Aktuelles Arbeitsrecht Die Testpflicht ist da - Welche Rechte und Pflichten Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer jetzt haben

Am 20.04.2021, tritt die neue Version der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“ des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD) in Kraft - zunächst zeitlich befristet bis zum 20.06.2021. Inhaltlich bringt sie einen neuen Abschnitt, nämlich die sogenannte „Corona-Testpflicht“ für alle Arbeitgeber dieses Landes, ob es ein Kleinbetrieb oder ein Konzern oder eine öffentliche Körperschaft ist.

Rechtsanwalt Steffen Hahn im Interview zum Thema Arbeitsrecht und Corona-Testpflicht am Arbeitsplatz.

Foto: Thomas Bocian Fotografie

Hiernach muss der Arbeitgeber seinen Beschäftigten mindestens einmal pro Kalenderwoche einen COVID-19-Test anbieten. In den Bereichen, wo Arbeitnehmer in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, oder in geschlossenen Räumen mit übertragungsfreundlichen klimatischen Bedingungen arbeiten, oder bei körpernahen Dienstleistungen, oder wo Arbeitnehmer häufig wechselnden Kundenkontakt haben, oder Kunden haben, die keinen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen, ist nun eine Testpflicht von zwei Tests pro Woche vorgeschrieben. Die Tests und Nachweise müssen vier Wochen dokumentiert und archiviert werden.

Diese Neuverordnung kommt in einer Zeit, in der sich an vielen Stellen Ernüchterung breit macht. Die Hoffnung, die Pandemie bereits im Frühjahr 2021 zu bekämpfen, ist nicht mehr vorhanden. Derzeit haben knapp 20% der Bevölkerung in Deutschland eine Erstimpfung erhalten. Umgekehrt infizieren sich in 7-Tagen (durchschnittlich) derzeit knapp über 20.000 Menschen neu, was dem Stand nach Weihnachten 2020 entspricht. Ein katastrophaler Wert. Dies mag seine Ursachen im Bereich haben, den Mediziner besser beurteilen können, nämlich der Mutation des Virus und ist nicht zu ändern. Auch der Arbeitsmarkt droht zu kippen, im Vergleich zum März 2020 sind im März 2020 laut offiziellen Angaben 492.082 Menschen mehr arbeitslos, dies sind 21,1 % mehr als vorher.

Die Frage ist nunmehr, wie sich die arbeitsrechtliche Situation nach der neuen Verordnung darstellt. Die Verordnung schafft für Unternehmen von Seiten eine neue Pflicht zum Angebot der Tests - welcher Tests auch immer. Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass die Möglichkeit zum Schnelltesten besteht - er kann seiner Verpflichtung auch mittels aufwändiger PCR-Tests oder „Antigen-Schnelltests“ nachkommen. Im Übrigen müssen Arbeitgeber auch die Kosten für die Tests und deren Organisation übernehmen. Es ist hiernach die Entscheidung des Arbeitnehmers, dieses Angebot wahrzunehmen oder nicht. Es sei, so hat es der Minister immer wieder betont, in keiner Weise eine Rechtsgrundlage ersichtlich, Arbeitnehmer zum Testen „zu zwingen“, erst Recht nicht durch die neue Verordnung. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht, ein Angebot zum Testen zu schaffen, nicht nach, kann man sich als Arbeitnehmer an die zuständige Arbeitsschutzbehörde wenden und sich dort beschweren. 

In Nordrhein-Westfalen ist dies etwa die jeweilige Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde. Die Aufsichtsbehörden dürfen dann Auskunft verlangen, warum das Testangebot nicht gemacht wird und sie dürfen Anordnungen und Weisungen gegenüber dem Unternehmen erteilen, um die Testangebotspflicht, wenn angezeigt, durchzusetzen. Bei einer Widersetzung drohen sogar Bußgelder in Höhe von bis zu EUR 30.000,00.

Es stellen sich aber eine Reihe weiterer Fragen, die im Folgenden von Rechtsanwalt Steffen Hahn, Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Fachanwalt für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediator aus Sicht des 19.04.2021 beantwortet werden. Steffen Hahn ist Gründer und Inhaber der Kanzlei Hahn in Viersen

Herr Hahn, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wirklich nicht dazu verpflichten, einen Test zu machen?

Steffen Hahn: Zu der Frage, ob der Arbeitgeber per Anweisung die Vorlage eines Schnelltests verlangen kann, habe ich bereits am 25.03.2021 im „Mannheimer Morgen“ Stellung bezogen.

Ja, ich halte dann, wenn die betrieblichen Umstände es erfordern (Home-Office nicht möglich, Kontakt mit anderen Mitarbeitern nicht zu vermeiden, Hygiene-Konzept zu riskant oder mit Schwachstellen, Anzeichen von Grippe-Symptomen, unvorsichtiges Verhalten im Betrieb), die Arbeitgeber-Anweisung zur Vorlage eines Schnelltests für völlig vertretbar und rechtmäßig. Die Frage ist freilich noch nicht gerichtlich entschieden. Schlagendes Argument ist allerdings die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für alle Mitarbeiter - bei einem hoch infektiösen, gefährlichen Virus mit unabsehbaren Folgen („Long-COVID“).

Muss man mit der Testpflicht jetzt zurück ins Büro (Home-Office)?

Nein, mit der neuen Corona-Verordnung ist keine Änderung eingetreten, was die Präsenzpflicht oder das „Recht auf Home-Office“ angeht. Mehr dazu hier.

Ist vereinbart, dass die Arbeitsleistung im Home-Office erfolgen darf, gilt diese Vereinbarung weiter. Erst Recht in Anbetracht der ebenfalls in Kraft getretenen Verordnung zum „Recht auf Home-Office“.

Was ist, wenn das Testergebnis positiv ist?

Bei einem positiven Schnelltest, die jedermann vornehmen kann, muss etwa in Nordrheinwestfalen nach aktueller Verordnungslage eine Meldung an das zuständige Gesundheitsamt erfolgen - mit weiteren Quarantäneschritten und der Durchführung eines PCR-Tests, dem „Goldstandard“ der Corona-Diagnostik, den auch nur geschultes medizinisches Personal vornehmen kann. Die weiteren Maßnahmen trifft dann die Gesundheitsbehörde. Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht gegenüber der Restbelegschaft in diesem Fall zur bezahlten Freistellung verpflichtet, sofern sich der Arbeitnehmer nicht arbeitsunfähig meldet und den Behördenweg ordnungsgemäße in Anspruch nimmt.

Und zählt die Zeit, die man zum Testen braucht, dann auch als Arbeitszeit?

Diese Frage ist ebenso umstritten wie viele andere Aspekte. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber eine Weisung erteilt, dass er sich testen lassen soll und wann der Arbeitnehmer wegen der Testung zur Arbeit erscheint, ist die hierfür aufgewendete Zeit Arbeitszeit, denn sie ist auf Direktion des Arbeitgebers eingesetzt. Nimmt der Arbeitgeber keine Weisung vor, sondern bietet allein die Testmöglichkeit im Unternehmen an, erfüllt er seine öffentlich-rechtlichen Pflichten aus der Corona- Arbeitsschutzverordnung. Diese Verpflichtung ist ja kein Bestandteil des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dann obliegt es dem Arbeitnehmer, dem nachzukommen oder auch nicht. Nimmt der Arbeitnehmer ohne Weisung und ohne sonstige Vereinbarung das Angebot zum Testen in Anspruch, handelt es sich nach meiner Einschätzung nicht um anzurechnende und per Lohnanspruch auszugleichende Arbeitszeit.

Zusammenfassend sei eine Anmerkung erlaubt: Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten beide ein enormes Interesse daran haben, eine Testmöglichkeit am Arbeitsplatz zu haben und diese auch rege in Anspruch zu nehmen. An dieser Stelle sind Grabenkämpfe um die Frage, ob Arbeitnehmer auch verpflichtet werden könnten, zu testen, Fehl am Platz. Es sitzen in dieser Krise - noch mehr als bei anderen Gelegenheiten - „alle in einem Boot.“