Pläne für die Henkels-Fabrik Wohnungen und Internationale Schule in Langerfeld
Langerfeld · Die ehemalige Textilfabrik A. & E. Henkels an der Ecke Langerfelder Straße und Spitzenstraße soll für die Stadt eine neue Bestimmung erlangen. Die „renaissance Immobilien & Beteiligungen AG“, die in Wuppertal bereits zahlreiche historische Bauten revitalisiert hat, will als Eigentümer einen zweistelligen Millionenbetrag in den Standort investieren: Das historische und seit 1985 unter Denkmalschutz stehende Fabrikareal soll saniert und umgestaltet werden.
Die Spezialisten für historische Fabrikgebäude und Altbauten sehen hier großes Potenzial. Rund 8.000 Quadratmeter Fläche bilden im Herzen von Langerfeld einen in sich geschlossenen Gebäudekomplex. Vorstand Christian Baierl: „Es ist ein extrem spannendes Gelände mit einer über 120 Jahre alten Fabrik. Hier soll ein Mix aus Mietwohnungen, Büros, Coworking, Cafés und Restaurants mit einem einzigartigen Flair entstehen! Auf dem Dach planen wir einen Swimmingpool.“
Zusätzlich kann sich Baierl auch eine „International School“ in einem Gebäudetrakt vorstellen. Solch eine staatlich anerkannte Ganztagsschule mit angebundenem Wohnheim würde gut zu dem Gebäudekomplex und zur Stadt passen. „Die Nähe zur Bergischen Universität Wuppertal sowie zu Industrie- und Start-up-Unternehmen ist eine optimale Voraussetzung für solch ein Lehr- und Bildungsinstitut mit global ausgerichteter Top-Ausbildung in englischer Sprache. Das Wohnheim wäre hier gleich mit angebunden“, so Baierl weiter. (Bilder:)
Während der zwei- bis dreijährigen Schulausbildung würden die Schüler/innen mit dem weltweit anerkannten Edexcel International Advanced Level (IAC) die weltweit anerkannte Hochschulzugangsberechtigung (HZB) erwerben. Damit wären Bachelor- und Master-Studiengänge an deutschen Unis wie auch weltweit möglich.
Noch befindet sich die Fabrik offiziell in einem Gewerbegebiet. Damit hier ein urbanes Wohngebiet entstehen kann, muss der Rat der Stadt Wuppertal den Bebauungsplan noch ändern. Man steht daher mit dem Bauamt und der Stadtverwaltung im Dialog. Baierl: „Wir wollten schon die ehemaligen P.D. Rasspe Söhne-Werke am Solinger Stöcken retten. Am Ende wurden sie in Teilen doch abgerissen. Jetzt kämpfen wir hier in Wuppertal darum, dass die Henkels-Gebäude erhalten bleiben. Die Substanz verschlechtert sich jeden Monat, da sie leer stehen. Die Zeit drängt, denn irgendwann kann man auch diese Gebäude nicht mehr retten, da die Substanz dann einfach zu schlecht sein wird.“
Möglichst schnell wollen sich die Spezialisten für historische Bausubstanz der renaissance AG nun des Fabrikareals annehmen. Bei der Fabrikanlage handelt es sich um die historischen Fassaden von drei Fabrikgebäuden mit zwei und drei Geschossen. Diese Fabrikgebäude sind ein Beispiel von besonderer architektonischer und künstlerischer Qualität und wichtiger Bestandteil der historischen Bebauung am Rande des alten Ortskerns von Langerfeld. Als Zeugnis für die Arbeits- und Produktionsverhältnisse der Textilindustrie stehen sie unter Denkmalschutz.
Die Geschichte der Fabrik reicht weit zurück. Am 30.11.1845 wird in Langerfeld Albert Henkels geboren. 1871 gründet er eine Bandfabrik und produziert Bänder für die Textilindustrie. Später stößt sein Bruder Ernst dazu und beide gründen die „Spitzenfabrik Alb. & E. Henkels“. Nun werden auch Spitzen hergestellt. Das Ziel der Brüder ist jedoch, Spitzen mit einer Maschine herzustellen und nicht mehr von Hand klöppeln zu lassen.
1877 entwickelt Albert Henkels nach langwierigen Versuchen gemeinsam mit der Maschinenfabrik für Riementische von Wilhelm Hedtmann eine einfädige Spitzen-Klöppel-Maschine, die bahnbrechend für die gesamte Spitzenfabrikation wird. Damit ist es endlich möglich geworden, Spitzen maschinell herstellen zu können. Albert Henkels bringt diese Erfindung im Jahr 1878 in seine Firma ein. 1880 gelingt die Herstellung einer zweifädigen Spitzenmaschine, mit der auch verschiedene Muster produziert werden können. Henkels wird so zur „größten und ältesten Spezialfabrik in Spitzen“, wie er sie selbst bewirbt.
Nun wird Langerfeld zu einem Zentrum der Spitzenherstellung. Beworben werden diese Produkte im In- und Ausland, in deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache. So unterhält Henkels Filialfabriken in Pinerolo/Italien sowie in Bridgeport/USA. 1895 gelingt ein weiterer Durchbruch mit der Erfindung des S-Dorns durch die Weiterentwicklung eines französischen Patents. Henkels übernimmt nun weltweit die Führung in der Spitzenindustrie.
Die gute Auftragslage führt dazu, dass die alten Räumlichkeiten zu klein werden und so baut man 1896 ein neues, dreigeschossiges Fabrikgebäude an der Barmer Straße 26. Sie wird am 18. August 1922 in Langerfelder Straße umbenannt. Die Straße verbindet Oberbarmen mit Langerfeld und wurde zwischen 1788 und 1794 ausgebaut.
Der Straßenabschnitt in Barmen hieß davor Rittershauser Straße und wurde zum ersten Mal im Jahr 1861 in einer Gebäudeliste erwähnt. Neben dem Hauptgebäude befindet sich rechts die Villa des Direktors, links die 1900 erbaute Villa Albert Henkels. Die Villa von Ernst Henkels, links davon, wird im Zweiten Weltkrieg zerstört. Schräg rechts gegenüber des Hauptgebäudes wohnt der Hausmeister der Fabrik, links von ihm befindet sich das Haus der unverheirateten Spulerinnen. Sie wickeln das Garn von großen Spulen auf kleinere, die dann auf die Maschinen gesetzt werden.
Auf Initiative namhafter Barmer Fabrikanten wird die „Preußische Höhere Fachschule für Textilindustrie" gegründet, um den benötigten Fachkräfte-Nachwuchs sicherzustellen. Um Ostern 1900 nimmt sie ihre Lehrtätigkeit in Barmen auf. Die Lehranstalt betont später, dass die heimische Textilindustrie bis zum Ersten Weltkrieg in technischer Beziehung von drei Faktoren beeinflusst wurde: Dem Aufkommen der Kunstseide und ihrer Verarbeitung in der Barmer Band- und Besatzindustrie, die Nachbildung handgeklöppelter Spitzen auf maschinellem Wege und die vor 1900 einsetzenden chemisch-technischen Fortschritte in der Farbenfabrikation. Dazukommt Ende des 19. Jahrhunderts das Ablaufen des Henkels-Patents zur rationellen Erzeugung maschinengeklöppelter Spitzen.
Im Jahr 1906 hat die Firma bereits 1.200 Beschäftigte. Die Geschäfte laufen bestens, wobei sich das Ablaufen des Henkel-Patents bemerkbar macht. Dann der Rückschlag: Am 9. Juli 1910 stirbt im österreichischen Kurort Bad Gastein Firmengründer Albert Henkels. Das Begräbnis findet fünf Tage später auf dem evangelischen Friedhof in Langerfeld statt. Rund 2.000 Angestelle der Firma geben ihrem toten Chef das letzte Geleit. Auf der Hälfte des Weges bilden sie zu beiden Seiten der Straße Spalier.
An dem Zug nehmen weitere 1.000 Menschen teil. Der Gesangverein, der Jungfrauenverein und Kinder der Kleinkinderschulen singen am Grab des Unternehmers. Albert Henkels war lange Jahre für die Gemeinde Langerfeld und den Kreis Schwelm tätig gewesen. Er war Kreisdeputierter, also ehrenamtlicher Vertreter des Landrats bei Abwesenheit, Amtsbeigeordneter, Provinzial-Landtags- und Kreistagsabgeordneter, Mitglied des Kreisausschusses, Amts- und Gemeindeverordneter sowie Mitglied vieler Kommissionen. Zudem trug er den Ehrentitel für einen Wirtschaftsfachmann, Kommerzienrat. Vom preußischen König wurde er für seine Verdienste mit der Verleihung des Rother-Adler-Orden, IV. Klasse, geehrt. Dieser preußische Verdienstorden wurde einst von König Friedrich Wilhelm III. gestiftet.
Nach dem Tod Albert Henkels übernehmen seine Söhne Ernst und August das Unternehmen, das später in eine GmbH umgewandelt wird. Im Jahr 1914 stirbt auch Erfinder Wilhelm Hedtmann. Im Jahr 1923 gibt es drei Abteilungen bei Henkels: Abt. I ist die Spitzenfabrik, Abt. II die Bandfabrik und Abt. III die Maschinenfabrik. Ende der 1920er Jahre zwingt die Weltwirtschaftskrise Alb. & E. Henkels dazu, die Spitzenproduktion einzustellen. Die Nachfrage nach etwa nach Spitzendecken als Dekoration für Tische hat mit einem veränderten Zeitgeschmack nachgelassen, zudem gibt es nach dem Ersten Weltkrieg Exportbeschränkungen und die Inflation zwingt die Bevölkerung in Deutschland zu weitreichenden Entbehrungen.
Zehn Jahre zuvor, 1913, beschäftigt die Barmer Textilindustrie in über 820 Betrieben rund 23.000 Arbeitnehmer. Die Familie Henkels hatte sich in der Stadt noch durch diverse andere Aktivi-täten einen Namen gemacht. Albert Henkels kauft im Jahr 1883 Grundstücke für den neuen Friedhof Kohlenstraße, der 1885 eingerichtet wird. 1898 lässt Eduard Henkels die Gaststätte Starenschloß im Schweizer Stil mit einem schönen Gondelteich errich-ten.
Im Jahr 1907 überlässt Kommerzienrat Albert Henkels dem 1836 in Barmen gegründeten Christlichen Männer- und Jünglingsvereins, seit 1907 CVJM/Christlicher Verein Junger Männer, einen Bauplatz am Hedtberg. Ferner wird die Henkelsstraße, eine ansprechende Villenstraße, nach der Familie benannt. Das von Schnapsproduzent Richard Merklinghaus von 1878 bis 1880 auf dem Gelände des alten Siepenhofes erbaute Haus Waldstein in der Hölkesöhde, später „Henkels-Schlößchen“ genannt, wird 1912 von Max Henkels erworben und gründlich überholt. 1937 verkauft er das Haus an die Stadt und wandert in die USA aus.
1939 richtet die Stadt darin ein „Koloniales Jugendheim“ ein. 1949 wird hier das städtische Altenheim Hölkesöhde eröffnet. In den Parkanlagen der Familie Henkels mit den prachtvollen Blutbuchen, Trauerweiden, hoch gewachsenen Cypressen, Hainbuchen, Rüstern und ausländischen Baumarten, den Henkelschen Wiesen, findet 1935 eine Großkundgebung zu Handel, Handwerk und Gewerbe statt. 1962 beginnt man mit dem Bau der Parksiedlung in diesen früheren Parkanlagen, der „Henkelswiese“, wie sie auch genannt wird. Zu der Siedlung aus 18 Häusern mit 212 Wohnungen gehört das erste Hochhaus Langerfelds.
Im Jahr 1931 wird das Unternehmen Alb. & E. Henkels Spitzenfabrik von Ed. Molineus Söhne übernommen und ab dem 29.04.1931 ist es offiziell an der Turnstraße 14 angesiedelt. Ab dem Jahr 1938 sind im Fabrikgebäude Nummer 129 die Uniformfabrik E. & W. Reitz, Barmer Kleiderfabrikation sowie andere, kleinere Firmen ansässig. Von 1940 bis 1942 dann nur noch das Uniformwerk. Bis in die 1980er Jahre sitzt hier noch Vorwerk & Co., Elektrogeräte-Vertrieb, Kühlschrankversand.
Ein weiterer Unternehmer ist Gottlob Espenlaub. Er betreibt in Düsseldorf ein Flugzeugreparaturwerk und verlegt dieses 1939 in eine der Henkels-Produktionshallen an der Spitzenstraße 35. Hier liegt auch ganz in der Nähe ein kleiner Flugplatz, der seit 1926 für Segelflugzeuge und Heißluftballone genutzt wird. Espenlaub ist gelernter Tischler und stammt aus der schwäbischen Alb.
Die Suche nach Arbeit führt ihn zu den Segelfliegern auf der Wasserkuppe in der Rhön. Dort macht er sich einen Namen bei der Reparatur von Propellerflugzeugen und dem Bau neuer Segelflugzeuge. Im Zweiten Weltkrieg wird das Espenlaub-Werk 1940 im Zuge der Aufrüstung zu einem großen Reparaturwerk für Militärmaschinen, hauptsächlich Stukas/ Sturzkampfflugzeuge. 1938, kurz vor Ausbruch des Krieges, hat das Werk 80 Mitar-beiter, bei Kriegsende 2235, davon viele russische Zwangsarbeiter.
Im Jahr 1959 zieht die Christian Röhle GmbH, Herrenkleiderfabrik, in die Räume an der Langerfelder Straße 129 ein und produziert unter dem Markennamen „Feudal“.