Prozess in Wuppertal „Ich wollte nur noch meine Ruhe“

Wuppertal · Ein Vergewaltigungs-Prozess vor dem Amtsgericht beleuchtete am Donnerstag vermeintliche sexuelle Übergriffe hinter den Kulissen einer Wuppertaler Versicherungs-Filiale. Und wirft noch weitere Fragen auf.

Das Wuppertaler Amtsgericht.

Foto: Dennis Polz

Auf der Anklagebank: der ehemalige Hausmeister in des Unternehmens. Das Opfer: die Mitarbeiterin einer Reinigungskolonne, zum vermeintlichen Tatzeitpunkt im November 2017 beauftragt mit der Reinigung von vier Etagen der Filiale. Der Tatvorwurf: Der Mann soll die Frau erst mit Sekt in den Keller gelockt und sie dann dort vergewaltigt haben. Und nicht nur das: Glaubt man den geladenen Zeugen, so soll es bereits zuvor sexuelle Belästigungen am laufenden Band gegeben haben.

Mal hier an den Hintern gefasst, mal dort die Brust berührt – offenbar hatten auch andere Mitarbeiterinnen der Reinigungskolonne immer wieder die aufdringlichen Grenzüberschreitungen des Angeklagten zu ertragen. Am Ende auch deren Chefin, die trotz sich häufender Klagen zuvor immer abgewiegelt haben soll, weil sie nicht nur den Auftrag habe behalten wollen, sondern gerne auch noch in weiteren Etagen geputzt hätte. Erst als ihr der Hausmeister im Aufzug sein Knie zwischen die Beine und seine Zunge in den Mund geschoben hatte, wurde die Chefin der Reinigungskolonne aktiv. Sie wendte sich an den Geschäftsführer der Versicherung – und der wiederum dürfte sich bald schon gefühlt haben wie in Sodom und Gomorrha. Denn nicht nur der Hausmeister scheint einigen im Haus tätigen Frauen anzügliche Angebote gemacht zu haben, sondern auch dessen Ehefrau. Von Zeugen war zu hören, dass es Aufforderungen der beiden zum „flotten Dreier“ gegeben haben soll.

Besonders pikant: Die Frau des nun angeklagten Hausmeisters war im selben Unternehmen beschäftigt, als Assistentin des Geschäftsführers. Der wurde nun ebenfalls als Zeuge gehört, und das Unwohlsein inmitten dieses aus dem Privaten ins Dienstliche überschwappenden Lotterlebens war ihm deutlich anzumerken. Man habe damals schnell reagiert und dem Angeklagten einen Aufhebungsvertrag vorgelegt, den der sofort unterschrieben habe. Auch dessen Frau, also seine Assistentin, sei aus dem Unternehmen ausgeschieden. So einvernehmlich scheint es später doch nicht gelaufen zu sein: Es folgten mehrere Prozesse vor dem Arbeitsgericht.

Der Anwalt des nun wegen Vergewaltigung angeklagten Mannes soll damals sehr forsch vorgegangen sein und die Versicherung als ehemaligen Arbeitgeber mit juristischer Korrespondenz überzogen haben. Auch das vermeintliche Vergewaltigungsopfer hatte damals Post bekommen: Die Frau sollte 37.000 Euro zahlen, wenn sie weiterhin behaupten würde, dass der Hausmeister sie sexuell belästigt habe.

Der hatte derweil dem Richter beim Arbeitsgericht erzählt, dass er eine Affäre mit der Frau gehabt habe und es dabei im Keller der Filiale zu Sex gekommen sei. Woraufhin die Betroffene dem Geschäftsführer der Versicherung beinahe ein Jahr nach dem Vorfall mitteilte, dass es sich dabei um eine Vergewaltigung gehandelt haben soll. Der wiederum schaltete die Justiziarin des Unternehmens ein, die dann darauf gedrängt haben soll, dass die Frau den Angeklagten wegen besagter Vergewaltigung anzeigen solle. Die Betroffene ließ nun das Gericht wissen: „Ich wollte das eigentlich nicht. Ich wollte nur noch meine Ruhe.“

Es ist eine verworrene Gemengelage, bei der es nicht nur um sexuelle Grenzüberschreitungen geht, sondern auch darum, was Frauen inmitten prekärer Arbeitsverhältnisse und aus finanzieller Not heraus erdulden. Denn hier sollen anzügliche Übergriffigkeiten vom Angeklagten auch erzwungen worden sein durch unberechtigte Vorwürfe, dass man nicht richtig geputzt habe.

Auf welch perfide Weise eine „Machtposition“ ausgenutzt und mit den Ängsten der Betroffenen gespielt worden sein soll, die noch nicht mal von ihrer eigenen Chefin geschützt wurden, weil die unbedingt den Putzauftrag behalten wollte: Auch das wird in diesem Prozess zum Thema, in dem es vordergründig um eine Vergewaltigung geht.

Der Angeklagte bestreitet den Tatvorwurf weiterhin – der Sex sei inmitten einer Affäre einvernehmlich gewesen. Aus Sicht seiner Verteidigerin habe das vermeintliche Opfer zu einer Schutzbehauptung gegriffen, um den eigenen Ehemann nicht zu verärgern. Die andauernden Übergriffie gegenüber dem vermeintlichen Opfer und anderen Frauen räumt der 50-Jährige hingegen ein. Wie die Sache nun juristisch zu bewerten ist, will das Gericht in einer weiteren Sitzung am 2. September verkünden.