"Ferien" im Armenviertel

Ihren Jahresurlaub verbringt Kirsten Erler-Rassek in Südafrika, um als "mobile Pflegeschwester" dort zu helfen, wo es am nötigsten ist.

Wenn Kirsten Erler-Rassek von Südafrika spricht, schwingen ihre Erfahrungen in jedem Satz mit. Sie breitet Fotos mit vielen lachenden Gesichtern aus — und erzählt von Menschen, die ihre Lebensfreude nicht verloren haben, auch wenn sie nur wenige Besitztümer haben. Die 49-Jährige spricht aber auch von schwierigen Situationen, die sie in den Armenvierteln der Stadt Hout Bay erlebt hat. Vom Tod liebgewonnener Menschen, die sie in einer Krankenstation gepflegt hat. Oder von Kindern, die aidskrank sind und kaum genug zu essen haben.

2013 war Kirsten Erler-Rassek zum ersten Mal für sechs Wochen in Südafrika, um dort ehrenamtlich zu helfen. Das zweite Mal folgte 2014, und die nächste Reise steht schon bevor. Eigentlich arbeitet sie als Sachbearbeiterin für eine Krankenkasse. Doch wenn sie in Hout Bay ist, hilft sie vormittags in den Townships als "mobile Pflegeschwester" aus. Dort traf sie zum Beispiel auf den 96-jährigen George, der als Schwarzer die Gräuel der Apartheid ertragen musste, und sich, noch immer übersät von Narben, von der weißen Helferin waschen ließ.

Am Nachmittag kümmert sie sich um eine Gruppe Kinder in einem Haus, das Aidskranke und Waisen betreut. Einige Kinder wurden vergewaltigt, weil immer noch das schreckliche Gerücht umgeht, der Verkehr mit einem gesunden Kind würde einen Aidskranken heilen. Auf Erler-Rasseks Fotos lachen aber auch diese verletzten Kinder. "Das ist es, was mich am meisten erfüllt: Was man von den Menschen zurückbekommt. Und die unglaubliche Offenheit, das Vertrauen. Das haben wir in Europa ein Stück weit verloren", sagt die Vohwinkelerin.

Zufall sind ihre Reisen nach Afrika nicht. Ihr Vater hatte sie früh mit seinem Faible für den schwarzen Kontinent angesteckt. "Mich hat Afrika immer fasziniert. Und wenn ich reise, möchte ich die Menschen so kennenlernen, wie sie leben", sagt Kirsten Erler-Rassek.

Deshalb hatte es sie gepackt, als sie im Spätsommer 2013 in der Rundschau von Sylke Funk und ihrem Verein "Ubuntu4Africa" las. Funk vermittelt ehrenamtliche Helfer in südafrikanische Projekte. Nach einem halbstündigen Gespräch mit der Vereinsvorsitzenden fand sich Kirsten Erler-Rassek im September im Flugzeug wieder, Kurs Südafrika.

Eine spontane Entscheidung. "Ich habe mich selbst überholt und wusste gar nicht, was mich erwartet. Angst hatte und habe ich aber nicht, weder vor den Menschen, noch vor Krankheiten", sagt sie. Erfahrung im Umgang mit Menschen und dem Tod hatte die langjährige Hospizhelferin bereits gesammelt.

Mitte Februar wird sie wieder im Flieger sitzen, in Richtung der tiefblauen Bucht, die von grün bewachsenen Bergen gesäumt wird. An deren Hänge die Menschen wohnen, die Kirsten Erler-Rassek für ihre Hilfe viel von ihrer Lebensfreude zurückgeben.

(Rundschau Verlagsgesellschaft)