Gedenkfeier in Hanau Lindh: „Rassismus den Boden entziehen“

Wuppertal / Hanau · Ein Jahr nach den Attentaten an zehn Menschen in Hanau hat der Wuppertaler SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh am Freitag (19. Februar 2021) eine Gedenkveranstaltung des Zentralrats der Muslime in Deutschland in Hanau besucht.

Helge Lindh auf dem Hauptfriedhof in Hanau.

Foto: Büro Lindh

Mit Mitgliedern der Opferfamilien, Aiman A. Mazyek (Vorsitzender des Zentralrats), Vertreterinnen und Vertretern von katholischer und evangelischer Kirche und Christine Buchholz (Bundestagsabgeordnete der Linken) gedachte er auf dem Hauptfriedhof den Opfern des rassistisch-motivierten Anschlags und wohnte dem Freitagsgebet in einer Hanauer Moschee bei. Während seines Grußworts appellierte er an die Gesellschaft, den Kampf gegen Rassismus und jede Form der Menschenfeindlichkeit endlich entschieden zu führen. Auch ein Jahr nach den Anschlägen sei man es den Opfern bisher schuldig geblieben, vollumfänglich Aufklärung zu leisten.

Lindh: „Nichts in der Welt kann den Angehörigen ihre getöteten Kinder, Geschwister und Eltern wiederbringen. Auch ein Jahr nach der Tat verschlägt es uns die Sprache, wenn wir an die grausamen, rassistischen Morde von Hanau denken. Hanau reiht sich ein in eine abscheuliche Serie rechtsextremistischen Terrors. Halle, Hanau und der Mord an Walter Lübcke stehen für die reale Bedrohung eines tief verwurzelten Rechtsextremismus, der hier zugeschlagen hat. Viel zu lange haben wir die Warnungen der Betroffenen ignoriert, wenn es darum ging, sich den Rassismus in unserer Gesellschaft zu vergegenwärtigen.

Der Satz ‚Es war ein Angriff auf uns alle‘ stimmt nicht wirklich, denn der Anschlag war vom Täter gezielt auf bestimmte Orte und Personen gerichtet. Dass der Notausgang versperrt war und der Notruf nicht funktionierte, machte die Situation noch auswegloser und muss restlos aufgeklärt werden. Schutzräume des privaten Rückzugs ungeachtet der Herkunft wurden zu Tatorten kalkulierten rechtsextremistischen, rassistischen Serienmordes. Deutschland ist es immer noch nicht gelungen, im Falle des NSU wie auch des Anschlags von Hanau als Ganzes aufrichtig und umfassend zu trauern.

An diesem Jahrestag in Hanau zu sein, mit den Angehörigen zu trauern, zu gedenken und zu beten ist keine Selbstverständlichkeit. Es wäre ein Leichtes für sie, dem deutschen Staat den Rücken zu kehren. Stattdessen suchen sie den Dialog. Wir können nichts ungeschehen machen, aber es ist unsere politische Verantwortung, dass wir dem Rechtsterrorismus die gesellschaftliche Grundlage entziehen. Mit den Ergebnissen des Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus, den Verschärfungen im Rechtssystem und einem härteren Waffenrecht haben wir von staatlicher Seite erste Maßnahmen in die Wege geleitet, um dem Rassismus den Boden zu entziehen.

Mehrere hundert Menschen haben auch in Wuppertal an einer Gedenkveranstaltung teilgenommen. Sie zogen vom Geschwister-Scholl-Platz bis zum Berliner Platz.

Foto: Christoph Petersen

Es beschämt mich, dass die Angehörigen der Opfer von Hanau immer noch keine Gewissheit über den genauen Tatverlauf haben. Es darf nicht sein, dass die Angehörigen selbst zu Ermittelnden werden. Die staatlichen Behörden auf Landes- und Bundesebene müssen sich zu ihrer Verantwortung bekennen und Aufklärung gewährleisten. Ein Verheilen dieser Wunde ist ohne Ehrlichkeit nicht möglich.“