Ein Selbstversuch Wuppertal geht auch ohne Auto

Wuppertal · Immer mehr Menschen setzen auch im Bergischen in ihrem Alltag aufs Rad. Die Rundschau schaute sich beim Aktionstag auf der Nordbahntrasse um.

Organisator Tobias M. Freitag.

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Die Temperatur ist mild, die Sonne steht am wolkenfreien Himmel. Bestes Fahrradwetter, erst recht am offiziellen autofreien Tag. Zum ersten Mal nimmt auch Wuppertal an der internationalen Aktion teil. Also weg mit dem Autoschlüssel, los geht's zu Fuß zum Fahrradverleih in Utopiastadt.

Ein Team aus ehrenamtlichen Helfern verleiht am Mirker Bahnhofs täglich rund 60 Fahrräder — kostenlos. Jedes wurde gespendet, jedes von freiwilligen Helfern, den "Mirker Schrauba", fahrtüchtig gemacht. Der Fahrradverleih öffnet meist nachmittags. "Heute standen wir schon ab 5 Uhr bereit", sagt Mitarbeiter Franz Toll. Das frühe Aufstehen blieb allerdings eine Geste an die Wuppertaler. Bis 11 Uhr kam keiner, um den Alltag mit einem geliehenen Rad zu meistern. "Schade", findet Toll, der selbst bis zu 150 Kilometer jede Woche radelt: "Vielleicht das nächste Mal."

Dass auch im Bergischen der Alltag mit dem Fahrrad gemeistert werden kann, ist noch längst nicht bei der Masse angekommen. In kaum einer anderen Stadt setzen die Menschen so wenig auf das Rad wie in Wuppertal, das ergab vor einigen Jahren eine Statistik. "0,8 Prozent Alltagsradverkehr", sagt Klaus Lang als Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Wuppertal-Solingen. Die gute Nachricht: "Seit dieser Studie hat sich die Zahl bestimmt verdreifacht. Wir holen von hinten auf."

Rundschau-Redakteurin Nina Bossy radelte mit.

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Um das Rad als Fortbewegungsmittel weiter zu etablieren, brauche es laut Klaus Lang zwei Dinge: "Eine bessere Infrastruktur für Radler sowie ein Umdenken." Gerade Zweites soll durch den autofreien Tag gestärkt werden. Der ADFC informierte deshalb mit einem Infostand am "Park and Ride"-Parkplatz in Vohwinkel über Pendeln mit Rad.

Das Rad am Mirker Bahnhof ist schnell geliehen. Ein Formular muss unterschrieben, 20 Euro Kaution hinterlegt werden. Dann geht's auf die Nordbahntrasse, auf der auch Cornelia König unterwegs ist. Nicht der autofreie, sondern ein Urlaubstag hat sie aufs Rad gebracht. "Fahrradfahren ist für mich Freizeitspaß. Und das geht in Wuppertal immer besser."

Von Elberfeld nach Barmen ist schnell und leicht geradelt. Zehn Minuten auf gerader Strecke, die wunderbare Blicke auf Natur und Architektur bieten. Dann geht‘s zurück ins Tal, wo an den Kreuzungen sich Auto an Auto reiht, wo gehupt und geschimpft wird — und der Geruch nach Abgasen zwischen den Häusern hängt.

Freizeitradlerin Cornelia König.

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Aus dem Rathaus kommt gegen Mittag der Oberbürgermeister zu Fuß Richtung Schwebebahn. Er zieht einen Koffer, die Aktentasche klemmt unter dem Arm. Erst geht's nach Elberfeld, dann nach Berlin. Und trotz engem Zeitplan ist Andreas Mucke am autofreien Tag tatsächlich autofrei. Dass das kompliziert sein kann, erfuhr der OB im vergangenen Jahr schon an seinem ersten Arbeitstag. "Ich wollte mit der Schwebebahn zum Termin. Und mitten auf der Strecke musste sie wegen einer Störung anhalten." Trotzdem verzichte er gerne auf das Auto. "Im Zug kann ich lesen, in der Schwebebahn bin ich nah an den Menschen." Und die Nordbahntrasse dient dem OB zwischen engliegenden Terminen gerne als sportliche Herausforderung.

Die Trasse ist für manche Freizeitstrecke, für andere ist sie der Weg zu Arbeit.

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Der erste autofreie Tag in Wuppertal neigt sich dem Ende. Und obwohl über die Hauptverkehrsadern sich wie an jedem anderen Tag die Blechkarawanen schieben, ist Tobias M. Freitag zufrieden: "Für uns war das eine Ehrensache", sagt der Organisator und Mitglied der Interessengemeinschaft (IG) Fahrradstadt. "Wir haben den Menschen gezeigt, was möglich ist. Sie müssen es nur noch wahrnehmen."

Dass die Aktion tatsächlich zum Umdenken angeregt hat, hatte er direkt am frühen Morgen erlebt, als er kostenfreies Frühstück auf der Trasse verteilte. "Eine Frau erzählte mir, dass sie wegen der Aktion die Kinder mit dem Rad zur Schule gebracht hat und danach weiter zur Arbeit gefahren ist." Diese Wuppertalerin hat den autofreien Tag als Herausforderung empfunden — und ist ihn trotzdem zum ersten Mal angegangen.