Seilbahnpläne Wirklich alle Kosten offen nennen!
Wuppertal · Insgesamt 48 zufällig ausgewählte Wuppertaler haben Ende September vier Tage lang an einer Bürgerwerkstatt zum Thema Seilbahnpläne teilgenommen. Die Rundschau unterhielt sich mit vier von ihnen.
Als Ute Krupp (48), promovierte Chemikerin und beruflich als Nachhaltigkeitsmanagerin tätig, von der Seilbahnidee erfuhr, dachte sie: "Das wollen die doch nicht ernsthaft machen..." Etwas später, als die Einladung zur Bürgerwerkstatt in ihrem Briefkasten landete, wurde sie neugierig: Darauf, wie so etwas abläuft — und darauf, ob es möglich sein würde, mit einer vergleichsweise kleinen Gruppe eine Meinungsbildung hinzubekommen. Ihr Fazit: Es hat geklappt. Ute Krupp: "Es ist echt gut gelaufen, sogar wirklich beeindruckend. Mit vielseitigem Input an Experten-Informationen und der Möglichkeit, immer nachzufragen sowie die Bedeutung einzelner Aspekte zu gewichten, wurde die Meinung der Gruppe sehr gut deutlich."
Mehrheits- und Minderheitsansichten seien genau protokolliert worden, "nichts wurde glattgebügelt". Schnell sind, sagt Ute Krupp, Stärken und Schwächen der Seilbahn-Idee deutlich geworden. Etwa, dass zu einem so frühen Zeitpunkt noch zu wenig Handfestes über die Kosten gesagt werden kann. Ute Krupp: "Unsere Fragestellung war, ob das Seilbahnprojekt sinnvoll ist, und ob es den Menschen, die dort wohnen, zum Wohle der Stadt, zugemutet werden kann." Für sie überwogen die Pro-Argumente: "Die Projektidee sollte nicht im Keim erstickt werden, darum bin ich dafür, weiterzuplanen. Wenn auch noch vieles offen ist. Das kann aber nur durch Weiterplanung beantwortet werden. Etwa bei den unmittelbar betroffenen Anwohnern die Frage, wer wie stark betroffen ist." Ute Krupps Bürgerwerkstatt-Bilanz: "Ich würde sofort wieder teilnehmen. Und ich bin sicher, dass auch eine anders zusammengesetzte Gruppe zum gleichen Ergebnis gekommen wäre." Ihre Grundsatzeinstellung: "Wer sich nicht mit etwas intensiv auseinandersetzt, kommt nie zu Innovationen. Fünf neue Busse anzuschaffen, das ist nicht innovativ."
Auch der 23-jährige Maschinenbau-Student Christopher Püls und der 39-jährige Erdkundelehrer Sebastian Hopstein kannten das Seilbahn-Thema, standen ihm neutral und neugierig gegenüber. Christopher Püls als Student am Grifflenberg sogar mit quasi eigener "Betroffenheit". Die beiden Männer haben die Werkstatt-Stimmung konstruktiv erlebt: Sämtliche Themenaspekte seien klar und umfassend dagestellt worden, wenn auch, so Christopher Püls, das Ganze "am Anfang etwas zäh in Gang gekommen ist". Trotzdem: "Später lief es richtig rund, und ich hätte mir keinen einzigen Vortrag, so unterschiedlich sie auch waren, schenken wollen."
Sebastian Hopstein, der das jetzt live erlebte Werkstattverfahren auch in seinem Oberstufenunterricht anwenden wird, benennt schnell Problempunkte: "Es war für mich aufgrund der derzeitigen Kostenkalkulation zweifelhaft, dass es eine sofortige Wirtschaftlichkeit der Seilbahn geben wird. Aber die weiterführenden Effekte sind natürlich sehr wichtig. Sowie die Frage, wie man mit den Anwohnern umgeht." Hopstein und Püls nennen einen weiteren Aspekt: "Alle wollten gerne mehr Zahlen haben. Aber ohne die Gutachten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens erstellt würden, bekommt man die nicht, auch wenn dafür eventuell eine siebenstellige Summe investiert werden muss." Unter anderem deswegen haben Püls und Hopstein dafür votiert, die Planungen fortzusetzen.
Christopher Püls wurde im Lauf der Werkstatt auch nachdenklich: "Ich war anfangs stärker für die Seilbahn, als ich es heute bin. Beispielsweise hatte ich mir die Bahn viel kleiner vorgestellt. Die Idee insgesamt ist aber so gut, dass ich definitiv fürs Weiterplanen bin." Sebastian Hopstein hat für sich "ein paar mehr Seilbahn-Vorteile entdeckt", sieht sich aber immer noch (wie zu Beginn der Werkstatt) neutral. Lobbyismus oder ähnliches konnten Püls und Hopstein nirgendwo erkennen: Die beiden Seilbahn-Pro- und Contra-Vereine, die ebenfalls zu den Werkstattteilnehmern sprachen, seien "verständlicherweise sehr emotional" aufgetreten — und lieferten "beide sehr übermotivierte Zahlen". Klar ist für beide: "Wir sagen: Nochmals nachdenken und detailliert entscheiden."
Sebastian Hopstein hat die Werkstatt "den Glauben an das Funktionieren basisdemokratischer Formen zurückgegeben. Dass so eine bunt gemischte Gruppe abseits der politischen Elite sich über vier Tage so ernsthaft und engagiert mit diesem Thema auseinandersetzt, ist ein großes Argument gegen Politikverdrossenheit." Was die Stadtpolitik nun mit dem Bürgergutachten machen wird, darauf sind alle gespannt — "vor allem, weil wir Bürger", so Püls und Hopstein unisono, "vieles anders werten als Politiker das tun." Beispiel: "Wir wollen, dass alle, wirklich alle Kosten offen genannt werden."
Für die 36-jährige Biologin Michelle Keppel hat die Bürgerwerkstatt fast etwas Filmreifes: Das Thema Seilbahn kannte sie kaum, hatte auch keine Meinung dazu. Als sie aber davon hörte, dass ein intensives Bürgerbeteiligungsverfahren geplant ist, dachte sie: "Wie cool, da würde ich gern mitmachen." Und als dann tatsächlich die Einladung kam, konnte sie es kaum glauben: "Nicht etwa mein Mann, der eine klare Seilbahn-Meinung hat, sondern ich!" Die vier Tage am Stück ("da muss man schon Engagement und Offenheit mitbringen") hat sie von weit über dem Normal-Level liegender Informationsvermittlung geprägt erlebt. Zusammen mit sehr heterogen gemischten Menschen, die sich tatsächlich aufeinander eingelassen, sich akzeptiert und einander zugehört haben. "Ich war offen für beide Perspektiven", sagt Michelle Keppel. Die zahlreichen Fachvorträge seien nie zu lang und immer klar gewesen: "Ich habe nie etwas nicht verstanden. Außerdem konnte man ja immer intensiv nachfragen."
Und gab es Knackpunkte? "Ja, die Kostenfrage. Wenn das Projekt zu 90 Prozent gefördert wird, ist es machbar. Wenn nicht, dann muss man es sich gut überlegen." Außerdem die Anwohner: "Deren Position kann ich absolut nachvollziehen. Da ist allerdings viel Emotion im Spiel. Und wenn Emotionen mit Zahlen und vermeintlichen Fakten vermischt werden, damit komme ich als Wissenschaftlerin nicht so gut klar." Das Werkstattverfahren selbst hat Michelle Keppel stark faktenorientiert empfunden: "Man konnte sich auf alles einlassen und abwägen. Etwa, wie viele Menschen sind direkt an der geplanten Trasse betroffen, wie viele im Umfeld, und wie vielen würde eine Seilbahn nutzen, beispielsweise den vielen tausend Studenten." Dass weitergeplant werden sollte, ist für die Biologin klar: "Allein schon, um alle Zahlen, die man braucht, zu bekommen.
Um zu wissen, ob das Projekt eventuell doch zu teuer ist, und wie die Öko-Bilanz tatsächlich aussieht." Michelle Keppels Fazit: "Das Verfahren war vorbildlich offen, die Stimmung in den Gruppen oft kontrovers, aber immer von der Bereitschaft, einander zu akzeptieren, bestimmt. Mich haben die vier Tage in meiner Auffassung bestätigt, dass Bürgerbeteiligung absolut sinnvoll ist. Hier kann ich mitreden, und zwar nicht nur zu Hause, denn da bringt es nichts, sondern in der Öffentlichkeit und in einer besonderen Form von Kommunikation mit der Politik".