Arbeitsmarkt im Städtedreieck „Fachkräftemangel strukturell deutlich verschärft“
Wuppertal · Im Dezember ist die Zahl der Arbeitslosen im bergischen Städtedreieck leicht gestiegen. Die Arbeitslosenquote blieb mit 8,3 Prozent auf dem Niveau des Vormonats. Die Agentur für Arbeit will dem Fachkräftemangel entgegensteuern.
„Diese geringe Bewegung im Vormonatsvergleich sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Jahr 2022 durch zwei gegenläufige Entwicklungen und eine zunehmend spürbare Strukturveränderung gekennzeichnet war. Mit Blick auf 2023 wird sich dieser Trend fortsetzen, sofern aus den gegenwärtigen Krisen keine disruptiven Entwicklungen resultieren", so Martin Klebe (Leiter der Agentur für Arbeit) zum Jahresverlauf 2022 und dem Ausblick auf 2023.
„Etwa bis Jahresmitte waren die arbeitsmarktlichen Folgen der Corona-Pandemie endgültig überwunden – die Arbeitslosenquote wieder auf Vorkrisenniveau. Der im Juli einsetzende erneute Anstieg der Arbeitslosigkeit ist den Folgen des Ukraine-Konflikts und der dadurch verursachten Fluchtbewegung zuzurechnen. Strukturell hat sich – bedingt auch durch ein weiteres deutliches Beschäftigungswachstum – der Fachkräftemangel deutlich verschärft“, heißt es.
Die Beschäftigung im Städtedreieck hat bis März 2022 mit über 232.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einen neuen Höchststand in diesem Jahrhundert erreicht. Dabei sei es allerdings zu „erheblichen Branchenverschiebungen“ gekommen: „Während vor allem das verarbeitende Gewerbe und das Gastgewerbe nennenswerte Beschäftigungsverluste verzeichnen, sind das Baugewerbe, Verkehrs- und Lagerwirtschaft, der öffentliche Dienst, das Erziehungs- und Unterrichtswesen sowie das Gesundheits- und Sozialwesen deutlich angewachsen.“
Mit dem Zuwachs an Beschäftigung habe sich der Mangel an Fachkräften weiter vergrößert: „In allen drei Städten fehlt es an Fachkräften im Pflege- und Medizinbereich, aber es gibt auch Lücken bei den Berufen der Informationstechnik sowie im Bau- und Ausbaugewerbe. Auch in anderen Branchen wie zum Beispiel im Handel, Verkehr und Lagerei, der Gastronomie, aber auch im Grundstücks- und Wohnungswesen fehlt es an qualifizierten Bewerbern.“
Die Wirtschaft steuere allerdings gegen den Fachkräftemangel an: „Ende 2021 wurden im Städtedreieck über 12.000 Auszubildende gezählt, was gegenüber dem vorpandemischen Jahr 2019 eine leichte Steigerung bedeutete. Allerdings wird dieser Zuwachs nicht ausreichen, um den demografisch bedingten Aderlass der kommenden Jahre auszugleichen.“
Einen Zuwachs verzeichnen auch die geförderten Weiterbildungen von Beschäftigten. So hatte die Agentur für Arbeit im Jahr 2019 lediglich 70 Förderungen von Berufsabschlüssen zählen können, in 2022 waren es immerhin schon 167 Beschäftigte, die neben ihrer Tätigkeit einen Berufsabschluss erworben haben: „Trotz der Steigerung bleibt hier viel Potenzial noch ungenutzt, zumal die Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten der Agentur für Arbeit unverändert attraktiv sind.“
Rein zahlenmäßig trage die Qualifizierung Arbeitsloser in deutlich stärkerem Maße zur Verringerung der Fachkräftelücke bei: „Seit 2019 hat allein die Agentur für Arbeit trotz Einschränkungen während der Pandemie über 1.100 Arbeitslosen eine Maßnahme ermöglicht, die zu einem regulären Berufsabschluss führt. Dazu kommen noch über 3000 Fortbildungen in vielen verschiedenen Fachbereichen.“
Der Arbeitsmarkt 2023 werde sich nicht einheitlich entwickeln. Die Jobcenter wollen „auch mit Hilfe der nach und nach einsetzenden Regelungen des Bürgergeldes ihre vielfältigen Integrationsbemühungen fortsetzen – seien es Aktivitäten für Langzeitarbeitslose mit unterschiedlichen Einschränkungen oder solche zur Integration geflüchteter Menschen.“ Auch wenn die Zahl der Insolvenzen in den vergangenen Jahren gering geblieben sei, so belaste die Insolvenz eines Automobilzulieferers in Solingen den Arbeitsmarkt im Städtedreieck. Es stehe zu befürchten, dass der Strukturwandel insbesondere im Automotive-Bereich weitere Arbeitsplatzverluste mit sich bringe.
Auf der anderen Seite werde die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften nicht nur hoch bleiben, sie werde weiter zunehmen: „Dies wiederum wird die Unternehmen zunehmend fordern, mehr Kreativität und Initiative zu entwickeln. Rekrutierungsaktivitäten werden für sich genommen immer weniger ausreichen, den eigenen Fachkräftebedarf zu decken. Attraktive Ausbildungsbedingungen und Weiterbildungsangebote für die bereits Beschäftigten, maßgeschneiderte Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind Möglichkeiten der Gewinnung, aber auch des ,Festhaltens‘ von Fachkräften. Die Pläne der Bundesregierung, die Regeln für die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland zu erleichtern, können einen weiteren Beitrag leisten.“
Die Agentur für Arbeit setze weiterhin auf die Förderung der beruflichen Weiterbildung und werde auch in 2023 den Fokus auf diesen Bereich legen. Gemeinsam mit den Arbeitsmarktpartnern in der Region sollen entsprechende Beratungsangebote ausgebaut werden: „Ab Mitte kommenden Jahres werden die Förderbedingungen für Arbeitslose bei Teilnahme an einer Umschulung noch einmal deutlich attraktiver. Damit verbindet sich die Erwartung, dass mehr Frauen und Männer als bisher auch nachträglich noch einen Berufsabschluss erwerben.“