Interview zur aktuellen Flüchtlingslage in Wuppertal "Keine Turnhallen"

Wuppertal · Innerhalb weniger Stunden musste Wuppertal auf Weisung des Landes am Dienstag 150 zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen. Das hat funktioniert. Wie — darüber sprach Rundschau-Redakteur Stefan Seitz mit Sozialdezernent Stefan Kühn.

Stefan Kühn ist Wuppertals Dezernent für Soziales, Jugend, Schule und Integration.

Foto: Raina Seinsche

Was war da los am Dienstag?

Wuppertal bekam morgens aus Düsseldorf die Amtshilfe-Anweisung des Landes, um 18 Uhr 150 zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen und unterbringen zu müssen. Wenn es nicht als eigene Reservefläche das Gebäude an der Yorckstraße gäbe, hätten wir erstmals auf eine Turnhalle ausweichen müssen.

150 Menschen kurzfristig einen Platz zum Leben zu geben, das klingt viel Logistik-Aufwand.

Allerdings! Wir mussten sieben Familien, die in der Yorckstraße wohnten, schnell in Wohnungen unterbringen. Dann Betten, Matratzen, Bettwäsche, Geschirr, Zahnbürsten, Seifenspender, WC-Papier, Essen und Getränke für 150 Menschen organisieren. Vor Ort waren Sozialarbeiter, Hausmeister, der Malteser-Hilfsdienst, Security-Leute, unser Ressortleiter, ich und viele andere. Um 13 Uhr konnten wir der Bezirksregierung melden, dass wir es bis 18 Uhr schaffen. Ich bin sehr stolz auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wie lief dann die Ankunft der Flüchtlinge?

Leider verbindet sich damit der eigentliche Frust dieses Tages. Wir haben uns krummgelegt, um Punkt 18 Uhr alles komplett zu haben. Um Dolmetscher konnten wir uns nicht kümmern, denn wir haben nicht erfahren, aus welchen Ländern die Flüchtlinge überhaupt stammen. Angekommen sind die Menschen dann erst um 21.45 Uhr. In all den Stunden dazwischen bekamen wir keine Informationen vom Land und konnten telefonisch auch niemanden erreichen. Die Plötzlichkeit der Unterbringungsanforderung in Verbindung mit dieser Nicht-Kommunikation, das ist eine echte Zumutung.

Was ist der übliche Ablauf?

Die Verabredungen mit dem Land sind ganz anders. Dessen Erstaufnahmestellen sollen Impfungen durchführen, Asylanträge entgegennehmen, die Unterbringung organisieren und vieles mehr in Ruhe machen. Nicht die Kommunen. Offenbar aber sind die Engpässe des Landes so groß, dass jetzt auch Städte mit ins Boot genommen werden. Ähnlich wie uns ging es auch Remscheid, Krefeld und Mühlheim.

Wie ist die Stimmung im städtischen Integrations-Ressort, das jetzt alle Hände voll zu tun hat?

Der Flüchtlingszustrom wegen der Not in Syrien, im Irak und vielen anderen Krisenregionen hält ja schon seit Monaten ununterbrochen an. Ich bin beeindruckt von allen, die im Ressort seither unter erschwerten Bedingungen am Limit arbeiten. Alle sind sich aber einig, dass der Wuppertaler Weg der Unterbringung in Wohnungen in Verbindung mit einer Willkommenskultur unbedingt weiter verfolgt werden muss.

Gibt es aktuelle Zahlen?

In Wuppertal leben etwa 3.000 Flüchtlinge, 1.000 davon sind erst in der jüngsten Zeit zu uns gekommen. Wir werden weiterhin offensiv Wohnungen anmieten und etwas größere Gebäude mit höchstens 50 Menschen belegen.

Wie geht es jetzt weiter?

Die am Dienstag gekommenen Flüchtlinge werden, so sagt uns das Land, drei Wochen in Wuppertal bleiben und dann auf andere Orte verteilt. Zu einer ähnlichen Amtshilfe-Situation kann es jederzeit wieder kommen. Ich kann zwar nichts versprechen, sage aber: Wir tun alles um zu vermeiden, dass Menschen in Zelten und Turnhallen untergebracht werden.

(Rundschau Verlagsgesellschaft)