Ein Lehrling mit meisterlichen Fähigkeiten
Wuppertal · Volkan Midik ist der "Lehrling des Monats Juni 2015". Der angehende Orthopädie-Schuhmacher hat trotz seiner Jugend schon viel erlebt.
Bis der heute 25-Jährige zum Metier der Fußgesundheit kam und nun die Auszeichnung der Handwerkskammer Düsseldorf erhielt, gab es einige Zwischenstationen, die erst nicht recht zusammen passen wollen. Die Herkunft fern vom Bergischen ist nur eine davon: Mit sechs Jahren kam Midik mit seiner Familie als gebürtiger Kurde nach Deutschland. Zu lange her wohl, um ihn heute "Flüchtling" zu nennen. Doch 1996 war es in der Tat die politische Flucht, die ihn mit seinen Eltern in mehrere deutsche Städte verschlug — darunter Bremen und später Wuppertal. Die weiteren Stationen haben dagegen wenig mit Migration zu tun: Viel dagegen mit Sorgfalt, Sachverstand — und mit Kaffee.
Zwar hatte der junge Mann schon als Aushilfe im Schuh- und Schlüsseldienst eines Onkels mit Fußbekleidung zu tun gehabt. Danach aber bediente er in einem Café am Düsseldorfer Flughafen mit Charme und einem Augenzwinkern und verschaffte sich so Sympathien. Ungeduldige Reisende besänftigte er mit Zeichnungen aus Kakaopulver auf ihrem Cappuccino — "damals noch ganz einfache", erzählt er, "Smileys oder Herzchen". Heute findet, wer Glück hat, auch schon einmal einen gestreuselten Panda-Bären auf dem bestens zubereiteten Latte. Auch beim Kaffee ist Midiks Fortschritt inzwischen übrigens im Wortsinn ausgezeichnet: 2010 war er Sieger in einem Barista-Wettbewerb in Berlin.
Das alles war zwar nett, für Midik selbst auf Dauer aber keine Perspektive. Als es dann an die Wahl eines Ausbildungsberufes ging, zählte sein Onkel eins und eins zusammen und schlug vor: Orthopädieschuhmacher! Nicht nur das früh bewiesene handwerkliche Geschick passte da ins Bild. Vielmehr war es gerade auch der Spaß am Umgang mit Menschen, mit dem Midik bis heute im mitunter heiklen Arbeitsfeld "Füße" die Kundenberatung wie spielend meistert — im Gespräch mit ihm glaubt man das schnell. Und auch im Sanitätshaus Beuthel war man beim Vorstellungstermin überzeugt. Vielleicht auch von seiner offenen Ehrlichkeit: "Ich weiß, das sollte man nicht sagen, aber dies ist meine erste Bewerbung überhaupt."
Wobei bei allem Charme Midiks Fachwissen außer Frage steht. In seinem Raum bittet er mit kundigem Blick aufs Laufband zur Gangbild-Analyse. Er weiß: Nicht nur Diabetiker haben häufig Fußprobleme, mit denen sie mal mit, mal ohne ärztliche Anweisung zu ihm kommen. Vielmehr entwickeln auch Highheel-Trägerinnen schon ab 40 Jahren oft einen "Spreizfuß" und können seine Dienste gut gebrauchen. Zu denen nach der Bestandsaufnahme natürlich die Anfertigung nebenan in der Werkstatt gehört: Maßgefertigte Sohlen oder ganze Maßschuhe erfordern viel Sorgfalt und Können. Aber das gilt ja im Grunde beim Milchkaffee ebenso: Zu fester Schaum heißt oft, dass das Getränk zu lange steht und die Flüssigkeit "heruntersickt".
Und schließlich, die "migrantischen Wurzeln"? Selbst hier könne Charme und Offenheit so manches bewirken. Gerade Kunden mit orientalischer Prägung seien oft misstrauisch, erzählt Midik, wenn es um Füße und Orthopädie gehe. Doch der 25-Jährige spricht Türkisch ebenso wie Kurdisch — und gegen Midiks entwaffnendes "Ich hab' schon alles gesehen..." hat jedes Genieren vor dem Socken-Abstreifen keine Chance.