OB-Wahl 2015 in Wuppertal: Gunhild Böth (Linke) Unbequeme Weltverbesserin

Wuppertal · Ihre rote Brille gilt ebenso als Markenzeichen wie ihre klaren Worte und die kritische Haltung: Gunhild Böth kandidiert für die Linke für das Amt der Oberbürgermeisterin. Beim Gespräch im Opernhaus erzählt sie auch von ihrer Beziehung zu Pina Bausch.

Hier im Opernhaus hat Gunhild Böth die frühen Stücke von Pina Bausch gesehen. „Ich spürte, hier passiert etwas Großes“, erinnert sie sich.

Foto: Bettina Osswald

Erboste Zuschauer, Buh-Rufe und knallende Türen: Als Pina Bausch 1977 mit emotionaler Wucht in "Blaubart" gegen die übliche Zauberwelt des Ballett antanzte, saß im Dunkel des Opernhauses auch Gunhild Böth. Die damals 25 Jahre alte Studentin war seit Schülerzeiten Stammgast in Wuppertals Theater und Oper. "Verstanden habe ich diese ersten Bausch-Stücke damals nicht", sagt sie: "Aber ich habe genau gespürt, hier passiert gerade etwas Großes!'"

Rund 38 Jahre später haben wir uns zum Gespräch im Foyer des Opernhauses verabredet, das gerade noch etwas träge in der Sommerpause vor sich hin dümpelt. Dabei zeigt sich: Die Leidenschaft fürs Theater ist bei der OB-Kandidatin der Linken seither ungetrübt. "Theater", sagt die 63-Jährige, "muss immer gesellschaftskritisch sein. Wenn es keinen Anstoß mehr zum Diskurs bietet, hat es seine Berechtigung verwirkt." Und ja, natürlich brauche Wuppertal genauso ein kritisches Theater. Da sind sie, die klaren Worte, für die die Politikerin bekannt ist.

Und an diesem Punkt ist man schnell bei den Themen, die Gunhild Böth am Herzen liegen. Eine Gesellschaft formen und so gestalten, dass möglichst alle Menschen an ihr partizipieren können. Diese Haltung führte 1972 dazu, dass Böth als junge Studentin in die SPD eintrat, aus der sie fünf Jahre später ausgeschlossen wurde. Grund: Sie hatte gemeinsam mit Kommunisten eine Initiative gegen Berufsverbote ins Leben gerufen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie kurz vor dem Examen auch die Uni wechseln müssen. "Meinem Professor hatte es missfallen, dass in meinen Texten immer wieder Begriffe wie 'Profit' oder 'Mehrwert' auftauchten. Das reichte in jener Zeit, um als stramm linkslastig abgestempelt zu werden."

Doch diese negativen Erfahrungen führten nur dazu, dass die engagierte Frau ihre Meinung fortan noch deutlicher formuliert, sich den Mund nicht verbieten lässt. Ganz gleich, wo sie damit aneckt. Vielleicht auch das eine Prägung aus den frühen Wuppertaler Bausch-Jahren. Unbequem sein. Haltung zeigen. Durchhalten. Das schlägt sich auch in der Ausübung ihres Lehrer-Berufs nieder. Zu mündigen, kritischen Bürgern will Böth, selbst Mutter einer Tochter, ihre Schüler leiten. Ihnen zuhören, Dinge erklären anstatt vorzusetzen. Das habe sie mit großer Leidenschaft getan, sagt sie. Seit dem Sommer ist sie jetzt in Pension.

Zeit genug fürs Amt der Oberbürgermeisterin? Die Frau mit der markanten roten Brille lacht. "Meine Tochter hat gesagt, einen Vollzeitjob sei ich ja jetzt los. Aber doch, es ist schon entspannter jetzt." Politisch hat Böth seit Anfang der 1990er Jahre in der Linken (anfangs noch PDS) eine Heimat gefunden. Eine Verbindung, die in beide Richtungen funktioniert. "Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, das ist meine Partei", erklärt die 63-Jährige, die 2010 bis 2012 Vizepräsidentin des NRW-Landtages war. "Und man schätzt mich in der Partei auch für das, was ich so mache."

Ihre OB-Kandidatur sieht Gunhild Böth vor allem als Angebot für all die Wuppertaler, die etwas in der Stadt verändern wollen. Insbesondere für jene 13.000 Menschen, die beim Bürgerbegehren "Döpps 105" gezeigt hätten, dass sie diese Art von Stadtentwicklung nicht wollen. Böth will sie jedenfalls auch nicht. Sie ist in ihrem Element, redet über ihre Ziele: Die Große Kooperation aufbrechen. Die Stadt nicht den Investoren überlassen. Bürger so einbeziehen, dass sie Dinge wirklich mitentscheiden können. Einen Masterplan für die Stadt entwickeln. Inhabergeführte Unternehmen in die Stadt holen, die "gute Arbeit" bieten. Die Zukunft der Wuppertaler Bühnen sichern. Wenn die Politikerin über diese Dinge spricht, dann findet sie zwar deutliche Worte, wirkt dabei aber nie hart und verbissen, zeigt Humor. "Mein Mann sagt immer, ich habe einen unerschütterlichen Optimismus in die Kraft der Vernunft", lacht Böth, die bekennt, sie wolle die Welt einfach ein bisschen besser machen.

Eine Schwebebahn fährt am Opernhaus vorbei, die Kronleuchter im Foyer klirren leise. Böth muss los. Die Seilbahn-Gegner haben sie zu einem Treffen eingeladen. Ihre Aufgabe? "Zuhören und dafür sorgen, dass auch ihr Wille berücksichtigt wird."