Prof. Dr. Manuel Löwer (Bergische Uni) Imagepflege und nachhaltige Produktentwicklung
Wuppertal · Mit Vorurteilen aufräumen und die spannenden Facetten der Sicherheitstechnik vermitteln – das ist ein Anliegen von Prof. Dr. Manuel Löwer, wenn er mit jungen Menschen ins Gespräch kommt. Denn Sicherheitstechnik habe eben auch viel mit kreativen Prozessen und der Gestaltung von Innovationen zu tun. Was genau, das erklärt der Inhaber des Lehrstuhls für Produktsicherheit und Qualität in der Reihe „Bergische Transfergeschichten“.
„Wenn wir über Sicherheit sprechen, dann hat das meistens eine negative Konnotation, weil wir den Protagonisten Restriktionen auflegen“, sagt der Sicherheitstechniker und Maschinenbauer Manuel Löwer. Er ist Lehrstuhlinhaber des Fachgebietes Produktsicherheit und Qualität an der Bergischen Universität. Und das, erläutert der Wissenschaftler, sei einer der Gründe, warum vor allem Schülerinnen und Schüler keinen Bezug zum Fach hätten. „Genau das, was junge Menschen nicht wollen, ist, von der Technik bevormundet und an der eigentlichen Funktionalität gehindert zu werden.“
Aus diesem Grund verstärkt Löwer sein Engagement und vertritt seine Fakultät auf Berufs- und Bildungsmessen, auf denen er praktische Anwendungsszenarien zeigt, so dass junge Menschen einen Zugang zum Fach bekommen. „Das versuchen wir auf Messen über VR (Virtual Reality-Anwendungen, Anm. d. Red.) an Spielkonsolen und 3D-Drucker zu veranschaulichen. Wir zeigen, wie man auch Design und Gestaltung benutzen kann, um Produkte sicherer aussehen zu lassen. Wir spielen ein bisschen mit dem Verständnis und räumen mit den Vorurteilen auf.“ Der Sicherheitstechniker sei nicht der langweilige Mensch im weißen Kittel, betont er und fordert in seiner Beratung immer wieder auf, in diesem kreativen Prozess – wenn es darum gehe, neue Produkte zu entwickeln und zu gestalten – mitzumachen. Ganz direkt sagt er: „Sie können Innovationen mitprägen, Sie sind mittendrin!“
Seit 2017 lehrt Prof. Dr.-Ing. Manuel Löwer im Fachgebiet für Produktsicherheit an der Bergischen Universität. 2019 übernimmt er zudem das Fachgebiet für Qualität einer emeritierten Kollegin und führt nun beide Fächer unter dem Lehrstuhl Produktsicherheit und Qualität zusammen. „Thematisch sind die Fächer ja gut vereinbar und es bestehen Synergien“, erklärt er, der auch als Vorstandsvorsitzender des Instituts für Produkt-Innovationen am Solinger Standort der Universität aktiv ist. Erklärtes Ziel seiner Forschungen ist es, „Sicherheit und Qualität frühestmöglich im Entwicklungsprozess zu integrieren, sodass wir am Ende nicht Fehler ausmerzen müssen, sondern dass wir die gar nicht erst machen.“ Die spannende Aufgabe in Solingen sieht Löwer vor allem in der Interdisziplinarität. „Es ist ein fachübergreifendes Institut mit Mitgliedern aus anderen Fakultäten. Das ist quasi die zentrale Anlaufstelle, um Innovationen ganzheitlich betrachten zu können. Wir haben zum Beispiel den Kollegen Gust mit der Konstruktion, den Kollegen Weber mit Werkstoff und Fertigungsverfahren oder den Kollegen Kalweit aus der Fakultät für Design und Kunst. Es sind insgesamt sechs Kolleginnen und Kollegen, die sich mit ihrem jeweiligen Fachfokus integrieren.“
Thema Nachhaltigkeit: Kooperationen mit der Botanik
Das Thema Nachhaltigkeit macht sich auch im Bereich der Produktentwicklung bemerkbar. Das Konstruieren mit natürlichen Materialien könnte ein zukunftsweisender Weg sein. Durch Kooperationen im Bereich der Botanik, insbesondere der molekularen Genetik, werden Wirkzusammenhänge von der Zelle bis in das Produkt durchgängig erforscht. Auch hierbei ist der Wuppertaler Wissenschaftler engagiert.
„Das hört sich zunächst einmal ganz schräg an. Was hat ein Maschinenbauer, ein Fahrzeug- oder Sicherheitstechniker mit natürlichen Materialien zu tun?“, fragt er selber und breitet ein paar pflanzliche Exponate vor sich aus. „Wir haben uns vor einigen Jahren überlegt, wie können wir natürliche Materialien für maschinenbauliche Anwendungen nutzbar machen?“ Holz ist dem Laien im Hausbau sehr wohl bekannt, hat aber auch ein Gewicht, dass man im mobilen Bereich einkalkulieren muss. Zudem gibt der Sicherheitstechniker zu bedenken, dass Holz auch immer inhomogen, also nicht gleichmäßig aufgebaut sei, denn veränderte Wasserzufuhr oder permanente Sonneneinstrahlung verändere das natürliche Wachstum. Sicherheitsfaktoren liegen hier um ein Vielfaches höher als im konventionellen Maschinenbau.
Die Idee der Leichtbauanwendung entstand im Zuge von Bambusexperimenten. „Das Interessante bei Bambus ist, er hat ein Primärwachstum, kein Sekundärwachstum. Das heißt, wenn der Spross aus dem Boden kommt, dann behält der seinen Durchmesser. Der Baum geht hinterher in die Weite, der Bambus behält seinen Durchmesser. Wir wissen schon, wie groß er sein wird“, begeistert sich Löwer, „und so haben wir ihn dann in Form wachsen lassen.“ Der Bambus wird in der Bearbeitung also nicht unter Hitze gebogen, was zu einem Verlust der Zellstabilität und Festigkeit führen könnte, sondern er wächst gezielt in eine vorgegebene Form. „Er lagert dann unten sehr viel mehr Zellen ab und wird dadurch wesentlich steifer. Ich habe oben eine konstante homogene Verteilung und unten eine Zellanhäufung, so dass ich die Stabilität des Bauteils durch das Wachstum erhöhe. Er knickt nicht mehr weg, denn er hat sich selber organisch verstärkt.“ Löwer kennt Bambussorten, die am Tag mehr als einen Meter wachsen.
Ein Zierkübis als Fahrradsattel
Mit Kolleg*innen in Brasilien an der Universität von São Paulo arbeitet er mit Kalebassen, also Zierkürbissen. Diese seien ultraleicht, wasserdicht und könnten Kunststoffe ersetzen. Löwer hat bereits einen Zierkürbis in Form eines Kinderfahrradsattels wachsen lassen. „So schauen wir, welche Pflanzen man für welchen Anwendungshorizont benutzen kann“, erklärt er weiter. Auch Pilze könnten zukünftig Kunststoffe ersetzen. Dazu experimentiert er mit Austernseitlingen, die teilweise eine glänzende Oberfläche entwickeln. „Je nachdem, wie wir die Pilze beeinflussen, kann man sie auch direkt im Sichtbereich nutzen. Andere haben wir zu Möbeln wachsen lassen. Wir nehmen dann Abfallstoffe von der getreideverarbeitenden Industrie. Diese Spelzen zum Beispiel benutzt dieser Pilz als Nährstoff, wächst dann in eine Form, die man kurz erhitzt. Der Pilz stellt sein Wachstum ein und geht in eine Starre. Dann können Sie ihn als Möbelstück aufstellen und wenn Sie ihn nicht mehr brauchen, werfen Sie ihn auf den Kompost.“ Auf dem Weg zu CO2-reduzierten Produktionstechniken bieten diese natürlichen Stoffe neu zu beschreitende Wege.
Produktsicherheit hat immer mit Verantwortung zu tun. Die Verantwortung den Nutzer*innen gegenüber sieht Löwer als eine Verpflichtung der Wirtschaft. In der bergischen Wirtschaft sei dieses Engagement inhärent. „Die Kontakte, die ich bisher zur Bergischen Wirtschaft habe, zeigen mir, dass die Unternehmen die Zeichen der Zukunft verstanden haben“, sagt der Forscher. „Sicherheit ist insofern gerade in der Nutzung immer eines der essentiellen Themen.“