Großes Rundschau-Interview der Stichwahl-Kandidaten Jung gegen Mucke: Das finale Rededuell

Wuppertal · Rundschau: Vielen Dank, dass Sie sich beide gemeinsam für uns Zeit genommen haben. Immerhin beginnt der Wahlkampf ja gerade ein bisschen unter die Gürtellinie zu gehen ...

Shakehands in der Rundschau: Andreas Mucke (li.) und Peter Jung.

Foto: Bettina Osswald

Mucke: Moment mal — wir beide haben immer fair Wahlkampf gemacht.

Jung: Jawohl!

Rundschau: Dann charakterisieren Sie doch mal bitte Ihren Gegner als Person.

Jung: Ich kenne Andreas schon lange und habe immer gut mit ihm zusammengearbeitet. Er war ja bis 2011 im Rat und dabei kein unbedeutendes Mitglied. Ich habe ihn immer als sehr engagiert wahrgenommen und schätze ihn als Mensch sehr. Wir duzen uns ja auch, ganz unabhängig von der Kandidatur. Und er ist ein sehr guter Schauspieler, in "Ziemlich beste Freunde" am TiC war er toll. Außerdem leistet er in der Quartierentwicklungsgesellschaft sehr gute und wichtige Arbeit für diese Stadt.

Mucke: Peter hat einen tollen Humor, wir können zusammen lachen. Und wenn man zusammen lachen kann, dann kann man auch zusammen was bewegen. Außerdem revidiert er auch schon mal seine Meinung, das gefällt mir.

Rundschau: Warum wollen Sie ihn denn dann ablösen?

Mucke: Es gibt Punkte, in denen ich einiges ändern möchte. Vor allem beim Thema Bürgerbeteiligung. Da ist eine Kluft zwischen den Menschen und der Politik entstanden, die wir schließen müssen. Ich will wieder auf Augenhöhe mit den Bürgern reden. Im Moment empfinden das viele anders. Im Wort "Oberbürgermeister" steckt ja nicht umsonst auch "Bürger" drin. Außerdem will ich die Stadtverwaltung in Richtung Kundenorientierung weiterentwickeln. Mir ist klar, dass das nur zusammen mit den Mitarbeitern geht. Ich weiß das noch aus meiner Zeit bei den Stadtwerken, die ja auch ein Monopolist waren und sich umstellen mussten.

Jung: Ich sehe mich durchaus als bürgernahen Oberbürgermeister und bekomme das auch von den Wuppertalern so gespiegelt. Natürlich ist die Bürgerbeteiligung noch ausbaufähig. Ich hätte das aber auch ohne zusätzlichen Dezernenten für diesen Bereich hingekriegt, aber der war ja Bestandteil des Kooperationsvertrages. So etwas zeigt übrigens auch die Abhängigkeit eines Oberbürgermeisters vom Stadtrat. Grundsätzlich brauchen wir Richtlinien dafür, wann und wie sich Beteiligung vollzieht und wie sich das von der repräsentativen Demokratie abgrenzt. Es kann ja nur um eine beratende Funktion gehen, sonst wollen wir ein anderes politisches System.

Rundschau: Finden Sie denn den zusätzlichen Dezernenten richtig, Herr Mucke?

Mucke: Grundsätzlich muss man das als Chance begreifen, Bürgerbeteiligung in der Verwaltung einen Stellenwert zu geben. Das kann jetzt strukturiert passieren. Ich würde zum Beispiel gerne mal Planungszellen probieren, das ist in Wuppertal noch nie gemacht worden. Ich finde es einfach wichtig, frühzeitig mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Dann wäre so etwas wie mit dem Carnaper Platz auch nicht passiert. Dazu gehört aber natürlich auch, dass der Stadtrat solche Formen der Bürgerbeteiligung akzeptiert.

Peter Jung (CDU).

Foto: Bettina Osswald

Rundschau: Andreas Mucke fordert in seinem Wahlprogramm mehr Transparenz. Gibt es da tatsächlich ein Defizit, Herr Jung?

Jung: Grundsätzlich stellen wir doch sehr viel Transparenz her, aber man muss die entsprechenden Angebote natürlich auch nutzen. Es sind ja alle Unterlagen online und einsehbar, da haben wir große Fortschritte gemacht. Und wir antworten auch verlässlich auf alle Fragen und Eingaben.

Rundschau: Herr Mucke, Sie greifen damit ja einen Vorwurf der Grünen auf, die mit Blick auf die Rats-Kooperation von SPD und CDU von "Hinterzimmer-Politik" sprechen. Dabei sitzt Ihre Partei selbst mit am Tisch ...

Mucke: Mir geht es um die aktive Kommunikation nach Außen. Ich finde, dass auch die gewählten Vertreter anderer Fraktionen aus der Verwaltung und der Stadtspitze heraus informiert werden müssen. Und große Entscheidungen müssen breit diskutiert werden. Zum Beispiel das Thema FOC mit den Einzelhändlern.

Jung: Beim FOC würden wir den Leuten dann vorgaukeln, wir hätten das selbst zu entscheiden. Das ist ja nicht so. Das Konzept für die Bundesbahndirektion entspricht dem Planungsrecht, das müssen wir also begleiten.

Mucke: Aber es geht ja auch um die Erweiterung über die Direktion hinaus. Da müssen wir offen mit umgehen, das erwarten die Einzelhändler.

Jung: Das Projekt ist geschickt nach vorne getrieben worden, jetzt geht es um einen Abwägungsprozess. Und wir haben bei keinen Verfahren so eine dichte Bürgerbeteiligung wie bei Bauvorhaben. Das hat sich ja bei IKEA gezeigt. Wir müssen ja sehen: Egal wo ein Outlet-Center entsteht, es wird immer Auswirkungen auf den Handel haben. Und da ist es mir dann natürlich lieber, es steht in Wuppertal als in Remscheid. Hier hätte es außerdem eine optimale Anbindung. Es wäre das einzige FOC, das man mit dem ICE anfahren kann. Ich habe übrigens mit keiner anderen Gruppe so viel gesprochen wie mit den Einzelhändlern. Da muss man zwischen der veröffentlichten Meinung und anderen Positionen unterscheiden. Wenn es aber darum geht, sich für oder gegen den Wettbewerb zu entscheiden, dann bin ich dafür.

Rundschau: Wollen Sie denn das Outlet am Döppersberg, Herr Mucke?

Mucke: Da steckt auf jeden Fall Potenzial drin. Wenn man mit den Beteiligten redet, kann man zu einer guten Lösung kommen und so zusätzlich Leute in die Stadt zu holen. Dabei darf man auch die Auswirkungen auf die Südstadt nicht vergessen. Für die muss ein Verkehrskonzept erarbeitet werden.

Jung: Aber machen wir uns doch nichts vor: Hinter den Kulissen tobt jetzt der Kampf der Betreiber in Wuppertal und Remscheid um den Besatz mit Mietern, der Marken-Mix ist entscheidend für den Erfolg, die Investoren haben daher nicht viel Zeit. Wir als Stadt können dabei nur den Rahmen dafür stecken, die Einflussmöglichkeiten sind relativ begrenzt.

Andreas Mucke (SPD).

Foto: Bettina Osswald

Rundschau: Seit der Wahl vor zwei Wochen fällt öfter das Wort Wechselfieber. Spüren Sie da etwas von?

Mucke: Ja, man spürt es, und die Leute sagen es einem. Sie empfinden, dass vieles innerhalb der Großen Kooperation verabredet und dann so gemacht wird.

Ein Oberbürgermeister Mucke würde sich also auch gegen die "GroKo"- Ratsmehrheit positionieren?

Mucke: Ich habe meine Themen ja gesetzt. Zum Beispiel mehr Prävention bei Kindern, denn so spart man am langen Ende. Es kann nicht sein, dass ein Projekt wie die "Achtsamkeitsgruppe" der Alten Feuerwache ausschließlich durch Spenden finanziert wird. Bei sowas werde ich aktiv als politischer OB agieren und alle Fraktionen mit einbeziehen.

Jung: Moment mal: Mit dem Projekt "Kein Kind zurückgelassen" sind wir doch eine Modellkommune für NRW. Die Idee habe ich gemeinsam mit Hannelore Kraft entwickelt.

Rundschau: Zurück zur "GroKo": Ist die gut für Wuppertal?

Jung: Angesichts der Zersplitterung des Rates war sie eine gute Lösung. Der SPD-Chef hat ja vorher versucht, eine andere Mehrheit zu bilden. Das hat nicht geklappt. Dann haben CDU und SPD lange verhandelt, bis sie sich geeinigt haben. Dass man dabei sondiert, wie eine gemeinsame Politik aussehen könnte, ist normal. In Berlin heißt das übrigens Koalitionsausschuss. Zu diesem demokratischen Prinzip muss man sich bekennen, eine Hinterzimmerpolitik gibt es nicht. Viele Ratsentscheidungen sind ja auch nicht nur mit den Stimmen von CDU und SPD verabschiedet worden. Und der Oberbürgermeister muss ohnehin unabhängig von seiner politischen Herkunft benennen, was für die Stadt gut und schlecht ist.

Mucke: Die "GroKo" hat in zehn Jahren viel Wichtiges entschieden. Aber so eine Große Kooperation sollte nur vorübergehend sein, um die demokratische Kultur nicht zu ersticken. Es wird sicher auch andere Bündnisse geben. Bis dahin müssen wir alle demokratischen Fraktionen mitnehmen. Den Kooperationsausschuss, den es auch bei anderen Bündnissen gibt, zweifelt keiner an. Aber die Frage ist: Wie gehen wir damit um?

Jung: Dann richtet sich Deine Kritik ja an die beiden Fraktionen ...

Rundschau: Würden Sie als OB diese Runde denn zügeln können, Herr Mucke?

Mucke: Ich würde viele Themen jedenfalls im Vorfeld öffentlich zur Debatte stellen. Nehmen Sie mal das Beispiel Döppersberg. Viele sehen ein, dass dieser Bahnhof und dieser Platz gemacht werden müssen. Die Aufklärung darüber hätte aber früher kommen müssen. Das Festhalten an den 105 Millionen Euro Baukosten hat da viel Vertrauen gekostet. Als Oberbürgermeister hätte ich ehrlich gesagt, dass man die Kosten nicht exakt nennen kann.

Jung: Lieber Andreas, jetzt nimm mal den Rat eines Älteren an: So hätten wir keinen Cent Zuschüsse bekommen. Die 105 Millionen standen immer unter Vorbehalt und haben dann nicht mehr gepasst, weil die Anstimmung mit dem Land Jahre gedauert hat. Seit wir bauen, gibt es ein stringentes Kostencontrolling. Und nach jetzigem Stand, wo wir schon 60 Prozent der Aufträge vergeben haben und im Zeitrahmen liegen, sinkt das Risiko, noch böse Überraschungen zu erleben. Zumal wir ja auch noch einen Puffer haben.

Rundschau: Ganz anderes Thema: Wie stehen Sie aktuell zu den Forensik-Plänen?

Jung: Es ist unerträglich, wie das Land hier mit unserer Stadt umgeht. Wer die Hand an Lichtscheid legt, versündigt sich an unserer Stadtentwicklung. Man hat uns immer gesagt: "Ihr müsst nicht suchen, wir stehen mit der Bergischen Diakonie in aussichtsreichen Verhandlungen über den Standort Aprath." Und das noch bis zwei Wochen vor der Absage von dort.

Mucke: Da fühle ich mich auch von der Bergischen Diakonie Aprath verschaukelt, man hätte sich früher melden können, nachdem man zwei Jahre verhandelt hat. Aber: Als das Land wegen der Forensik vor drei Jahren die Kommunen angeschrieben hat, haben sich alle weggeduckt. Da hätte Wuppertal eine geeignete Fläche anbieten können. So haben wir jetzt keinen Plan B.

Jung: Wir haben doch damals die Kleine Höhe angeboten. Das Land hat diesen Standort aber klar abgelehnt. Ich finde, hier macht die Landesregierung wirklich Hinterzimmerpolitik. Ich hätte mir jetzt ein klares Signal aus Düsseldorf gewünscht.

Rundschau: Zum Schluss die Kernfrage: Wie mobilisieren Sie am Sonntag nach dem Beinahe-Unentschieden im ersten Wahlgang die nötigen Wähler für eine Mehrheit?

Mucke: Ich hoffe vor allem erst mal, dass die Wahlbeteiligung hoch wird. Und dass die, die im ersten Wahlgang gegen den Amtsinhaber beziehungsweise für mich gestimmt haben, das auch im zweiten tun. Aber dafür gibt es ja noch keine Vergleichszahlen, an denen man sich orientieren könnte. Deshalb halte ich den Ball flach und kämpfe bis zum Schluss. Dann geben wir uns die Hand.

Jung: Ich sehe eine riesige Chance im Nichtwählerpotenzial. Viele haben die Wahl ja schon im Vorfeld für gelaufen gehalten. Jetzt wissen sie aber, dass es ums Ganze geht. Ich baue darauf, dass die Wuppertaler angesichts der schwierigen Situation im Hinblick auf Stadtfinanzen, Stadtplanung und die Flüchtlingsfrage nicht mitten im Strom die Pferde wechseln wollen.