Kampf gegen Krankheit und Berufsgenossenschaft Angst vor dem Erstickungstod

Wuppertal · Der Wuppertaler Klaus Harhues leidet an Asbestose. Er kämpft um mehr Aufmerksamkeit für die schwere Krankheit - und gegen die Berufsgenossenschaft, die seine geminderte Erwerbsfähigkeit nur zu 50 Prozent anerkennt.

Klaus Harhues (80) in seiner Wichlinghauser Wohnung.

Foto: Simone Bahrmann

Wenn Klaus Harhues, spricht, tut er das mit rasselnder Stimme, immer wieder unterbrochen von Hustenanfällen. Symptome der Asbestose, die den mittlerweile 80-Jährigen seit 1997 quält. "Es fing mit Luftnot an, die dann immer größer wurde", erinnert er sich an den Ausbruch der Krankheit, die er auf seinen Beruf in den 60er Jahren zurückführt: "Damals habe ich in einer Radevormwalder Firma fast vier Jahre lang asbesthaltige Bremsbeläge gebohrt." Den Staub atmete er ungeschützt ein. 1997 - mehr als 30 Jahre später - spürte er erstmals die Folgen, die Diagnose stand in seinem Fall relativ schnell fest.

Das ist wegen der langen Zeiträume zwischen Auslösung und Ausbruch der Asbestose eher ungewöhnlich, wissen die Experten am Zentrum für asbestbedingte Lungen- und Rippenfell-Erkrankungen in der Wuppertaler Helios-Klinik. Erst voriges Jahr wurde dieser bundesweit einmalige Anlaufpunkt in einem komplizierten Spezialgebiet gegründet.

"Gesundheitliche Folgen stellen sich meist erst nach 20 bis 40 Jahren ein. Den Betroffenen fällt es deshalb schwer, einen Zusammenhang zwischen der vorliegenden Erkrankung und dem Kontakt zu Asbest herzustellen", erklärt Dr. Servet Bölükbas, Chefarzt der Helios-Klinik für Thoraxchirurgie. Umso wichtiger sei ein exakter Nachweis, der über die Analyse von Gewebeproben aus Lungen- und Rippenfellgewebe erbracht werden kann. Es gibt allerdings eine hohe Dunkelziffer, weil die Symptome denen anderer Krankheiten ähneln. Und: "Viele wissen gar nicht, dass sie mit Asbest zu tun gehabt haben", so Dr. Bölükbas.

Asbest ist eine mineralische Naturfaser, die bis in die 80er Jahre hinein vor allem im Bau- und Automobilbereich verwendet und bereits seit den 70er Jahren als krebserregend eingestuft wurde. Die Asbestfasern setzen sich, wenn sie eingeatmet werden, im Lungengewebe fest und können dort aufgrund ihrer Länge nicht wie andere Schadstoffe eingekapselt werden. Die Fasern wandern durch das Lungengewebe, bis sie schließlich das Rippenfell erreichen und sich dort ansiedeln. Hier entfalten sie ihre verheerende Wirkung.

Auch bei Klaus Harhues, der heute nur noch im Bett liegen kann und auf Geräte zur Beatmungserleichterung angewiesen ist. "Nach ein paar Metern gehen tut die Lunge weh und ich muss mich setzen", schildert er seinen Zustand. 16 Mal musste er allein in den vergangenen drei Jahren wegen Erstickungsanfällen ins Krankenhaus. Und seine Stimme zittert, wenn er sagt: "Ich habe Angst vor dem Erstickungstod."

Ein Rest Kampfgeist ist ihm aber noch geblieben - für die gerichtliche Auseinandersetzung mit der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie. Die erkennt eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit und die daraus resultierenden Berufsrentenansprüche nur zu 50 Prozent an. Mit einer Klage vor dem Sozialgericht in Düsseldorf scheiterte er 2016. Harhues legte Berufung ein - er beharrt auf einer hundertprozentigen Minderung der Erwerbsfähigkeit. Argument: "Schlimmer als es mir geht, kann es doch nicht werden. Das sagt auch mein Anwalt." Die Berufung wird demnächst vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen verhandelt.

Unter Verweis auf das laufende Verfahren und den Sozialdatenschutz wollte sich die Berufsgenossenschaft gegenüber der Rundschau zum Fall Harhues nicht äußern. Kleine Genugtuung für den 80-Jährigen: Sogar das Fernsehen interessiert sich jetzt für seine Leidensgeschichte: Am Dienstag beschäftigt sich das ZDF in der Sendung "Volle Kanne" mit Klaus Harhues und dem Thema Asbestose. Der Dreh in Harhues' Wichlinghauser Wohnung fand im Dezember statt. Wohl gerade noch rechtzeitig: "Heute hätte ich die Kraft nicht mehr ..."