstoßen? Stellt er für sich oder für andere eine Gefahr dar? Lautet die Antwort auf beide Fragen nein, ist er dabei.
Für die Band „The Speeds“, die seit 1963 in wechselnder Besetzung Rocksongs covert, ist es das erste Konzert hinter Gittern. „Jetzt sind wir die Band mit Knasterfahrung“, witzeln die Mitglieder nach ihrem Auftritt. Trotzdem dauert es fast fünf Songs, bis sich die leichte Anspannung der sechsköpfigen Band ihrer Musik ergibt. Der Rhythmus geht in die Beine, fordert zum Tanzen auf, ihre Zuhörer allerdings bleiben sitzen. „Sie dürfen aufstehen“, erklärt Nadine Schaumburg nach dem Konzert. Beim letzten Mal sei einer aufgestanden. Und dann standen plötzlich alle. Aber den einen, der anfängt, den braucht es, sagt die Freizeitkoordinatorin. Und die letzte Band hatte eine Nebelmaschine dabei, die sorgte für Stimmung.
Ungefähr 300 Insassen zählt die Justizvollzugsanstalt Vohwinkel aktuell. Männer, die im Leben eine oder mehrere falsche Entscheidungen getroffen haben. Nach der Sanierung der Gefängnisgebäude in den nächsten Jahren können weitere Strafgefangene untergebracht werden. Noch wirkt die JVA ein bisschen wie aus einem Knastfilm. Mit einem großen Schlüssel in der Hand läuft Nadine Schaumburg durch die Flure, schließt eine Tür auf, tritt hindurch und schließt sie hinter sich wieder zu. Unzählige solcher vergitterter Türen passiert sie auf dem Weg zur Gefängniskapelle. Schlüssel rein, Tür auf, Schlüssel raus, Tür zu, abschließen.
„Speedy Gonzales, why don’t you come home? Speedy Gonzales, how come you leave me all alone?“, singt Paola Krone mit quietschender Stimme ins Mikrofon und erntet für ihre schrille Imitation der „schnellen Maus“ Gejohle und Geklatsche.
Nach 70 Minuten ist es Zeit für das letzte Lied. Das Konzert neigt sich dem Ende zu, um halb neun wird eingeschlossen, und bis dahin müssen auch „The Speeds“ ihre Instrumente zusammengepackt und die Justizvollzugsanstalt verlassen haben.