Auseinandersetzung nach Tod eines Neugeborenen "Wir lassen uns nicht kaufen"
Wuppertal · Die neugeborene Gwyn Martin aus Vohwinkel wurde durch Fehler von Ärzten nur wenige Stunden alt. Das Geschehen um den Notkaiserschnitt des Babys im Jahr 2011 ist jetzt strafrechtlich abgeschlossen.
Es handelt sich um fahrlässige Tötung. Der Fall ist das seltene Beispiel eines aufgeklärten sogenannten Kunstfehlers. Die Eltern Linda Martin und Jörg Schaumburg sagen: "Wir haben uns nicht abwimmeln lassen, weil wir wollen, dass das öffentlich wird."
Die extrem umfangreichen Ermittlungen geben der Kritik der Eltern an den Ärztinnen Recht. Jörg Schaumburg hatte von Anfang an über die Untersuchungen gesagt: "Die Ergebnisse wurden nach 35 Minuten festgestellt. Dennoch erfolgte der Notkaiserschnitt erst fast zwei Stunden später." Die hochschwangere Linda Martin (damals 26) hatte am Weihnachtstag einen Blasensprung erlitten. Sie war mit schweren Blutungen in die Frauenklinik des Bethesda-Krankenhauses gekommen.
Ihre bis dahin gesunde Tochter atmete blutiges Fruchtwasser ein. Sie erlitt einen schweren Sauerstoffmangel. Das wurde später festgestellt. Selbst das eingesetzte Notfallteam einer weiteren Klinik konnte das Baby nicht retten. Schaumburg sagt, sogar diese Helfer seien viel zu spät gerufen worden. Gwyn Martin war das einzige Kind des Paares. Die Klinikleitung hatte schon zu Beginn der Ermittlungen den Eltern öffentlich ihr Bedauern und Mitgefühl ausgesprochen.
Eine junge Ärztin ist zu 9.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Laut Jörg Schaumburg hatte sie schon einige Tage zuvor unerfahren und ungeschickt gewirkt. Bei dem Notfall soll sie einen müden Eindruck gemacht haben. Eine vorgesetzte Ärztin soll zu spät dazu gekommen sein. Ihr Verfahren wurde gegen 5.000 Euro Geldauflage ohne Urteil eingestellt. Diesen zweiten Betrag erhielt die Mutter. Auch die Klinik habe ihnen Geld geboten, sagen die Eltern. Sie hätten abgelehnt: "Wir lassen uns nicht kaufen." Die Mutter klagt nun auf Schmerzensgeld. Es soll noch ein öffentlicher Prozess stattfinden.
Den Eltern sind die Folgen zu milde: "Die Geldstrafe beträgt 90 Tagessätze. Damit ist die Ärztin nicht einmal vorbestraft. Die kann einfach weitermachen."
Die Eltern selbst haben über Jahre reihenweise medizinische Gutachten erduldet. Unter anderem ging es um die Frage, ob Gwyn Martin juristisch schon als Mensch mit eigenen Rechten anzusehen war. Jede Weihnachtszeit sei zur Qual geworden, sagt das Paar. Das war die Zeit, in der sie sich besonders auf ihr Kind gefreut hatten. Ein Foto des Mädchens, eingehüllt in Tücher, hängt im Wohnzimmer der Eltern. Bei der Aufnahme hat Gwyn Martin schon nicht mehr gelebt.
Jörg Schaumburg sagt: "Manchmal möchte ich am liebsten eine Axt nehmen. Aber dann würde ich anderen Menschen antun, was ich durchgemacht habe." "Wir haben etwas erreicht", fügt Linda Martin hinzu: "Wir haben durchgehalten." Und Vater Jörg Schaumburg fügt hinzu: "Alle sollten genau schauen, wo und wie ihre Kinder zur Welt gebracht werden. Kinder sind unser höchstes Gut auf Erden."