Das Rundschau-Interview Dezernentin Dr. Zeh: „Prozesse vom Kunden her denken“
Wuppertal · Dr. Sandra Zeh ist seit 1. Januar 2024 Wuppertals neue Dezernentin für die Bereiche Personal, Digitalisierung und Wirtschaft. Mit Roderich Trapp und Stefan Seitz sprach sie über ihre ersten 100 Tage im Amt – und auch darüber, was Leistungssport und Leitungsaufgaben in der Stadtverwaltung gemeinsam haben ...
Rundschau: Sie leiten ein Ressort mit einem riesigen Aufgabenbereich. Wie kann man da überhaupt möglichst schnell hineinfinden?
Zeh: „Darüber hatte ich mir schon im Vorfeld Gedanken gemacht und beschlossen, in allen mir zugeordneten Bereichen zu hospitieren. So habe ich möglichst viele Kolleginnen und Kollegen persönlich kennengelernt, auch wenn das bei 440 Menschen natürlich nicht durchgehend möglich ist. Und ich habe dabei inhaltlich abgeklopft, wo wir bei den wichtigen Themen stehen. Außerdem gab es Gespräche mit den anderen Dezernenten über die Zusammenarbeit und ganz viele Antrittsbesuche außerhalb der Verwaltung.
Weil ich ja Anfang Januar an den Start gegangen bin, waren die vielen Neujahrsempfänge dafür ganz hilfreich. Ich versuche außerdem, mich privat möglichst oft in Wuppertal umzutun. Wir haben jetzt Karten mit den Kindern für „Frankenstein junior“ im TiC und gehen am Wochenende in den Zoo.“
Rundschau: Nach diesen ersten Eindrücken: In welchen Bereichen ihres Aufgabenfeldes „brennt“ es am meisten?
Zeh: „Da muss man zwischen den internen und externen Feldern unterscheiden. Innerhalb der Verwaltung ist es eindeutig der Personalbedarf. Bis 2027 scheiden rund 1.000 Kräfte aus. Das aufzufangen wird eine große Herausforderung, zumal wir dann in klassischen Mangelberufen großen Bedarf haben. Ich möchte deshalb, dass wir für uns eine Arbeitgebermarke bilden – also festlegen, wofür die Stadt als Arbeitgeber steht. Mit dem „Wuppertalent“ gibt es da schon ein erfolgreiches Vorbild. Dieses Projekt werde ich hoch aufhängen. Außerdem wollen wir Veränderungen in den bisher sehr starren Vorgaben für die Laufbahnen im öffentlichen Dienst nutzen, um uns für Quereinsteiger zu öffnen und eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten zu können.
Zweiter neuralgischer Punkt ist die Digitalisierung von Dienstleistungsangeboten. Da sind wir fachlich gut aufgestellt, könnten eigentlich mehr und auch schneller mehr. Aber das ist teuer und keine Pflichtaufgabe der Kommunen, deshalb ist die Finanzierung schwierig. Ich finde es übrigens unfair, dass Wuppertal als finanzschwache Stadt in solchen Themen abgehängt zu werden droht. Digitalisierung ist ja auch ein wichtiger Standortfaktor.“
Rundschau: Und wo sehen Sie extern Handlungsbedarf? Die Wuppertaler Wirtschaft hat ja oft darüber geklagt, dass sie in der Verwaltung keinen Ansprechpartner mehr habe ...
Zeh: „Ich habe den Rückmeldungen der Unternehmerschaft sowie der Umfrage der Unternehmensberatung LennardundBirner GmbH, welche unter anderem die Zufriedenheit der Unternehmen mit den wirtschaftsbezogenen Dienstleistungen der Stadtverwaltung zum Gegenstand hatte, schon entnommen, dass es da aus Sicht der Wirtschaft Verbesserungsbedarf gibt. Ich sehe aber auch große Offenheit und viel Engagement bei vielen Beschäftigten in der Verwaltung, sich um diese Themen zu kümmern.
Die Unzufriedenheit resultiert aus meiner Sicht vor allem aus einem Organisationsproblem: Wenn sich ein Unternehmen zum Beispiel in Wuppertal ansiedeln will, hat es heute tatsächlich Berührungspunkte mit allen Geschäftsbereichen und in den Geschäftsbereichen mit unterschiedlichen Ämtern, entsprechend viele Ansprechpartner und großen Aufwand hat dann das Unternehmen. Dieser Prozess muss vom Kunden her gedacht und anders strukturiert werden. Ich wünsche mir eine schlagkräftige ,Business Unit’, in der solche Anliegen, die unterschiedliche Ressorts betreffen, nach dem Prinzip ,one face to the customer’ straff bearbeitet werden.
Für eine solche Bündelung städtischer Aktivitäten mit Wirtschaftsbezug in meinem Dezernat mit dem Ziel, kurze Wege und schnelle Beratung für die Unternehmen sicherzustellen, muss ich natürlich im Verwaltungsvorstand und in der Politik werben. Wichtig ist es dafür auch, dass wir die neue Chefin der Wirtschaftsförderung, die am 1. Juni ihre Funktion antritt, schnell mit ins Boot holen.
Die Wirtschaftsförderung soll der erste Ansprechpartner für Unternehmen sein – und mein Dezernat ist dann dafür da, alle für die wirtschaftsbezogenen Dienstleistungen relevanten Strukturen und Prozesse in der Verwaltung auf Optimierungsmöglichkeiten zu prüfen und auf die Belange der Wirtschaft auszurichten. Das erwarten auch die Unternehmen von einer effizienten Verwaltung: Sie muss als Möglichmacher und serviceorientierter Dienstleister für die Unternehmen fungieren.
Wir werden die Schnittstellen und Aufgabenverteilungen zwischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft und meinem Dezernat noch im Detail besprechen und festlegen. Über die Struktur nachdenken müssen wir gemeinsam mit der Wuppertaler Marketing GmbH und dem Geschäftsführer, Martin Bang, sowie der Wirtschaftsförderung dann auch beim wichtigen Thema Standortmarketing, bei dem es darum geht, Wuppertal und seine Stärken und Alleinstellungsmerkmale nach außen unter anderem für die Unternehmen noch sichtbarer zu machen.“
Rundschau: Fehlende Gewerbeflächen sind ein Wuppertaler Dauerbrennerthema. Vor sechs Jahren hat die Stadt das Areal der ehemaligen Bergischen Sonne gekauft und sanieren lassen, um hier einen „Smart Tec Campus“ zu entwickeln. Entstanden ist hier aber noch nichts. Wie stehen Sie zu diesem Projekt?
Zeh: „Das ist eine extrem wertvolle Fläche, nicht nur wegen des Kaufpreises. Wir haben gerade eine Kooperation mit der Barmer geschlossen, durch die das Areal auf 40.000 Quadratmeter anwächst, und wir wollen auch gemeinsam mit ihr Vermarktungsaktivitäten starten. Dafür haben wir jetzt eine kleine Projektgruppe gebildet. Ich wünsche mir hier Unternehmen, die an diesem Standort dann ihren Hauptsitz haben, in Wuppertal Gewerbesteuer zahlen und möglichst viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen. Auch eine internationale Vermarktung kommt in Betracht. “
Rundschau: Ein anderer lokaler Dauerbrenner ist die Diskussion um eine Bergische Arena in Solingen oder Wuppertal. Wie ist der aktuelle Stand?
Zeh: „Es ist von zentraler Bedeutung, dass der Bergische HC eine angemessene und dauerhafte Heimspielstätte erhält, um die ständige Notwendigkeit des Wechsels zwischen verschiedenen Austragungsorten zu eliminieren. Die Oberbürgermeister der Städte Wuppertal und Solingen haben beschlossen, zunächst in Solingen nach einem geeigneten Standort für eine potenzielle ,Bergische Arena‘ zu suchen.
Sollte sich in Solingen keine passende Option finden, wird die Stadtverwaltung von Wuppertal die Machbarkeit einer Mehrzweckarena prüfen und dem Stadtrat Ergebnisse vorlegen, die entweder eine Beschlussfassung oder eine informierende Unterrichtung erfordern könnten. Entscheidend für das Voranschreiten dieses Projekts sind insbesondere die Aspekte der Finanzierung und des Flächenbedarfs.“
Nach 17 Jahren ist mit Ihnen erstmals wieder eine Frau im Wuppertaler Verwaltungsvorstand. Wie fühlt sich das an?
Zeh: „Für mich ist das nichts Neues. Ich war oft die erste oder die einzige Frau auf meiner Hierarchieebene. Allerdings habe ich sehr gute Erfahrungen mit heterogenen Teams gemacht.“
Stichwort Team: Sie waren ja auch Leistungssportlerin. Kann man aus dem Spitzenhandball eigentlich etwas für den Dezernentenjob mitnehmen?
Zeh: „Auf jeden Fall gibt es Parallelen. Ich war ja meistens Spielmacherin, da braucht man genau wie als Dezernentin strategisches Denken, viel Teamgeist und einen langen Atem. Man lernt natürlich auch, mit Rückschlägen umzugehen und Spielertypen mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen passend einzusetzen. Ich werde übrigens oft gefragt, ob ich noch mal beim Handball einspringen kann (lacht) – da herrscht also scheinbar auch Fachkräftemangel.“