Das China-Tagebuch - Teil 9 Made aus China

In China isst man morgens warm, mittags auch und abends sowieso. Und das in ungeheuren Mengen, die sich jedoch nicht in einer entsprechenden Leibesfülle, geschweige denn Körpergröße niederschlagen.

Seesterne, Skorpione und Heuschrecken — der chinesische Imbiss kennt dafür keine Currywurst mit Pommes.

Foto: Hendrik Walder

Auch ich werde hier nicht dick werden, was allerdings daran liegt, dass mir die ganzen Köstlichkeiten immer durch die Stäbchen rutschen.

Sein niedlicher Blick rettete diesem putzigen Panda beim Frühstück sein Leben. Ich weiß jedenfalls nicht, wie er schmeckt.

Foto: Hendrik Walder

Faszinierend zu beobachten, wie die Eingeborenen selbst Erdnüsse ohne hinzugucken einkeilen und zum Mund führen. Mich hingegen bewahrt spätestens beim zehnten erfolglosen Versuch, etwas Essbares zum Mund zu führen, irgendein mitleidiger Kellner mit einer Gabel vor dem Hungertod.

Junge Skorpione werden als Snack zwischendurch lebendig gegrillt und tot gegessen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war ich jedoch noch satt ...

Foto: Hendrik Walder

Dankbar hatte ich mich deswegen anfangs auf diese leicht konsumierbaren frittierten Holzspieße gestürzt. Ließen sich prima abnagen, bis ich erfuhr, dass sich hinter der knusprigen Fassade Heuschrecken verbargen. Die possierlichen Tierchen haben zwar keinen störenden Eigengeschmack, ähneln in ihrer Konsistenz jedoch weichen Gummigelee-Bröckchen. Ich sollte beim nächsten Haribo-Kauf noch einmal genau die Inhaltsstoffe kontrollieren. Andererseits: Was soll der Chinese sagen, wenn man ihn mit einer Portion Bergischem Panhas konfrontiert?

Davon abgesehen kann man sich an diese ausgiebigen Mahlzeiten an runden Tischen durchaus gewöhnen. Auf einer drehbaren runden Glasplatte werden dort ständig neue Gerichte drapiert - bevorzugt unmittelbar links neben mir, so dass mich die besonders leckeren Sachen nach ihrem Weg im Uhrzeigersinn nicht mehr erreichen. Vom Personal direkt zugeteilt werden dagegen Reis- und Graupensuppen, möglicherweise sind es auch Greis- und Raupensuppen, jedenfalls sind sie auch zahnlos ohne Probleme zu konsumieren.

Überhaupt sind die uns vorgesetzte Speisen meist maßvoll gewürzt, eine Aussage, die der Stadtdirektor nur bedingt gelten lassen würde. Sein Frühstücksexperiment mit einer harmlos dreinschauenden "roten Paste" endete mit einer mindestens ebenso roten Gesichtsfarbe und einer feurigen Ansprache, warum man ihn denn nicht gewarnt habe. Etwas mehr Pep hätte man sich der aus Bohnen und Mehlstärke gemixten Suppe gewünscht, die man hierzulande am ehesten mit Zutaten aus dem Baumarkt nachkochen kann. Etwa aus der Abteilung für Tapetenkleister und Holzleim.

Ganz verzichten mussten wir auf Haifischflossensuppe, die verboten wurde, damit man nicht noch mehr Ärger mit diesen ungemütlichen Tieren kriegt. Auch Vogelnester sind offensichtlich aud der Mode gekommen, sind wahrscheinlich auch kaum noch zu kriegen. Jedenfalls haben wir Vögel weder gesehen noch gehört, es sei denn als Klingelton fürs Handy, da gibt es sie in einer unglaublichen ornithologischen Vielfalt.

Ansonsten haben die Chinesen nach wie vor einen großen Erfindungsreichtum an potenziellen Geschmacksträgern. Beim Gang über einen Pekinger Basar wollte man uns jedenfalls mit Seepferdchen, Seesternen und Skorpionen ködern, auch Tausendfüßler wurden gesichtet, aber nicht verzehrt, um den 1,3 Milliarden hungrigen Chinesen nichts weg zu essen. Sogar von frittierten Maden war die Rede. Also quasi "made in China" eine "Made aus China". Die bietet sich für den Export freilich nicht an.