Gesellschaft zur Stärkung der Demokratie „Wir wollen Raus Erbe wachhalten"
Wuppertal · Kurz vor dem 18. Todestag von Johannes Rau (27. Januar) hat sich eine Gesellschaft zur Stärkung der Demokratie gegründet. Mit dabei: Altpräses Manfred Rekowski, ehemaliger Superintendent von Wuppertal.
„Wenn ich mir die Welt jetzt ansehe, entdecke ich viel Diskriminierung, entdecke ich viel Ungerechtigkeit, entdecke ich vieles, was uns nicht nur Flüchtlinge ins Haus treibt, sondern was Fluchtursachen zu Stande bringt“, sagte Johannes Rau zum Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident und mahnte: „Die großen, großen Worte: Frieden und Gerechtigkeit, Sicherheit –, die sind alle nicht erfüllt, und deshalb ist Politik eine bleibende Aufgabe – mit Amt und ohne Amt.“
Vor 18 Jahren ist Johannes Rau gestorben – ein Politiker, der sich das Motto „Versöhnen statt spalten“ auf die Fahnen geschrieben hatte und dessen Lebenswerk, so ist Manfred Rekowski - ehemaliger Wuppertaler Superintendent und Präses der rheinischen Kirche - überzeugt, nicht in Vergessenheit geraten sollte.
„Wir erleben gerade an vielen Stellen eine gespaltene Gesellschaft und Politik. Von Johannes Raus demokratischen Überzeugungen, von seiner Haltung und Politik, die Menschen zusammenführen statt trennen wollte, können wir heute viel lernen. Deshalb wollen wir sein Erbe wachhalten“, sagt der Theologe.
Raus Erbe in politische Debatten einbringen
Manfred Rekowski gehört zu den Gründungsmitgliedern einer neuen „Johannes-Rau-Gesellschaft“, die kurz vor seinem Todestag am 27. Januar und im Jahr des 90-jährigen Bestehens der Barmer Theologischen Erklärung ins Leben gerufen wurde. Die Mitglieder, darunter Sozialdemokraten und Gewerkschafter, möchten mit der Gesellschaft dazu beitragen, die Demokratie zu stärken und „die Grundüberzeugungen und die praktische Politik von Johannes Rau für aktuelle politische Debatten fruchtbar“ zu machen.
Das klinge noch recht theoretisch, gibt Manfred Rekowski zu. „Aber wir werden an einem konkreten Programm arbeiten, das Menschen unterschiedlicher Generationen und politischer Positionen ins Gespräch bringen soll.“ An Bildungsveranstaltungen ist gedacht und daran, sich in aktuelle politische Debatten mit den Themen einzubringen, die auch Johannes Rau schon wichtig waren: gerechte Bildungschancen für alle, ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen, der Erhalt des Staates Israel, Versöhnung, Achtung der Menschenrechte und Demokratie.
Bekennende Kirche prägte Rau
Dass am vergangenen Wochenende knapp eine Million Menschen in ganz Deutschland gegen Rechtsextremismus und für Demokratie auf die Straße gingen, wertet Rekowski als einen Aufbruch, der nun weiter gestaltet werden muss.
„Johannes Rau wusste noch aus eigener Erfahrung, was es heißt in einem totalen Staat zu leben“, betont der Theologe. 1931 geboren, habe er als Junge an den Auseinandersetzungen der Bekennenden Kirche mit dem Hitlerstaat teilgenommen und sei bis ins Alter hinein mit Leni Immer, der Tochter des im Widerstand aktiven Pfarrers Karl Immer, befreundet gewesen. „Aus christlicher Verantwortung ist er in die Politik gegangen, um staatliche Macht zu begrenzen und Demokratie zu gestalten.“
Damals, 1943 im Schüler-Bibelkreis in Wuppertal habe begonnen, was 1999 im Amt des Bundespräsidenten endete, so Rekowski. Rau sei Mitglied der Gemeinde Gemarke gewesen und dort auch während seiner Zeit als Oberbürgermeister von Wuppertal, Wissenschaftsminister und NRW-Ministerpräsident regelmäßig präsent gewesen.
„Bruder Johannes“ – ein Ehrentitel
„Bruder Johannes“ wurde Rau etwas spöttisch von Journalisten genannt, aber er habe diesen Spitznamen wie einen Ehrentitel getragen, meint Rekowski. Bibelfest war er und konnte die Psalmen auf Wuppertaler Platt vortragen sowie viele evangelische Lieder auswendig singen. „Bei einem 100. Geburtstag, zu dem er als Ministerpräsident kam und ich als Vikar, hat er alle Strophen eines Liedes gesungen, das ich als evangelischer Theologe nicht kannte. Das war mir damals ziemlich peinlich“, schmunzelt der frühere Präses.
Rau engagierte sich auch in der Landesynode der rheinischen Kirche. Sein Amt als Synodaler gab er erst auf, als er 1999 Bundespräsident wurde. Zur Einweihung der Bergischen Synagoge, für die er sich noch als Ministerpräsident eingesetzt hatte, kam er 2002 als Bundespräsident.
„Er hat politisch Karriere gemacht hat, blieb Wuppertal, sich selbst und seinen Grundsätzen aber immer treu“, meint Rekowski. „Er hat zugehört und die Menschen ernstgenommen. Er wollte wirklich versöhnen statt spalten. Daran können wir uns heute ein Beispiel nehmen.“