Thema „Aufstocker“ Jobcenter: „Verständlicher Frust“
Wuppertal · "Aufstocker" sind Menschen, die einer geregelten Arbeit nachgehen, aber trotzdem auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Auf die Zahlung müssen sie (zu) lange warten - auch in Wuppertal.
Fallbeispiel Sibylle S.: Die Wuppertalerin hat ein schwankendes Einkommen und muss deshalb jeden Monat eine Abrechnung beim Jobcenter einreichen. Und dann lange warten, bis der Aufstockungsbetrag kommt.
"Mittlerweile wird die Abrechnung von der Firma schon per E-Mail an den Sachbearbeiter gesendet. Aber auch das trägt nicht dazu bei, dass sich an der Schnelligkeit der Nachberechnung irgendetwas ändert", schreibt sie. Die Dezemberabrechnung sei am 9. Januar eingereicht worden — bis Mitte Februar hatte sie weder eine Berechnung noch eine Nachzahlung bekommen.
Jobcenter-Chef Thomas Lenz kann Sibylle S. verstehen. Drei große Probleme hat Lenz bei den Aufstockern ausgemacht. "Zuallererst ist es nicht in Ordnung, dass Menschen, die den ganzen Tag arbeiten gehen, nicht genug Geld zur Verfügung haben. Dieses System muss sich ändern", sagt Lenz. Außerdem fordert er eine Reform des Sozialgesetzbuches: Wenn die Leistungen für einen ehemaligen Arbeitslosen zum Start in den Beruf noch einmal gezahlt würden, hätten viele Aufstocker ein Problem weniger. Eine Änderung im SGB II ist momentan in Arbeit, eventuell gibt es im Sommer eine Gesetzesvorlage. Das ist laut Lenz auch bitter nötig: "Wir verzweifeln selbst am bürokratischen Moloch des SGB II. Bei Selbstständigen müssen wir jeden Monat quasi eine Betriebsprüfung durchführen", sagt er.
Das dritte Problem, das Sibylle S. im Speziellen betrifft, hat mit fehlendem Personal zu tun. In Wuppertal ist ein Sachbearbeiter laut Lenz für 150 bis 200 Aufstocker zuständig. Mit vier Wochen Wartezeit müsse man daher rechnen. "Den Frust kann ich nachvollziehen", sagt Lenz. 77 Prozent der Beschwerden hätten mit den Leistungen zu tun — "zu wenig Geld" oder "es dauert zu lange".
Um schneller arbeiten zu können, plant das Jobcenter im nächsten Jahr die elektronische Akte einzuführen. Dann soll es für die Mitarbeiter wesentlich einfacher werden, im Wust der Fälle die richtigen Akte zu finden — zum Beispiel die von Sibylle S. Das Jobcenter muss Unterlagen jahrelang vorhalten, entsprechend vollgepackt ist das Archiv.