Pflege 2018 — Entwicklungen und Handlungsfelder

Die Gesellschaft altert, die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt ständig zu. Die Fakten sind bekannt, ebenso die Prognosen hinsichtlich des Bedarfs an Pflegekräften. Doch die Pflegebranche braucht nach wie vor dringend Unterstützung, um den Anforderungen der Zukunft begegnen zu können.

Nach wie vor gibt es in der Pflegebranche viel Handlungsbedarf, um aktuellen wie zukünftigen Herausforderungen begegnen zu können.

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Die letzten großen Veränderungen in der Pflegebranche brachte die neue Gesetzgebung zur Bestimmung der Pflegebedürftigkeit mit sich, mit der zugleich ein neues System zur Einstufung von Patienten eingeführt wurde. Zusätzlich bedeutete die Umstellung der früheren Pflegestufen auf die jetzigen Pflegegrade — neben der Möglichkeit, die Bedürfnisse einzelner Personen in verschiedener Hinsicht differenzierter erfassen zu können — ein Anheben der Pflegesachleistungen.

Da diese Reformen in ihrem Umfang sehr weitreichend waren, ist in diesem Bereich vorerst mit keinen weiteren Veränderungen für die Versicherten zu rechnen. Weitere Erhöhungen sind nicht geplant, das neue System gerade ein Jahr in Kraft.

Anders sieht es hingegen auf der anderen Seite aus, denn die Beschäftigten der Pflegebranche erwarten nicht nur Veränderungen, sie fordern sie regelrecht. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie der "Care Klima-Index", den das Marktforschungsinstitut Psyma in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Pflegetag zusammengetragen hat, einmal mehr aufzeigt. Die Ergebnisse können kaum überraschen, denn sie stellen in erster Linie Missstände heraus, die seit langem bekannt sind:

  1. So beklagen 91 Prozent der Befragten, bei denen es sich durch die Bank um professionelle Pflegende handelt, den geringen Stellenwert ihrer Arbeit in der Politik.
  2. Weiterhin das größte Problem stellt die unzureichende Personalausstattung in Pflegeheimen, Pflegediensten und Krankenhäusern dar. Dieser Meinung sind 80 Prozent der Befragten. Eine Einschätzung, die auch von einem Großteil der Ärzte (72 Prozent), die mit Pflegenden zusammenarbeiten, geteilt wird.
  3. Fast zwei Drittel der Pflegenden (59 Prozent) können außerdem auch einem Jahr nach Inkrafttreten der drei neuen Pflegestärkungsgesetze nicht erkennen, dass diese ihre alltägliche Arbeit verbessert hätten.
  4. Zu guter Letzt fehlt vielen auch die gesellschaftliche Anerkennung, so dass sich mehr als die Hälfte der Befragten in einem Vergleich mit anderen Berufsgruppen schlechter einschätzen würden.

Besonders problematisch an der ohnehin angespannten Situation: Die Meinungen über den Schweregrad der Probleme gehen durchaus auseinander. Während beispielsweise die Personalsituation von den Pflegenden selbst sowie involvierten Ärzten als mangelhaft beurteilt wird, vertreten die Kostenträger, also etwa die Krankenkassen, die Ansicht, die Personaldecke würde den Anforderungen wenigstens teilweise gerecht.

Diese Ansicht steht deutlich im Gegensatz zu der von verschiedenen Seiten geforderten Verbesserung der Personalsituation. Die Überlastung der vorhandenen Pflegekräfte, so heißt es etwa von Seiten des Pflegerats, könne nur dadurch gemindert werden, wenn mehr neues Personal eingestellt würde. Denn, so die nachvollziehbare Argumentation, durch die hohe Arbeitsbelastung komme es folgerichtig zu ebenso hohen Ausfallzeiten — ein Teufelskreis, aus dem es mit den derzeit zur Verfügung stehenden Kräften keinen Ausweg gibt.

Unter diesen Voraussetzungen muss es daher umso mehr freuen, dass die Bildungsakademie Mettmann auch in diesem Jahr wieder für Verstärkung in Reihen der Pflegekräfte sorgt: Insgesamt 66 Auszubildende können sich nicht nur über den erfolgreichen Abschluss ihrer beruflichen Qualifikation, sondern zugleich über den sofortigen Start ins Berufsleben freuen. Ebenso dürften sich die verschiedenen Einrichtungen und Dienste aus dem Bereich der Alten- und Behindertenhilfe in den verschiedenen beteiligten NRW-Städten — darunter der Kreis Mettmann, aber auch Düsseldorf, Essen, Solingen, Remscheid und nicht zuletzt Wuppertal — freuen.

Trotz des hohen Personalbedarfs ist dieser weitestgehend kaum gedeckt — die Folge sind Überlastungen und weitere personelle Engpässe.

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Insgesamt bleibt die Situation aber angespannt und klar ist auch, dass eine Verbesserung nur mit Hilfe umfangreicher Maßnahmen erreicht werden kann. Es stellt sich in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, wer für diese Maßnahmen verantwortlich sein kann und will — und ob sie überhaupt in dem Rahmen möglich sind, der erforderlich für eine langfristige Entspannung wäre. Einen guten Anfang machen laut Deutschem Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) in Köln die bisherigen Ansätze, die aus den Sondierungspapieren von CDU, CSU und SPD zu entnehmen sind.

Begrüßt werden dabei vor allen Dingen die von den potenziellen Koalitionsparteien besprochenen Untergrenzen sowie die Bemessung für das Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Wichtige Punkte sind allerdings ebenso die Vergütungsentwicklung und die Möglichkeiten zur Stärkung der Angehörigenpflege. Besonders die Verdienstmöglichkeiten sind seit jeher ein kritischer Punkt in der Pflegebranche, denn gemessen an den tagtäglichen Herausforderungen und Belastungen fallen die Löhne für Pflegepersonal vergleichsweise gering aus. An dieser Stelle für eine Verbesserung zu sorgen, wäre eine der dringend erforderlichen Maßnahmen, mit denen sich das Berufsfeld auch finanziell attraktiver gestalten ließe.

Eine wirklich spürbare Verbesserung können aber nur dadurch geschafft werden, wenn großflächige Programme für mehr Stellen in Angriff genommen würden. Wie drastisch die zahlenmäßige Entwicklung bereits ist, rechnete das DIP unlängst vor und zeigte damit große Lücken in der Personalausstattung von Pflegeeinrichtungen im ganzen Land auf. Das Ergebnis, abgesehen von der neuerlichen Erkenntnis des dringenden Handlungsbedarfs: Ohne eine grundlegende Reform des bestehenden Pflegesystems wird weder den aktuellen noch den zukünftigen Herausforderungen beizukommen sein.

Dass die Politik längst nicht immer das geeignete Mittel sein muss, um für die gewünschten Eingriffe zu sorgen, lässt sich an den bisherigen Erfahrungen mit dem neuen Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung ablesen. Der Hintergrund ist zum einen der in Zukunft weiter steigende Bedarf an Heil- und Hilfsmitteln, mit denen die Menschen ihren Alltag selbstbestimmt meistern können. Gemeint sind damit zum Beispiel Inkontinenzhilfen, Prothesen, Rollstühle, Hörgeräte und ähnliches.

Mit dem Gesetz soll bereits seit dem vergangenen April gleichermaßen dafür gesorgt werden, dass Versicherte die bestmögliche Hilfe erhalten. In der Theorie heißt das:

Eine Stärkung der Angehörigenpflege würde gleichzeitig Entlastungen für die Pflegekräfte bedeuten.

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  1. Durch eine aktualisiertes, und ständig aktualisierbares Hilfsmittelverzeichnis sollen die Versicherten zum einen von mehr Transparenz profitieren.
  2. Die Krankenkassen sind außerdem durch die neue Gesetzeslage dazu verpflichtet, neben dem Preis auch die qualitativen Anforderungen an die benötigten Hilfsmittel zu berücksichtigen — und zwar gleichwertig.

Genau hier liegt in der praktischen Umsetzung allerdings das Problem. Denn das Gesetz enthält außerdem Regelungen, die den Wettbewerb unter den Anbietern von Hilfsmitteln antreiben sollen. Der Gedanke dabei ist, dass die Versicherten auf diese Weise die besten Hilfsmittel zum besten Preis erhalten, während die Krankenkassen selbst wiederum Kosten einsparen können.

Was zumindest für die Versicherungen wie die Versicherten nach einer Win-Win-Situation aussieht, entpuppt sich gerade in mehreren Fällen jedoch als rechtlich strittig: Gleich drei Krankenkassen mit Sitz in Wuppertal stehen daher gerade in der Kritik und müssen sich gegenüber dem Bonner Bundesversicherungsamt erklären, wie die Lippische Landeszeitung berichtet. Bemängelt wird nicht allein die Tatsache, dass für die Versorgung mit den betreffenden Hilfsmitteln eine öffentliche Ausschreibung stattgefunden hat — was zum Beispiel bei individuell anzupassenden Hilfsmitteln nicht vorgesehen ist.

Es geht vor allem um die Frage, ob die Qualität in ausreichendem Maße berücksichtigt wurde, wie es ja von Gesetzes wegen verlangt ist, oder ob vorrangig der Preis die endgültige Entscheidung beeinflusst hat. Das wäre im Einzelfall unzulässig und ärgerlich, wächst sich aber im größeren Rahmen zu einem wirklichen Problem aus: Die Ausschreibungen führten dazu, dass mancher Anbieter seine Produkte sogar unter dem Einkaufspreis anbietet. Eine Praxis, die sich kleinere Unternehmen nicht erlauben können, mit der größere Konzerne ihre Marktstellung aber nicht nur etablieren, sondern sogar erweitern können.

Hilfsmittel wie Rollatoren sollen Versicherten ein eigenständiges Leben ermöglichen, doch die Versorgung gestaltet sich in manchen Fällen als schwierig.

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Auf der anderen Seite ergeben sich mit diesem System aber auch nicht unerhebliche Schwierigkeiten für die Versicherten, wenn diese beispielsweise aufgrund der Weigerung ihrer Krankenkasse, für ein Hilfsmittel zu zahlen oder wegen weiter Anlieferwege auf das warten müssen, was sie eigentlich dringend bräuchten. Erschwerend kommt hinzu, dass das vom Gesetz vorgesehene Hilfsmittelverzeichnis in dieser Hinsicht keine Hilfe ist — es gibt zu Preisen und Qualitätsstandards nämlich keine Auskunft.