Eine Demo mit Friedrich Engels Gegen Krieg, gegen Kapitalismus ...
Wuppertal · Revolutionärer Jugendbund — das klingt zunächst nach Rätesystem, vielleicht sogar nach Rote Armee Fraktion, in jedem Fall aber nach Sozialismus. Letzteres deutet in die richtige Richtung, doch die Wuppertaler Gruppierung weist verblüffende Merkmale auf.
Rund 70 Menschen ziehen an einem Samstag durch Barmen. Über ihren Köpfen schwenken sie große, rote Fahnen mit gelber Schrift, die typischen kommunistischen Farben. Es sind aber nicht die üblichen Gesichter der Antifa-Bewegung. Die Gruppe besteht zum größten Teil aus türkischstämmigen Jugendlichen. Doch der Mann, dessen Abbild sie auf Bildern bei sich haben, ist tief in Wuppertal verwurzelt. Es ist Friedrich Engels. Es ist sein 121. Todestag.
Hinter der Gedenkdemo steht der Revolutionäre Jugendbund Wuppertal, eine Gruppe von rund 30 jungen Leuten. Fulya Karasu ist 27 Jahre alt und ein Teil der Gruppe. "Die Aufstände in der Türkei 2013 waren das erste politische Ereignis, das mich berührt hat ", sagt die junge Frau. Sie ging auf ihre erste Demo, begann sich regelmäßig zu informieren. "Ich entwickelte den Wunsch nach Engagement." Ihr Entscheidungskriterium: Die Gruppe, der sie beitritt, sollte international agieren. "Der Revolutionäre Jugendbund hat erkannt, dass es der Kapitalismus ist, der Krieg und Elend herbei schwört." Dass die Gruppe mehrheitlich türkischstämmig ist, sei Zufall, erklärt die 27-Jährige. "Wir sind parteiunabhängig und nicht religiös motiviert."
Einmal in der Woche treffen sich die Wuppertaler Mitglieder in der Alten Feuerwache. Dann lesen sie gemeinsam systemkritische Texte von Denkern und Philosophen, um sie anschließen zu diskutieren. Die Zahlen der Teilnehmer schwanken. Etwa 30 Mitglieder, sagt Fulya Karasu, nehmen regelmäßig an den Treffen teil.
Auch Sinan Demir (21) kommt regelmäßig. "Politik hat in meiner Erziehung keine Rolle gespielt", sagt der Student. Die Nachrichten von Kriegen wie in Syrien seien es gewesen, die ihn haben aufwachen lassen. "Als Revolutionärer Jugendbund versuchen wir, den Menschen durch Demos und Aktionen deutlich zu machen, dass die Kriege in der Welt ein Ergebnis des Kapitalismus sind."
Am Wochenende verteilen sie wieder Flyer in den Innenstädten. Regelmäßig nehmen die verschiedenen Ortsgruppen, unter anderem auch Bielefeld und Köln, an Gegendemos bei Naziaufmärschen teil.
Dem Wuppertaler Zusammenschluss hat es vor allem Friedrich Engels angetan. Gemeinsam lesen sie sein kommunistisches Manifest, dessen Konzept sie tief bewegt. "Und wie wenig er in den Köpfen der Wuppertaler ist, hat uns tief erschüttert", sagt Karasu. Mehrere Tage zog die Gruppe durch das Stadtgebiet und fragte Passanten nach diesem doch eigentlich so wichtigen Sohn ihrer Stadt. "Die meisten kennen ihn nicht." Ihre Befragung hielten sie als Video fest, "Der vergessene Wuppertaler" wurde auf Youtube fast 1.000 Mal geklickt.
Nächstes Jahr wollen sie wieder am 5. August an Friedrich Engels erinnern. Fulya ist überzeugt, er gehört in die Köpfe der Menschen. Und seine Ideen in die Welt.