"National Express" legt Fehlstart hin
Wuppertal · Zugausfälle, Verspätungen, unzureichende bis gar keine Informationen, mangelndes Platzangebot — seit der Übernahme der Linien RE 7 und RB 48 durch den "National Express" im Dezember hagelt es Kritik.
Die Begründungen des in Köln ansässigen Eisenbahnverkehrsunternehmens lesen sich fast wie eine Bankrotterklärung.
Einer, der täglich auf der Strecke der Linie RE 7 zwischen Wuppertal und Köln pendelt, ist Jens Glumm. 220 Euro zahlt er für sein Monatsticket, das ihn theoretisch berechtigt, mit dem Zug zur angekündigten Zeit in angemessener Weise zum gewünschten Ort zu kommen. Praktisch sieht das dann etwa so aus: "Der um bereits 20 Minuten verspätete und verkürzte RE 7 um 8.30 Uhr ist in Solingen und Opladen bereits so voll, dass viele Passagiere gar nicht mehr einsteigen können", beschreibt Glumm die Situation am 21. Januar. Ein Kollege von ihm, der direkt an der Tür stand und daher am Bahnhof aussteigen musste, um andere Passagiere aussteigen zu lassen, kam anschließend selbst nicht mehr in den Zug. Der war nämlich zu voll und fuhr ohne ihn los. Das sei laut Glumm keine Ausnahme.
Der Wuppertaler, der in der Geschäftsreisen-Branche arbeitet, erzählt von Verbindungen, die zu Stoßzeiten ganz ausfallen, Verspätungen von bis zu 40 Minuten und verkürzten Zügen. "Menschen prügeln sich förmlich um freie Sitzplätze, es wird geschubst, beleidigt und man steht wie in einem Viehtransport in den Gängen", beschreibt der Pendler die Zustände.
Mit den Vorwürfen konfrontiert, gibt Daniel Prüfer, Sprecher von "National Express", zu: "Zum Betriebsstart kam es zu einer Vielzahl von verschiedenen Störungen, die wir in diesem Ausmaß leider nicht vorhersehen konnten." So hätten Prozesse, die im Vorlaufbetrieb funktioniert haben, sich im Echtbetrieb als "nicht ausreichend stabil" erwiesen. Dass immer wieder Züge ganz ausfallen, habe den Grund, "dass es während der Fahrten oder beim Aufrüsten (also beim Starten der Systeme) zu technischen Problemen kommt, die ein Weiterfahren nicht möglich machen." Wieso dies im Testbetrieb nicht auffiel, erklärt er nicht.
Geradezu entwaffnend ehrlich klingt die Begründung der zahlreichen Verspätungen. Diese seien auch auf die "Unerfahrenheit der Triebfahrzeugführer" zurückzuführen. Und schließlich müsse man wissen, dass Störungen wie "Vandalismus, Personenunfälle, Bombenentschärfung, Stromabschaltung am Hauptbahnhof Münster" zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt haben. Und darauf habe man schließlich keinen Einfluss.
Von bestechender Logik ist folgende Erklärung: "Kapazitätsminderungen sind auf fehlende Fahrzeugverfügbarkeit zurück zu führen." Viele Fahrzeuge hätten, so Prüfer, ganz menschliche Probleme — nämlich "morgendliche Startschwierigkeiten". Die Ursachen dafür seien aber noch nicht bekannt. Die beruhigende Nachricht: "Wir sind allerdings dabei, diese zu identifizieren, um sie im Anschluss zu beheben."
Zudem seien die Attacken von Sprayern Schuld daran, dass weniger Züge beziehungsweise weniger Waggons eingesetzt würden. "Um das Erfolgserlebnis der Sprayer zu schmälern, ist es notwendig die Schäden möglichst innerhalb von wenigen Stunden zu entfernen. (...) Die meisten Sprayer verlieren erfahrungsgemäß hingegen die Lust, wenn ihr 'Kunstwerk' schnell wieder verschwindet und suchen sich neue Flächen, an denen ihr Werk länger zu sehen ist", weiß der Unternehmenssprecher. Und das hat offenbar Vorrang vor der zuverlässigen Personenbeförderung...
Die schwurbelige Analyse, warum es bisher nicht gelingt, Fahrgäste im Internet über Zugausfälle und Verspätungen zu informieren, ist indes kaum übersetzbar.
Die vollständige Antwort des Unternehmens:
"Zum Betriebsstart kam es zu einer Vielzahl von verschiedenen Störungen, die wir in diesem Ausmaß leider nicht vorhersehen konnten. Die internen- und externen Prozesse die im Vorlaufbetrieb funktioniert haben, zeigen sich im Echtbetrieb als nicht ganz ausreichend stabil. Leider kommt es in diesem Rahmen auch dazu, dass Fahrten kurzfristig ausfallen. Dies hat meistens den Grund, dass es während der Fahrten oder beim Aufrüsten (also beim "Starten der Systeme") zu technischen Problemen kommt, die ein weiter fahren nicht möglich machen.
Ein Ziel muss sein, dass die Fahrgäste zeitnah über Verspätungen und Ausfälle informiert werden. Die Internetanzeigen werden über ein kompliziertes System gesteuert. Dabei zieht die APP (Rail Navigator und bahn.de) die Daten aus dem Reisenden Informations-System (RIS) von DB Vertrieb. Dazu werden Verspätungsdaten von DB Netz an DB Vertrieb durchgeleitet. Die Verspätungsdaten stellen einen Abgleich von Soll- und Ist-Daten dar. Für die Soll-Daten müssen die aktuellen Fahrplandaten dem Europäischen Fahrplan Zentrum (EFZ) übermittelt werden. Sobald ein Fahrzeug von National Express den nächsten Kontrollpunkt erreicht, wird die aktuelle Verspätung ermittelt. Dieses Verfahren funktioniert jedoch erst, sobald der Zug fährt - Prognosen können nicht eingegeben werden. Zum Start kam es bei den im Internet angezeigten Daten zu Fehlern, die immer noch nicht vollends ausgemerzt sind. Die Fehler sind bekannt, so dass die Experten von National Express und DB an der Behebung arbeiten. National Express arbeitet dennoch im Hintergrund an der alternativ-Möglichkeit die Verspätungsdaten über die VRR IDS einzuspielen. Für die Auskünfte und die Ansagen am Bahnsteig ist DB Station und Service zuständig. Die Verspätungsdaten von National Express werden vom RIS in das IRIS von DB Station und Service weitergeleitet und DB Station und Service überträgt diese automatisch auf die Anzeigen/Ansagen. Über die Web-Schnittstelle IRIS-NE werden Verspätungsgründe direkt von unserer BLZ eingegeben. Leider gibt es hierbei teilweise noch Probleme bei den Schnittstellen, so dass dies nicht reibungslos funktioniert. National Express kennt das Problem und arbeitet intensiv an einer Lösung.
Die Verspätungen haben zahlreiche Gründe. Neben den Startschwierigkeiten, wie beispielsweise Kinderkrankheiten an den Fahrzeugen sowie Unerfahrenheit bei einigen Triebfahrzeugführern, kam es gerade in den ersten Wochen zu zahlreichen Problemen, auf die National Express als Eisenbahnverkehrsunternehmen keinen Einfluss hat. Abgesehen von Störungen an den neuen Fahrzeugen, die trotz eingesetzter Ersatzzüge zu Kapazitätsminderungen und Ausfällen führen, haben Störungen wie Vandalismus, Personenunfälle, Bombenentschärfung, Stromabschaltung am Hbf Münster etc. seit Betriebsstart zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt. Die Verspätungen, die unser EVU verursacht hat, sind in den letzten Wochen zurückgegangen. An den anderen Verspätungsgründen wird zusammen mit den Vertragspartnern gearbeitet.
Kapazitätsminderungen sind auf fehlende Fahrzeugverfügbarkeit bzw. auf eine kurzfristig aufgetretene Störung zurück zu führen. Damit die Fahrt bedient werden kann, entscheidet die Betriebsleitstelle kurzfristig, dass der erste Umlauf mit verminderte Kapazität startet. Diese wird je nach Fahrzeugverfügbarkeit im Laufe des Tages wieder in den Soll-Zustand gebracht.
Die Zahl der aus technischen Gründen längerfristig abgestellten Fahrzeuge hat sich bereits erheblich reduziert. Die technische Verfügbarkeit der Fahrzeuge für den Betrieb ist deutlich besser geworden und wird sich bis spätestens Ende Januar dauerhaft auf das geforderte Maß stabilisiert haben. Zurzeit sind immer wieder einzelne Fahrzeuge von morgendlichen Startschwierigkeiten betroffen. Die Ursachen dafür sind noch nicht bekannt. Wir sind allerdings dabei, diese zu identifizieren, um sie im Anschluss zu beheben.
In den letzten Tagen sind die Fahrzeuge von National Express vermehrt das Ziel von Sprayern gewesen. Die Entfernung von Graffiti erfordert Erfahrung und Fachwissen. Aufwand, Umweltbelastung und Kosten sind enorm. Die Reinigung der Züge ist nur in speziell ausgestatteten Werkstätten unter Einhaltung von strengen Arbeits- und Umweltvorschriften möglich. Am gestrigen Tag und heute konnte, nachdem die Temperaturen über dem Gefrierpunkt lagen, eine Vielzahl der Graffitis kurzfristig von unseren Fahrzeugen entfernt werden. Dadurch kam es jedoch zu Verspätungen und zur Reduzierung des Sitzplatzangebotes. Um das Erfolgserlebnis der Sprayer zu schmälern, ist es notwendig die Schäden möglichst innerhalb von wenigen Stunden zu entfernen. Zudem befeuert eine Fläche mit Graffiti immer auch den Wettbewerb unter den Sprayern, so dass im Lauf der Zeit immer mehr Graffitis dieselbe Fläche bedecken. Die meisten Sprayer verlieren erfahrungsgemäß hingegen die Lust, wenn ihr "Kunstwerk" schnell wieder verschwindet und suchen sich neue Flächen, an denen ihr Werk länger zu sehen ist.
National Express wird parallel dazu weitere Maßnahmen in Absprache mit den Ordnungsbehörden ergreifen um präventiv gegen die Sprayer vorzugehen."