Mit den Worten „Gib‘ mir die Schlüssel. Ich bekomme das hin“, fing vor 34 Jahren alles an. Johann Stamp war als Küster für das mehrgeschossige Gemeindehaus am Mühlenweg der Kirchengemeinde Gemarke eingestellt worden. Doch an eine Einarbeitung sei damals nicht zu denken gewesen, erzählt er. „Ich musste direkt alles selbst machen.“
Für den gelernten Werkzeugmacher aus Siebenbürgen in Rumänien war das kein Problem. Schließlich hatte er in der alten Heimat auch Haus, Hof und Garten in Schuss gehalten. Mit seiner Frau und Tochter war er als sogenannter „Aussiedler“ nach Wuppertal gekommen – und fand über eine Zeitungsannonce sofort seinen Traumjob.
Vom Dorf in die Großstadt
„Mein Vater war in unserer Kirche in Siebenbürgen zehn Jahre lang Kirchmeister gewesen, und ich habe im Chor gesungen. Kirche gehörte zu meinem Leben einfach dazu“, sagt der Küster, der bereits in Rente ist und am Sonntag im Gottesdienst in der Gemarker Kirche verabschiedet wird.
Etwas habe er sich allerdings umstellen müssen, als er die ersten Gottesdienste in Wuppertal besuchte: „Jeden Sonntag zog sich die ganze Familie in meiner Heimat in Siebenbürgen schick an, wenn sie zur Kirche ging“, erzählt Stamp. „Die Männer kamen in Anzug und Pelzmantel, die Frauen trugen Kleider und Kopftuch.“ Außerdem sei es in seinem 1.200 Seelen-Dorf Pflicht gewesen, sonntags den Gottesdienst zu besuchen.
Zum Glück gehörte der Garten
In der Großstadt Wuppertal aber gab es weder für die Kleidung im Gottesdienst noch hinsichtlich der Häufigkeit des Kirchenbesuchs Auflagen. Diese Freiheit habe seine Familie schnell genossen, sagt der Küster. Aber die großen Feste im Kirchhof hätten er und seine Familie vermisst – genauso wie den eigenen Garten.
Von der Küsterwohnung im Gemeindehaus Mühlenweg konnte Johann Stamp mit seiner Familie schließlich in eine Dienstwohnung mit Garten umziehen, als er im Gemeindezentrum Friedensheim der Gemarker Gemeinde tätig wurde. „Meine Frau meinte damals zu mir: Jetzt sind wir richtig angekommen“, berichtet er.
Beruf als Berufung
Im Jahr 2000 übernahm der Küster dann noch zusätzlich die Gemarker Kirche. Beklagt hat er sich darüber nie, denn sein Beruf war für ihn irgendwie immer auch „Berufung“. Wie viel Kaffee er für all die Gruppen in den Gemeindehäusern gekocht hat, wie viele Tische er gedeckt und abgeräumt, wie viel Müll er beseitigt, Plätze gefegt und Flure er geputzt hat, kann er heute nicht mehr sagen.
Am liebsten habe er die Kirche für den Gottesdienst, fürs Abendmahl und Trauungen geschmückt, erzählt er. Dass er dies in einem so historisch bedeutenden Gotteshaus tun konnte wie der Gemarker Kirche, in der die Barmer Theologische Erklärung 1934 verabschiedet wurde, habe ihn immer stolz gemacht, meint Johann Stamp.
Kirche sollte „persönlicher“ werden
Umso trauriger wird er, wenn er auf die stetig schwindende Zahl von Gemeindegliedern blickt. „Als Küster konnte ich gut vorhersagen, wie viele Menschen in die Gottesdienste kommen“, erzählt er. „Wenn ich darüber mit den verschiedenen Pfarrerinnen und Pfarrern Wetten abgeschlossen hatte, habe ich gewonnen. Im Laufe der Jahre sind es leider immer weniger Besucherinnen und Besucher geworden.“
Vielleicht müsse Kirche „persönlicher“ werden, wenn sie wieder mehr Menschen erreichen wolle, überlegt Stamp. Das beginnt für ihn mit einer freundlichen Begrüßung an der Kirchentür, wie er sie gerne selbst vor den Gottesdiensten übernommen hat. Und auch das gemeinsame Feiern mit der Nachbarschaft gehört für ihn dazu. Er sei bei Gemeindefesten immer der „Grillmeister“ gewesen, sagt er und lacht.
Das möchte er auch in seiner Rente weitermachen. Und noch überall dort Hand anlegen, wo er gebraucht wird – aber ehrenamtlich versteht sich.