Angebote auf der Hardt Erzählwoche: „Die Bibel ist ein Bildungsgut“
Wuppertal · Biblische Geschichten rausholen aus Kirche und Religionsunterricht: Das ist die Idee der „Erzählwoche“ auf der Hardt, die Schulreferentin Beate Haude vom Ev. Kirchenkreis Wuppertal in der letzten Ferienwoche organisiert.
Was macht diese „Erzählwoche“ im Vergleich etwa zu einer Kinderbibelwoche aus? Was ist anders?
Haude: „Die Erzählwoche im ,Erzählzelt‘ auf der Hardt bedarf weder einer Anmeldung noch ist sie an eine Gemeinde angebunden. Ausgebildete Erzählerinnen und Erzähler faszinieren Kinder, und vielleicht auch deren Eltern, mit großen Geschichten der Bibel, jeden Tag in dieser Woche neu, also ohne, dass man sich für eine ganze Woche festlegt. An den Abenden auf der Hardt spielt sich das kleine ,Abend-Brötchen‘ und die Gute-Nacht-Geschichte danach innerhalb einer Stunde ab.“
Kinder sind heute umgeben von unzählig vielen Geschichten in Fernsehen, Filmen, Büchern und bei Social Media. Warum sollten sie sich für die Geschichten der Bibel interessieren?
Haude: „Die biblischen Geschichten, die wir ausgewählt haben, sprechen große Themen an, die irgendwann im Leben wohl bei jedem Menschen vorkommen. Es fehlt etwas, wenn man thematisch immer nur auf der Oberfläche bleibt und sich nie den wichtigen Fragen des Lebens stellt, zum Beispiel warum ich überhaupt lebe oder was unsere Vorfahren für Erfahrungen mit Gott gemacht haben.
Ich verstehe die großen Erzählungen der Bibel als Bildungsgut, das allen offenstehen sollte. Darin sammelt sich viel Weisheit, die uns auch heute noch eine Antwort auf hochaktuelle Fragen zum Thema Gerechtigkeit, Klimaschutz oder Frieden geben kann.“
Welche Geschichten haben Sie für die Erzählwoche ausgewählt und warum?
Haude: „Wir wollten Geschichten erzählen, die einerseits etwas von diesen Erfahrungen mit Gott zeigen, andererseits aber sollen nicht alle Geschichten so bekannt sein, dass jeder schon davon weiß. Ich schätze, keines der Kinder hat je etwas vom Ackerkauf von Anatot gehört. Ein für Kinder eigentlich undurchdringlicher Text, in dem Gott den Propheten Jeremia auffordert vor den Toren Jerusalems, mitten in Feindesland, einen Acker zu kaufen. Aber von einem tollen Erzähler wird diese biblische Geschichte kindgerecht rübergebracht.“
Die Geschichten der Bibel wurden für Erwachsene aufgeschrieben. Wie ist es möglich, sie so zu erzählen, dass Kinder sie verstehen, ohne sie zu bagatellisieren?
Haude: Die Kunst beim Erzählen ist es, Hindernisse auszuräumen, so dass in den Köpfen der Kinder je eigene Bilder entstehen können. Dazu muss man beim Erzählen zuweilen gehörig elementarisieren. Das heißt aber nicht, dass die Geschichten dadurch falsch oder unbrauchbar werden, sondern ein guter Erzähler erspürt, wo die Zuhörerinnen und Zuhörer abgeholt werden können. Wenn ich etwa einem erwachsenen, nicht naturwissenschaftlich gebildeten Menschen erklären soll, wie der Klimawandel funktioniert, werde ich nicht Formeln, sondern Bilder verwenden. Dann wird es verstehbar. Und auch dieses hochaktuelle Thema greifen wir mit der Geschichte von Noah und der Sintflut auf.“
Die Geschichten werden auch in Gebärdensprache übersetzt. Warum ist Ihnen das wichtig?
Haude: „Wir fanden es schade, Kinder auszuschließen, die die Geschichten problemlos verstehen könnten, wenn jemand sie gebärdet. Es gibt ja in Wuppertal genug gut ausgebildete Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Wenn die Kinder Texte als etwas erfahren, was das Leben reicher macht, ist die Woche gelungen.“
Die Erzählwoche findet eine Woche vor Ferienende statt. Was sollen Kinder und Erwachsene daraus für ihren Alltag, in dem die Schule wieder großen Raum einnehmen wird, mitnehmen?
Haude: „Lust am Text: So hat es einmal der Sprachphilosoph Roland Barthes formuliert. Unsere Welt ist sehr bilderreich geworden. Länger zuhören ist schwerer für Kinder als im vorigen Jahrhundert. Wenn die Kinder mitnehmen, Texte als etwas zu erfahren, was das Leben reicher macht, dann ist die Woche gelungen.“