Superintendentin Ilka Federschmidt Ev. Kirche: „Aufbruch in eine neue Zeit“
Wuppertal · Warum ist das Auslaufen der finanziellen Unterstützung für die Wuppertaler Kurrende und für die Kantorei Barmen-Gemarke notwendig und gibt es einen Zusammenhang zum Kemna-Projekt? Diese und andere Fragen beantwortet Ilka Federschmidt im Interview.
Kam die Beendigung der Kirchenkreis-Mittel für die Wuppertaler Kurrende unerwartet?
Federschmidt: „Nein. Schon 2016 haben wir intensiv mit der Wuppertaler Kurrende gesprochen, dass unsere ganze Kirche sich in einem radikalen Wandel befindet, sich auf ganz neue Zeiten einstellen muss und dass dies mit allen Gemeinden und unserem Kirchenkreis hier vor Ort auch für die Kurrende gilt.
Die Kreissynode im Herbst 2016 hat den Beschluss, die Kurrende bis einschließlich 2025 mit jährlich 50.000 Euro zu unterstützen, bewusst mit der Perspektive gefasst, der Kurrende Zeit zu geben, in veränderten Zeiten ein tragfähiges Zukunftskonzept zu entwickeln, einschließlich der nötigen Haushaltskonsolidierung.
Insofern beinhaltete der Beschluss von Anfang an die Ausrichtung, dass die Kurrende finanziell auf unabhängige Füße kommen solle. Dies wurde in begleitenden mündlichen Gesprächen auch genauso erläutert. Aber wir merken, wie unterschiedlich eine Botschaft von Sendern und Empfängern verstanden werden kann.“
Warum ist aus Sicht des Evangelischen Kirchenkreises die Beendigung der Mittel für Kurrende und Kantorei Barmen-Gemarke nach 2025 notwendig?
Federschmidt: „Unser Kirchenkreis befindet sich wie unsere ganze Kirche auf einem Weg der Neuorientierung. Diesen haben wir hier sehr sorgfältig und mit viel Beteiligung begonnen in einem umfassenden Prozess ,Weggemeinschaften‘ aller Gemeinden und gemeindeübergreifenden Dienste. Und das ist gerade erst der Anfang. In allen Bereichen stellen wir uns auf den Aufbruch in eine neue Zeit ein.
Dieser Aufbruch ist verbunden mit der Hoffnung und der Zuversicht, auch als kleinere eine sehr wohl lebendige Kirche sein zu können, mit Gottes Hilfe. Aber dazu gehören auch schmerzhafte Abschiede und Loslassen einschließlich der dazu gehörenden Trauer. Ganz im reformatorischen Sinn wollen wir auf verschiedenen Ebenen wieder mehr die ,mündige‘, eigenwirksame Gemeinde als ,Leib Jesu Christi‘ fördern.
Es ist die Aufgabe eines Kirchenkreises, ,subsidiär‘ die Gemeinden darin zu unterstützen, dass sie ihre Aufgaben so gut wie möglich wahrnehmen und auch neugestalten können. Dafür wird es immer wichtiger, die Gaben und Potenziale an der Basis in den Gemeinden zu fördern und das Zusammenwirken zwischen Gemeinden und mit den gemeindeübergreifenden Diensten zum wechselseitigen Nutzen weiter zu entwickeln.
Bei geringer werdenden Ressourcen sehen wir darum die Notwendigkeit, unsere begrenzten Mittel in dieser ganz eigenen Verantwortung des Kirchenkreises einzusetzen.“
Wird auch aus diesem Vernetzungsgedanken heraus die Arbeit des Referats „Kirche Kultur und Musik“ verstetigt?
Federschmidt: „Genau. Unsere ganz eigene kirchenmusikalische Arbeit zur Unterstützung und Vernetzung kirchenmusikalischer Arbeit in den Gemeinden und diversen Chören war bisher nur mit befristeten Projektmitteln ausgestattet.
Es zeigt sich aber, dass gerade diese Arbeit sehr wichtig ist, weil wir damit dazu beizutragen, dass das Singen auch außerhalb eines so renommierten Knabenchores nicht wegbricht, dass Talente und Gaben Ehrenamtlicher vor Ort gefördert und entwickelt werden. Das tut unser Kreiskantor und Referent für Kirche, Kultur und Musik und das soll noch weiterentwickelt werden. Diese Arbeit hätten wir aufgrund der befristeten Mittel einstellen müssen.“
In den Reaktionen auf den Synodenbeschluss war ausschließlich die Frage nach Kurrende und Kantorei im Fokus. Der Kirchenkreis verantwortet ja aber eine Vielzahl eigener Aufgaben …
Federschmidt: „In der Tat. Es geschieht an vielen Orten in unserer Stadtgesellschaft kirchliche Arbeit, die uns in Kontakt bringt auch mit ,kirchenfernen‘ Menschen. Wir sind präsent in unterschiedlichsten Gottesdiensten in der Krankenhausseelsorge, in den Schulen und im Schulreferat, beim Besichtigen der Ausstellung zur Barmer Theologischen Erklärung, in der Seelsorge im Gefängnis, in den Kindergärten der Diakonie, in der Citykirche im Herzen der Stadt, in der Telefonseelsorge, in der Gehörlosengemeinde, in unserer Diakonie.
Die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden in der Jugendarbeit erhalten Schulung und Unterstützung durch das kreiskirchliche Jugendreferat. Da ist die Verantwortung, mit unseren Gebäuden und Möglichkeiten zum Klimaschutz beizutragen und auch so öffentlich ein Zeichen zu setzen. Und vieles mehr.
Der Kirchenkreis hat dies gesamte Spektrum im Blick zu haben, für das er genuin inhaltlich, organisatorisch und finanziell verantwortlich ist. Wir unterstützen die Erprobung einer internationalen evangelischen Gemeinschaft als einen neuen, hoffnungsvollen Ansatz. Mit allen diesen Aufgaben müssen wir uns dem spürbaren Wandel stellen, wie auch alle Gemeinden.“
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Streichung der Zuschüsse für die Kurrende ab 2025 einerseits und dem Gedenkort Kemna, der der Kirchenkreis plant, andererseits?
Federschmidt: „Nein, das ist überhaupt nicht der Fall. Unser Gesamtverband hat das Gelände, auf dem sich das ehemalige Bergische KZ Kemna befand, 2019 auf der Suche nach einem geeigneten Gebäude für das kreiskirchliche Archiv bewusst erworben. Dort soll eingedenk der unbezweifelbaren Schuld der evangelischen Kirche gegenüber den damals Inhaftieren ein Gedenkort unter Federführung des Kirchenkreises entstehen.
Der Löwenanteil der Kosten für die Entwicklung dieses Gedenkortes wird durch den Landschaftsverband und die Landeszentrale für politische Bildung finanziert. Die 50-Prozent-Stelle, die wir dort einsetzen werden, finanziert die Stadt Wuppertal.
Künftige Investitionskosten in den Gedenkort werden in dem Maße ausgegeben werden, wie wir dafür öffentliche Fördergeber und private Sponsoren finden. Beides ist in Aussicht gestellt. Wir sind hier also im Wesentlichen die Ermöglicher eines Gedenkortes und verantworten die inhaltliche Federführung, zahlen aber nur einen überschaubaren Eigenanteil.
Das Gebäude wird wie geplant zugleich das große kreiskirchliche Archiv und unsere .historische Bibliothek‘ beherbergen, die in der jetzigen Unterbringung in einem ehemaligen Gemeindehaus in Ronsdorf aus den Nähten platzen und nach Kemna in größere Räumlichkeiten verlagert werden sollen.
Durch die entfallenden Mietkosten in Ronsdorf und die Vermietung von Gewerbehallen auf dem Gelände in Kemna amortisiert sich der Kauf, der ohnehin hier oder an einem anderen Ort nötig wurde, in den kommenden Jahren vollständig. Die Ausstellung zur Barmer Erklärung 1934 ist ebenfalls wesentlich mit öffentlichen Mitteln und mithilfe der Landeskirche finanziert worden. Das alles hat mit dem Beschluss zum Thema Kirchenmusik nichts, aber auch gar nichts zu tun.“
Wird der Kirchenkreis die Kurrende und die Kantorei in anderer Form unterstützen, wenn die Finanzierung ausläuft?
Federschmidt: „Wir schätzen die renommierte Arbeit beider kirchenmusikalischen Einrichtungen sehr. Es gab nach der Synode bereits ein gutes, kooperatives Gespräch mit dem Vorstand, dem Geschäftsführer und dem musikalischen Leiter der Kurrende, in dem wir verabredet haben, wie wir sie auf andere Weise unterstützen können.
Mit dem Vorstand der Kantorei Barmen-Gemarke hat es ein entsprechendes Gespräch in gegenseitiger Wertschätzung gegeben. Die Ideen reichen beispielsweise von guter Präsenz in unserer Öffentlichkeitsarbeit und Unterstützung bei der Gewinnung von Förderern und Patronatsmitgliedern über Kollekten und vernetzende Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden und dem Referat Kirche, Kultur und Musik bis zur Unterstützung in Jugendleiter- und Präventionsschulungen.
Wir werden uns als evangelischer Kirchenkreis mehr und mehr zu einem verbündeten Netzwerk entwickeln, in dem wir mit unterschiedlichen eigenwirksamen und eigenständigen evangelischen Einrichtungen, wie es die Kurrende und die Kantorei Barmen-Gemarke sind, zusammenarbeiten.“