Verhandlung vor Gericht Tacheles: Hartz-IV-Sanktionen verfassungswidrig
Wuppertal / Karlsruhe · Der Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles nimmt am Dienstag (15. Januar 2019) an der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Hartz-IV-Sanktionen teil – als so genannter sachverständiger Dritter.
Tacheles ist der Auffassung, dass die Strafen nicht mit der Verfassung vereinbar sind. Sie versagten "die grundlegende Anerkennung als Menschen". Diese stehe im Kern des Menschenwürdegrundsatzes aus Art. 1 Abs. 1 GG. Der Wuppertaler Verein appelliert daher an das Bundesverfassungsgericht, die Sanktionen im SGB II für verfassungswidrig zu erklären.
Vorsitzender Harald Thomé: "Sanktionen führen nicht in die nachhaltige Arbeitsmarktintegration. Vielmehr unterstützen sie den Niedriglohnsektor und subventionieren die Unternehmen auf Kosten der Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigten. Sie entziehen den Betroffenen ihre Existenzgrundlage, was drastische Folgen hat: Obdachlosigkeit oder die Bedrohung durch Obdachlosigkeit, Stromsperren, Schulden oder und oft auch den Verlust der Krankenversicherung. Wir fordern das sofortige Ende der Sanktionen bei Hartz IV."
Tacheles hatte nach eigenen Angaben zu Beginn des Jahres eine Online-Befragung zu den Sanktionen im Sozialgesetzbuch II ("Hartz IV") durchgeführt: Daran haben demnach rund 21.000 Menschen teilgenommen und von ihren Erfahrungen berichtet "Teilgennomen haben nicht nur Leistungsbezieherinnen und -bezieher, sondern auch viele Menschen aus dem sozialen Bereich, die mit Leistungsbezieherinnen und -beziehern arbeiten und sie unterstützen, Rechtsanwälte und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jobcentern haben sich geäußert", heißt es. Die Auswertung soll in der mündlichen Verhandlung präsentiert und anschließend online gestellt werden.
Thomé: "Unsere Befragung hat ergeben, dass über 80 Prozent aller Antwortenden Sanktionen als nicht für ein Mittel halten, das geeignet ist, eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Sanktionen haben verheerende Auswirkungen auf die Lebenssituation der davon betroffenen Leistungsberechtigten. Nicht selten führen sie unmittelbar in Wohnungslosigkeit, Energieverlust und eine Schuldenspirale. Auch die Jobcenter-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind der Auffassung, dass Arbeitsuchende in erster Linie mehr Unterstützung und bessere Beratung brauchen, um unabhängig von Unterstützung zu werden."