Nachruf auf Uwe Dresen „Er fehlt mir an jeder Ecke“

Wuppertal · Ein Nachruf des Wuppertaler Musikexperten Peter Bergener auf den Kult-Wirt Uwe Dresen, der viele Jahre die „Marlene“ an der Elberfelder Hochstraße betrieb und am Mittwoch (10. April 2024) gestorben ist.

Uwe Dresen vor einem Lena-Plakat.

Foto: Bergener

Uwe Dresen, der bekannte Wuppertaler Gastronom und Inhaber der Schankwirtschaft „Marlene“, ist verstorben. Für mich ist aber mit ihm nicht nur ein Wuppertaler Unikat gestorben, sondern auch einer meiner besten musikalischen Freunde.

Seit über 40 Jahren kannte ich Uwe und seit circa 35 Jahren teilte ich mit ihm unsere gemeinsamen musikalischen Interessen. Wir hatten einen Slogan und zwar „Toi, la musique et moi“. Und den schrieben wir entweder in fast jeder WhatsApp oder sagten ihn uns nach jedem Besuch gegenseitig. „Du, die Musik und ich“, der monegassische Beitrag im ESC von 1976 der Sängerin Mary Cristy, war unser musikalischer „Leitsatz“. Wir kannten unseren musikalischen gegenseitigen Geschmack und bei jedem Song, den ich Uwe zeigte, wusste ich schon vorher, den wird er lieben und sich einreihen in seine „tausend Lieblingslieder der Marlene“.

Foto: Bergener

Unsere Freundschaft nahm vor allem in den 80er Jahren an Fahrt auf, als ich direkter Nachbar seiner ersten Schankwirtschaft „Marlene“ in der Hochstraße 65 war. Seine einzigartige, offene, lebenslustige und unverkennbare Art lockte viele Gäste in sein Lokal und avancierte zum Kult in der Wuppertaler Gastronomie. Jeder kannte seine Sprüche, so zum Beispiel, wenn die Tür aufging („Da kommt wieder was“), beim Bierzapfen („Ich hab'n Herrn“), beim Abschied: („Bis gleich!“) usw.

Und Uwe, ja, der lockte mich sozusagen aus meinem Wohnzimmer mit seiner lauten Musik, die über die Hochstraße zu hören war, somit in seine Kneipe. Ich erinnere mich an das erste Mal, als eine Kassette von der Sängerin Daliah Lavi in Dauerschleife lief, angefangen von ihrem Hit „Liebeslied jener Sommernacht“ bis hin zu „Oh, wann kommst Du“. Ja, und da stand ich dann auf von meiner Couch im Wohnzimmer und ging nach nebenan zu ihm, sozusagen an Uwes Tresen in seinem „Wohnzimmer“, und sagte: „,Da bin ich!‘ Du hast gerufen mit Deiner Musik ,Oh, wann kommst Du?‘“ (Videoproduktion aus der „Marlene“)

Er lachte so laut voller Freude und so begann es mit der musikalischen Freundschaft zwischen uns. Nach ein bis drei Altbier erzählte ich ihm von meinem Musikarchiv zu Hause. Als er nur ein paar Lieder von mir gesagt bekam, wussten wir, da steckt Gemeinsamkeit in uns deiden. Meine erste Kassette für ihn war sofort mit seinen Wünschen bestückt, so etwa Marie Laforet aus Frankreich mit „Viens, Viens“, das einzigartige und nicht so vielen bekannte „Hallo, Herr Nachbar“ von Cindy & Bert, Songs von Gitte, Katja Ebstein, Udo Jürgens, Margot Werner sowieso und so weiter und so weiter.

Unvergessen auch der Abend als ich durch Zufall mal Conny Froboess und ihren Song „Glockengießer-Rock“ mitbrachte und Uwe vor lauter Freude und Enthusiasmus schrie: Toll, ich fass es nicht, die Platte kenne ich noch von meinen Eltern.“ Aus Kassette wurde CD und die Songs wurden eine Mischung rund um die Welt. Uwe liebte meine Musik, die ich ihm vorstellte, sei es Finnisch, Italienisch, Hebräisch, Griechisch, Niederländisch oder Russisch. Er liebte meine Musik „Eine bunte Welt voll Musik“ oder „Speziallatäten“, und ich liebte jede seiner Reaktionen darauf.

Uwe Dresen in der „Marlene“.

Foto: Bergener

Uwe hatte ja fast für jeden Gast ein Spitzwort, so dass ich manchmal schon gar nicht mehr die wahren Namen der anderen Gäste kannte. Und ich erhielt auch im Laufe der Jahre einen Spitznamen: Nachdem ich ihm Musik von der bekanntesten russischen Sängerin „Alla Pugatcheva“ vorstellte, die 1997 ihr Lied „Primadonna“ im ESC sang, war er so begeistert, dass er mich fortan „Alla – meine alte Freundin“ nannte. Und so kannten mich dann auch im Laufe der Zeit alle Gäste unter diesem Namen (übrigens daher auch zeitweise meine Musikzusammenstellung für Uwe, die „SpeziALLAtäten“ hieß.)

Doch auch ich habe Uwe viele musikalische Vorschläge zu verdanken, die in meine persönliche Liste der „Marlene“-Liebeslieder kamen, so von der Schwabinger Gisela das Lied „Aber der Novak lässt mich nicht verkommen“, das Lied von Nina Hagen „Seemann – jetzt stehst Du da an der Laterne“, das „Tumbalalaika“ vom Ölberg-Kinderchor, die Live-Version von Vicky Leandros „Ich liebe das Leben“, die Vicky vorher kommentierte: „Ich glaube, wir können anfangen!“

Uwe sprach und sang bei allen Liedern lautstark mit und brachte Leben in die Bude! Die Lieder von Cläre Walldoff, Marlene Dietrich, Hildegard Knef, Helen Vita waren ja sowieso Programm – und auch die von einer seiner französischen Lieblingssängerinnen: Juliette Gréco, die er auch als Person sehr mochte. Ganz zu schweigen von der bekannten Mundartsängerin Sylvia Nels, auf deren Song „Un dan foahre ma ma‘m Bulldog un de Stausee“ Uwe in einer Fernsehsendung aufmerksam wurde. Wir haben dann zusammen zu Sylvia Kontakt aufgenommen, die danach auch öfters in der „Marlene“ aufgetreten ist und zu unserer gemeinsamen Freundin wurde.

Ich glaube, dass alle seine Gäste jetzt schon wissen bei der kleinen Auswahl an Songs, was ich meine, und sehen Uwe förmlich unvergessen vor sich stehen, reden, singen.

Es gibt keinen Freund oder Freundin, kein Familienmitglied oder auch Kollegen, der nicht schon mal mit mir in der Schankwirtschaft „Marlene“ war. Auch nach seinem Umzug von der Hochstraße 65 in die Hochstraße 43 blieb unsere Freundschaft sehr eng, nein, sie wurde in den vielen Jahren sogar noch stärker. So stark, dass die Schriftstellerin Esther von Krosigh, die ich in Stockholm 2016 zur Zeit der Eurovision kennengelernt hatte, auf ihn aufmerksam wurde und ihn 2017 in ihr Buch „Unsere Wupper“ erwähnte.

Uwe, der hat mich fasziniert auch von seinem kulturellen und historischen Wissen und ganz zu schweigen, was er alles über die Geschichte von Wuppertal und Umgebung wusste. Tausend Dinge könnte ich schreiben, von den Shows, die ich bei ihm mit guten Freunden (zum Beispiel der unvergessenen Minouche oder auch der eleganten Lieselotte) aufgeführt habe, etwa zum 20. Jubiläum der Marlene.

Foto: Bergener

Meine Schwester Marion und meine Tochter Julia haben sogar dort Shows moderiert und mein Mann Dirk hat für Musik und Film gesorgt. Ein begeistertes Publikum war immer bei Uwe zu Gast, und ich kann nicht jeden Einzelnen erwähnen und hoffe, dass sich all die Leute angesprochen fühlen, die ich dort in den Jahrzehnten kennengelernt habe.

Mit Uwe habe ich aber auch über Filmproduktionen gesprochen und auch von den guten Zeiten und schlechten Zeiten, die man so erlebt hat, von früher und von heute, von Musik und Kultur und von Eurovision. Keinem habe ich so viel von meinen Erlebnissen musikalisch und menschlich von den Eindrücken in der Eurovision erzählt.

Jetzt beginnt bald meine Reise nach Malmö zur Eurovision 2024, und er fehlt mir an jeder Ecke. Aber wie Ihr bemerkt, habe ich jede Erinnerung mit ihm gespeichert und danke Gott dafür, dass ich in kennengelernt habe.

Lieber Uwe, niemals geht man so ganz. In liebevoller Erinnerung, toi – la musique et moi, Dein Peter (der Euro-Music-Peter!)