Interview: Stadtverwaltung und Diakonie-Kampagne "kitastrophal" "Kita-Träger müssen entlastet werden"

Wuppertal · "Wer hat das denn gerechnet?", fragt die Wuppertaler Diakonie auf 100 neuen Plakaten ihrer zweistufigen Protestkampagne "Kitastrophal" — und prangert damit (finanzielle) Missstände in der Kita-Landschaft an.

Sozialdezernent Stefan Kühn.

Foto: Raina Seinsche

Am Freitag lief auf dem Kirchplatz die Abschlussveranstaltung von "Kitastrophal". Rundschau-Redakteur Stefan Seitz sprach mit Sozialdezernent Stefan Kühn über Geld, Gesetzesfehler und kleinere Kindergartengruppen.

Rundschau: Die freien Kindergartenträger, zu denen auch die Kirchen gehören, klagen finanzielle Ungleichgewichte in der Kostenübernahme an, fordern mehr Engagement von der Stadt.

Kühn: Ich möchte weniger die Gegensätze betonen, vielmehr das Verbindende. Die Diakonie hat völlig Recht, wenn sie sagt, dass das NRW-Kinderbildungsgesetz, kurz KiBiz, das in der Zeit der CDU-FDP-Regierung entstand, keine ausreichende Grundlage für Finanzierung und Ausbau von Kitas liefert. Das KiBiz funktioniert über reine Pauschalen. Träger wie beispielsweise die Kirchen, die wegen ihrer Tariftreue hohe Personalkosten haben, zahlen sogar drauf. Deswegen haben haben solche Kita-Träger massive finanzielle Probleme. Dass das nicht so bleiben darf, da gibt es zwischen mir und der Diakonie keinen Millimeter Dissens.

Rundschau: Wo kracht es denn im Getriebe?

Kühn: Stadt und freie Träger haben sich darauf geeinigt, dass die Stadt bei Kita-Neubauten den Anteil, den die Träger zahlen müss(t)en, zu 100 Prozent übernimmt. Die Diakonie fragt nun aber: Was ist mit unseren Kitas, die es schon gibt? Das ist zwar eine sehr berechtigte Frage, aber das Thema darf nicht auf den Deckel der Stadt gehen. Wenn die Stadt diese Kosten dauerhaft übernähme, würde das das Land aus der Verantwortung entlassen.

Rundschau: Was müsste das Land tun?

Kühn: Es müsste nicht, es muss. Und zwar ganz egal, welche Landesregierung wir demnächst haben. Wir brauchen ein neues Kita-Gesetz, dass die Anteile, die die Träger zahlen müssen, deutlich absenkt. Sonst gehen freie Träger reihenweise den Bach hinunter. Und das kann niemand wollen.

Rundschau: In Nullkommanichts ist doch da aber nichts zu erwarten?

Kühn: Es gibt Signale der jetzigen Landesregierung für ein neues Kita-Gesetz mit Blick auf den 1. August 2018. Was daraus wird, wird man sehen.

Rundschau: Und in der Zwischenzeit, wie lang sie auch immer sein mag?

Kühn: Die Stadt überlegt, wie eine Entlastung notleidender Träger bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes erfolgen kann. Also eine Art Brückenfinanzierung. Es darf ja nicht passieren, dass Rettung in Sicht ist, aber freie Träger trotzdem bis dahin kapitulieren müssen.

Rundschau: Das dafür nötige Geld muss Wuppertal allein aufbringen?

Kühn: Ja. Und das ist natürlich nicht einfach. Dennoch führen wir dazu in der Verwaltung und mit einzelnen Trägern Gespräche.

Rundschau: Das klingt nicht unbedingt nach "Entspannungspolitik"...

Kühn: Die Zeit drängt. Wir brauchen möglichst schnell verlässliche zeitliche und inhaltliche Aussagen über zukünftige Kindergarten-Eckpunkte. Damit die Stadt absehen kann, was bei der Brückenfinanzierung auf sie zukommt, und die Kita-Träger wissen, wie es weitergeht.

Rundschau: Was braucht die Kita der Zukunft?

Kühn: Kleinere Gruppen. Unbedingt. Aber das erhöht natürlich die Kosten wieder deutlich. Deshalb nochmals: Es muss ein neues Kita-Gesetz für NRW her, das zu Praxis und Wirklichkeit in den Kitas passt, das die Trägervielfalt sichert und den Kita-Ausbau beschleunigt.